Miguel - Sure Thing
»ATMET EIN UND atmet aus«, spricht Tsireya ruhig. »Ihr müsst euren Herzschlag verlangsamen«, füge ich hinzu. Neteyam, Lo'ak und Kiri, versuchen, das umzusetzen, was meine Schwester und ich ihnen erklären.
Es ist Vormittag, die Sonne hat gerade ihre Wanderung über den Himmel begonnen und Tsireya, Ao'nung, Roxto, Lo'ak, Kiri, Neteyam und ich sitzen auf einem Felsen über Wasser. Meine Schwester und ich versuchen den Omatecaya beizubringen, wie man die Luft unter Wasser länger anhalten kann.
Mit einem Seitenblick sehe ich zu Neteyam, der neben mir sitzt. Ich muss amüsiert lächeln, als ich sehe, dass er völlig unkontrolliert atmet und einfach nicht ruhig bleiben kann. Nach kurzem Überlegen lege ich eine Hand auf seinen Bauch, die andere auf seine Brust. Als ich ihn berühre, spannt sich alles in mir an und als ich kurz in seine Augen schaue, die mich geradezu verrückt werden lassen, senke ich den Blick schnell wieder. Unwillkürlich werde ich an den letzten Abend erinnert und daran, wie ich eng an ihn gedrückt auf dem Ilu gesessen habe.
Schnell schüttle ich den Gedanken ab und konzentriere mich auf die Gegenwart. »Du musst dich entspannen, deinen Herzschlag verlangsamen«, wiederhole ich. »Atme tief ein und aus.«
Doch als er es versucht, merke ich, wie sein Herzschlag schneller wird und er nur noch unkontrollierter atmet. »Neteyam, dein Herz schlägt sehr schnell«, flüstere ich ihm unsicher zu. Ich versuche, es ihm möglichst leise mitzuteilen, doch als ich im Augenwinkel sehe, wie Lo'ak, Kiri und Tsireya sich gegenseitig amüsierte Blicke zuwerfen und Ao'nung und Roxto uns verärgert beobachten, merke ich, dass ich nicht leise genug gesprochen habe.
Schnell nehme ich meine Hände von Neteyam, um die unangenehme Situation zu unterbrechen und Tsireya erklärt es ihm nochmal, doch ich achte nicht darauf und senke nur beschämt meinen Blick zu Boden.
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Nach dem Atemtraining gehen Tsireya und ich in den Wald, um Beeren zu sammeln. Jede von uns trägt einen Korb in der Hand und wir suchen nach den kleinen blauen Kugeln, die an dornigen Büschen wachsen.
Als wir mit Prall gefüllten Holzkörben ins Dorf zurückkehren, hallen Rufe zwischen den Hütten hin und her. Neugierig laufen wir ins Dorf. Roxto, Taiksu und Ao'nung stürmen an uns vorbei.
»Die Tulkunen sind zurück!«, ruft Ao'nung mir im vorbeirennen zu.
»Die Tulkunen. Sie sind wieder da!«, rufe ich freudig aus und renne los, Tsireya folgt mir.
Tulkunen sind riesige, wunderschöne Wesen, die sehr intelligent und emotional sind. Jeder bei uns Metkayina hat eine Seelenschwester oder einen Seelenbruder, so nennen wir die Tulkune die zu uns gehören. Jedes Jahr beginnen sie ihre Reise über den Ozean, nur um dann zu uns mit ihren Neugeborenen zurück zu kehren.
Plötzlich hält mich jemand am Arm zurück und dreht mich zu sich um. Es ist Neteyam. Was er bei seiner Bewegung wahrscheinlich nicht berücksichtigt hat, war, dass ich ihm nun so nah bin, dass unsere Nasenspitzen sich beinahe berühren. Meine Augen finden seine warmen und sofort ist mir heiß und kalt zugleich. Schmetterlinge flattern in meinem Bauch, als seine warme Hand auf meiner Haut liegen bleib und er meinen Arm nicht mehr loslässt.
Doch dann werde ich mir dessen bewusst, dass wir nicht alleine sind, denn ich sehe dass Lo'ak neben Neteyam steht und meine Schwester näher herantritt. Schnell schüttle ich seine Hand ab und trete einen Schritt zurück, um Abstand zwischen uns zu bringen.
Das alles passiert in dem Bruchteil einer Sekunde und trotzdem fühlt es sich für mich an, wie eine Ewigkeit.
Verlegen räuspert Neteyam sich. »Was ist los? Wer sind die Tulkunen?«, fragt Lo'ak da und durchbricht die unangenehme Stille.
»Die Tulkunen sind Meereswesen, die jedes Jahr eine Reise über den Ozean beginnen und dann wieder zu uns ins Riff zurückkommen«, erklärt Tsireya. »Und nun sind sie zurückgekehrt um sich mit uns auszutauschen. Kommt, zum Meer«, sie macht eine Handbewegung, die uns bedeutet, dass wir ihr folgen sollen. Ich renne ihr hinterher und Lo'ak und Neteyam tun es mir gleich.
Als wir am Wasser ankommen, kann man die Tulkunen und die Metkayina schon erkennen, die im Wasser toben und sich über Erinnerungen und Ereignisse austauschen. Ohne zu zögern vollführe ich neben Tsireya einen eleganten Sprung ins Wasser. Als ich wieder auftauche, sehe ich, wie Lo'ak und Neteyam uns nach kurzem zögern folgen. Als sie eher weniger elegant ins Meer springen, wirbeln sie so viel Wasser auf, dass alle Fische in der Nähe schnell die Weite suchen. Ich muss lächeln, als ich wieder daran erinnert werde, dass die beiden nicht am Meer, sondern im Wald aufgewachsen sind.
Mit einem klickernden Lockruf suchen Tsireya und ich nach unseren Ilus, die kurze Zeit später heran schwimmen. Als ich zu Tsireya sehe, merke ich, dass sie Lo'ak zu sich auf das Tier gezogen und er sich hinter ihr platziert hat.
»Nimm du Neteyam mit«, ruft meine Schwester mir zu, bevor sie ihren Ilu antreibt und ins Wasser eintaucht. Erst zögere ich, doch dann drehe ich mich um und sehe Neteyam, der hinter mir im Wasser treibt. Ich halte ihm meine Hand hin und sage: »Spring rauf!«
Schnell ergreift er meine Hand. Bei der Berührung atme ich scharf die Luft ein, doch dann reisse ich mich zusammen und ziehe den Omatecaya zu mir auf meinen Ilu. Ich treibe das Tier an uns sofort schießt es los. Ich merke dass Neteyam Schwierigkeiten hat, auf dem Ilu sitzen zu bleiben und als wir ins Meer eintauchen greift er schnell an meine Taille und hält sich daran fest. Ich zucke bei der Berührung leicht zusammen, denn so wie er mich jetzt berührt, hat es noch nie jemand zuvor getan. Doch dann entspanne mich und genieße das Gefühl seines Oberkörpers, der sich an meinen drückt und seine Hände, die auf meinen Hüften liegen.
Wir bahnen uns einen Weg zwischen den Tulkunen, Ilus und Na'vis. Im Wasser herrscht ein geschäftiges Treiben, Metkayina, die ihre Tulkunen suchen, Ilus, die im Wasser treiben, Mütter, die auf ihre Neugeborenen aufpassen und sie ihren Seelenschwestern und Brüdern zum ersten Mal zeigen. Es ist immer ein schöner Moment, wenn die Tulkunen zum Riff zurückkehren. Es ist ein Moment der Hoffnung und des Friedens und er ist sehr wichtig für uns Metkayina.
Schließlich finde ich meine Seelenschwester. Sie ist ein wunderschöner Tulkun, mit schwarzen, sich ineinander verschränkenden Mustern auf ihrem weißen Bauch und einem silbrig schimmernden Rücken.
Ich gleite vom Ilu um zu ihr zu schwimmen und für einen Moment vermisse ich Neteyams Hände auf meinen Hüften, doch dann bin ich bei meiner Seelenschwester angekommen und begrüße sie. Wir Metkayina beherrschen eine Zeichensprache, die es uns möglich macht, mit den Tulkunen zu sprechen, die uns dann mit kehligen Geräuschen antworten.
Meine Seelenschwester grüßt mich zurück und ich fange an, mich mittels Zeichensprache mit ihr zu unterhalten. 'Es ist schön, dich wiederzusehen.'
'Wie geht es dir?', fragt sie.
'Gut!', antworte ich.
'Wer ist der Junge dort?', als sie diese Frage stellt, drehe ich mich um und sehe, dass Neteyam an der Wasseroberfläche untergetaucht ist und uns von dort auf zusieht. Ich lächele, als ich ihr antworte: 'Fremde aus dem Wald sind zu unserem Clan gestoßen. Er heißt Neteyam.'
'Ist er nett?', fragte meine Seelenschwester mit einem brummelnden Laut.
'Ja, ich...ich mag ihn sehr, obwohl wir uns nicht mal kennen', antworte ich. Der Tulkun stößt einen Laut aus, der ein Lachen symbolisieren soll.
'Bist du verliebt?', fragt sie da.
'Nein, natürlich nicht!', erwidere ich schnell, doch sofort kommen mir Bedenken und ich kann meinen Worten selbst nicht glauben schenken. Wieder wende ich meinen Kopf und sehe zu Neteyam, der uns immer noch aufmerksam beobachtet. Als er merkt, dass ich ihn ansehe, wirft er mir ein Lächeln zu. Ich lächele zurück und kann meine Augen nicht mehr von ihm abwenden, bei seinem Blick der auf mir ruht überkommt mich ein wohliger Schauer.
Plötzlich stupst meine Seelenschwester mich mit ihrer Flosse an und stößt einen neckenden, kichernden Laut aus, der mir klar macht, dass sie meinen Worten genauso wenig Glauben schenkt, wie ich es tue.
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Das vierte Kapitel...Votet doch gerne wenn es euch gefallen hat ;-)
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𝕒𝕞𝕓𝕖𝕣 𝕖𝕪𝕖𝕤 ⎮ Neteyam x OC
Romance𝖭𝖾𝗍𝖾𝗒𝖺𝗆 x Oc ⩤Ich blicke wieder in Neteyams Augen, während er seine Hand auf meine an seiner Brust legt und sie so festhält. Die andere legt er sanft an meine Wange. Die Augen des Omaticaya finden meine und erwidern den liebevollen Blick, der...