4. pegasus im herbstviereck

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Es war ein kalter Oktoberabend, als ich an der Straßenlaterne vor Charlie 's Records stand und zum Mond empor schaute. Blickte vielleicht noch irgendjemand, irgendwo auf der Welt genau in diesem Moment nach oben? Die Rauchschwaden der Zigarette hingen wie Gespenster in der Luft, während Alex Turner aus meinen Kopfhörern dröhnte. Ich schaute in den klaren Himmel und versuchte Sternbilder zu erahnen, allerdings war ich immer zu ungeduldig gewesen, um sie auswendig zu lernen. Plötzlich erregte ein Schatten am anderen Ende der Gasse meine Aufmerksamkeit, er schaute ebenfalls zum Mond hinauf. Als er näher in meine Richtung kam, erkannte ich ein Mädchen. Ihr blondes Haar glänzte silbrig, sie sah aus wie eine Fee. Und ein bisschen wie Cassie aus Skins. „Kannst du Sternbilder lesen?", fragte ich in die Nacht hinein und schob mir die Kopfhörer von den Ohren. „Nur eins, das Pegasus. Es ist direkt über uns.".

Ich schaute verwirrt nach oben und als ich meinen Kopf wieder senkte, blickte ich in zwei apfelgrüne Augen. Das Mädchen aus der Telefonzelle. „Also ich kann immer noch nichts erkennen.". Vielleicht fehlte mir einfach die Fantasie dafür. Sie griff nach meiner Hand, legte ihren Zeigefinger auf meinen und fuhr mit mir gemeinsam unsichtbare Linien am Himmelszelt entlang. „Die Sterne heißen Markab, Scheat, Algenib und Sierrah. Zusammen bilden sie das Herbstviereck.". Unsere Hände sackten nach unten, berührten sich aber immer noch. „Woher weißt du das?", es fiel mir schwer, den Blick von der Kunst über mir abzuwenden und auf die Kunst neben mir zu richten. „Mein Großvater hat es mir beigebracht. Er meinte, das Pegasus würde mich beschützen.". Ich spürte ihren Blick auf mir und als sich unsere Augen erneut trafen, röteten sich ihre Wangen. Wahrscheinlich lag das einfach nur an der Kälte. Sie sah süß aus, mit der gestreiften Pudelmütze.

Gemeinsam gingen wir die Gassen aus Fachwerkhäuser zum alten Marktplatz entlang, während sie ihr Rennrad neben sich her schob. Juniper, sie war ein Sommermädchen. „Hast du das Buch gelesen?". Nicht, dass ich mir das erhofft hätte. Doch sie nickte. „Natürlich", sie schmunzelte, „das, was ich von dir zu wissen glaube, habe ich darin wiedergefunden.". Wir blieben an dem Springbrunnen aus Naturstein stehen, in dem Wasser schwammen Herbstblätter und ein paar Münzen. „Was denn zum Beispiel?". Ich würde gerne wissen, was sie über mich dachte. Nachdenklich berührte ich mit meinen Fingerspitzen das frostige Wasser. Die Oberfläche erschütterte, mehrere kleine Kreise bildeten zusammen ein Mosaik, bevor alles wieder so aussah, wie vorher. Als hätte es nie eine Erosion gegeben.

„Ist es dein Lieblingsbuch?". Ich ließ meine Finger so lange in dem Brunnenwasser, bis sie taub wurden. „Nein, keinesfalls.". Der schwarze Nagellack war schon längst wieder am abblättern, meine Oma würde an Weihnachten erneut einen Anfall deswegen bekommen. „Welches denn?", Juniper blieb hartnäckig. Wollte sie nur den Smalltalk aufrecht erhalten oder interessierte sie sich wirklich für mich? „Das erzähle ich dir ein anderes Mal.". Sie schaute mich etwas enttäuscht an, es hatte genervter als geplant geklungen. „Ich würde es dir nämlich gerne erzählen, nur an einem wärmeren Ort, wenn ich mir nicht gerade den Arsch abfriere.". Meine Lippen waren inzwischen bestimmt nicht nur rissig, sondern auch blau. Ihr Gesicht erhellte sich. „Das heißt, du willst mich wiedersehen?", wiederholte Juniper meinen Satz. Ihre Augen leuchteten mindestens genauso hell wie die Sterne über uns. „Sagen wir so; ich würde mich freuen, wenn du zufällig mal bei Charlie 's Records vorbeischaust.", ich zwinkerte ihr verschwörerisch zu.

Nachdem wir uns kurz verabschiedet hatten und sie mit dem Rennrad Richtung Wald abgebogen war, stapfte ich ich wieder zurück nach Hause. Während ich unten vor dem Laden stand und meine Zigarette zu Ende rauchte, sah ich wie oben in der Küche Licht brannte. Charlie war am Kochen, aus dem geöffneten Fenster drang der Geruch nach Spaghetti Bolognese und die Melodie eines alten Rocksongs.

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