„Ist das dein Vater oder ein Penner in der Küche?", weckte mich eine weibliche Stimme, die ich erst überhaupt nicht zuordnen konnte. Doch der Duft von Vanille holte mich in die Realität zurück. „Wenn er Brötchen mitgebracht hat, dann hoffentlich mein Vater.". Während ich noch verschlafen mit den Augen blinzelte, reichte mir Mia eine duftende Tasse Kaffee. Mit Garfield-Aufdruck. Sie trug nur einen Slip und mein Kiss-Shirt, ihre Klamotten von gestern Abend lagen noch auf dem Parkett verteilt. Eigentlich sah sie ganz süß aus, so ein bisschen zerzaust.
Sie setzte sich neben mich auf das Palettenbett und nippte an ihrem eigenen Kaffee. Eine Tasse mit dem kleinen blauen Elefanten. „Ich habe gesagt, ich bin deine Fotografin.". Ich nickte noch etwas benommen. „Das ist richtig.". Empört schleuderte sie ein Kissen nach mir. „Ich bin nicht nur deine Fotografin!". Die Alkoholteilchen in meinem Kopf fuhren Achterbahn. Ab wann war mein eigentlich zu alt, um jedes Wochenende feiern zu gehen? War ich mit zweiundzwanzig noch ganz gut in der Mitte? Oder sollte ich mich schon um eine Eigentumswohnung bemühen?
„Weißt du, viele Angestellte tun manchmal kleine Gefallen für ihre Arbeitgeber.". Noch bevor ich protestieren konnte, zog Mia mir die warme Bettdecke weg. „Aber du bezahlst mich ja nicht mal!". Ihre Augen wanderten über meinen nackten Körper. Sie wusste nicht, wo sie hinschauen sollte. Ich stellte meine Kaffeetasse auf dem improvisierten Nachtisch aus Büchern ab, er war sowieso viel zu süß und milchig, und räkelte mich ein bisschen auf dem Bett. „Nein, nicht mit Geld.". Mia grinste. Sie zog sich mein T-Shirt über den Kopf, sodass ich wieder ihre Piercings bewundern konnte. „Dann werde ich wohl jetzt meinen Lohn einfordern müssen.".
Ich begann Küsse auf ihrem Unterleib zu verteilen, bis sie mich nach hinten schubste. Unsere Hüften bewegten sich im selben Takt, unsere Lippen waren kaum einen Zentimeter voneinander getrennt, doch als ich in ihre blauen Augen schaute, wünschte sich ein kleiner fieser Teil in mir, dass sie apfelgrün wären. Ich verbannte diesen Gedanken sofort in die hinterste Ecke meines Gehirns und küsste Mia noch ein bisschen stürmischer.
Am Nachmittag ging ich zu Charlie runter in den Laden. Er musterte mich mit wissendem Blick. „Eine Fotografin also.". Ich stellte mich neben ihn und half ihm, die neuen Schallplatten einzusortieren. „Mia macht wirklich gute Fotos, sie würde auch kostenlos deinen Internetauftritt erneuern.". Er seufzte und kratzte sich nachdenklich an seinem Bart. „Manchmal würde ich mir wirklich wünschen, du würdest nicht immer so geschäftlich denken.". Ich stemmte empört die Hände in die Hüften und sprach: „Irgendwer muss ja unsere Finanzen im Blick behalten! Außerdem wird es sowieso nichts Festes, sie kannte nicht mal die drei J's.".
„Die drei J's?"
„Jimi Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison. Ein bisschen Basiswissen muss sein."
Charlie knuffte mich in die Seite. „Komm schon Elma, nicht jeder ist in einem Plattenladen aufgewachsen. Obwohl ich mich auch nie mit jemanden treffen würde, der Abbey Road nur für eine Straße hält.". Vielleicht war ich wirklich ein kleiner, einzelgängerischer Musiknerd, aber warum auch nicht? Ein paar mehr Aufritte für unsere Band wären nicht schlecht, ansonsten war ich eigentlich ganz zufrieden. Auch ohne eine feste Beziehung.
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a n o m a l i e
General Fictionals juniper im augustnebel nach einem abenteuer sucht, findet sie elma mit dem tiger-tattoo. zwischen schallplatten, selbstfindung und herbstblättern entdecken die beiden die facetten der liebe. oder was auch immer liebe sein mag. anomalie; eine abw...