Die Glocke des Ladens bimmelte und ich schaute erschrocken auf, als die Tür knallte. Mia sah nicht gerade glücklich aus. „Ich wusste gar nicht, dass wir einer fucking offene Beziehung führen!", rief sie und klatschte ihr Handy auf den Verkaufstresen. Es lief ein Video von der Brausestraßen-Nummer. „Ich wusste nicht, dass wir in einer Beziehung sind.". Unbeeindruckt gab ich ihr das Gerät zurück. Sie funkelte mich böse an. „Du bist so ein Arschloch! Was war das denn sonst?". Ich verschränkte genervt die Arme und sprach ruhig: „ Haben wir jemals über Gefühle gesprochen? Nein. Hab ich etwas behauptet? Nein. Haben wir miteinander geschlafen? Ja, mehrmals. Aber das heißt nicht gleich, dass man zusammen ist! Wenn ich dir falsche Signale gesendet hab: Sorry, aber daran kann ich mich nicht erinnern.".
Etwas in Mia veränderte sich, sie sah enttäuscht aus. „Dann war ich nur ein One-Night-Stand?". Ich hatte sie nicht verletzten wollen, aber so lief es meistens. „Ich glaub, es waren mehr Nächte.". Das brachte ein trauriges Lächeln auf ihr Gesicht. Ich kam um den Tresen herum und wir umarmten uns freundschaftlich. „Du findest jemanden für dich, aber auf Dauer hätten wir nicht gepasst.". Sie nickte betrübt. „Ich fliege morgen nach Spanien, also passt schon.". Wir lächelten uns ein letztes Mal an und sie hatte schon den Türgriff in der Hand, als sie sich noch einmal umdrehte. „Elma?", ich schaute verwirrt von den Unterlagen auf, „versteck dich nicht, nicht vor der Kleinen.". Bevor ich antworten konnte, war sie auch schon verschwunden. Genauso schnell wie das Ganze angefangen hatte, war es auch geendet.
Um den Kopf frei zu kriegen, setzte ich meine Kopfhörer auf und machte einen Spaziergang durch die Kleinstadt. Es war gerade mal Nachmittag und dämmerte schon langsam. Ich war ein Wintermensch, aber irgendetwas störte mich dennoch. Die Kälte kroch klamm in meine Knochen, da halfen auch die Armstulpen nichts. Kurz bevor ich wieder bei Zuhause war, erregte ein Teeladen meine Aufmerksamkeit. Das Schaufenster war wunderschön weihnachtlich geschmückt, obwohl der Dezember erst nächste Woche begann. Ein richtiges Winterwunderland war aufgebaut worden, mit kleinen Figuren, Häusern und einer Spielzeugeisenbahn, die im Kreis fuhr.
Und dann entdeckte ich Juniper, die mit Weihnachtsmütze und Weihnachtspullover auf einer Leiter stand und Kunstschnee rieseln ließ. Ich kam mir vor, als wäre ich im falschen Film. Verdutz betrat ich den Laden. Es duftete wunderbar nach Lebkuchen und Zimt. „Einen Moment bitte, ich bin gleich für Sie da! Wonach suchen Sie denn?", ertönte es aus dem Schaufenster. Ein großes Regal verdeckte die Sicht. „Ich würde gerne Tee für eine Freundin kaufen.". Die Leiter wackelte gefährlich, als sie nur noch mit einem Bein darauf stand. „Grün-, Schwarz- oder Weißtee? Was mag sie denn so?". Ich machte mich schonmal bereit sie aufzufangen, falls sie hinunter stürzen würde.
„Sie mag Fleetwood Mac, den Geruch von Regen, ihre Katze und Patchworkdecken. Wenn sie eine Jahreszeit wäre, dann auf jeden Fall der Frühling. Und eine Frucht ... dann eine Walderdbeere. Ich glaube, sie mag Erdbeeren.". Juniper drehte sich verwirrt um, verlor das Gleichgewicht und landete schließlich in meinen Armen. „Ich mag Erdbeeren.", sagte sie und räumte die Leiter beiseite, als wäre nichts passiert, „du wärst eine Brombeere.". Ich hob die Augenbrauen und stützte mich auf dem Verkaufstresen aus dunklem Holz ab. „Eine Brombeere? Niemand mag Brombeeren.".
Sie stand auf der anderen Seite des Tresens und beugte sich soweit nach vorne, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten. „Ich mag Brombeeren.". Sie lehnte sich wieder zurück und setzte eine professionelle Miene auf. „Wolltest du jetzt einen Tee kaufen, oder nicht?". Eigentlich nicht, schließlich trank ich nicht mal Tee.
Am Ende verließ ich den Laden mit drei verschieden Sorten und einem dummen Grinsen auf dem Gesicht. Als ich Charlie davon erzählte, lachte er mich nur schonungslos aus. Juniper hatte einfach so glücklich ausgehen, als sie mich beraten hatte. Da hatte ich doch schlecht ablehnen können.
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a n o m a l i e
General Fictionals juniper im augustnebel nach einem abenteuer sucht, findet sie elma mit dem tiger-tattoo. zwischen schallplatten, selbstfindung und herbstblättern entdecken die beiden die facetten der liebe. oder was auch immer liebe sein mag. anomalie; eine abw...