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ICH BIN KAUM von der Reling des Schiffes gesprungen, als ich meine Schwester sehe. Sie sitzt auf einem Ilu und als sie mich erblickt, kommt sie auf mich zu geschwommen und zieht mich auf ihren Ilu.

»Was ist passiert?«, fragt sie. »Wo sind Neteyam und Lo'ak?«

»Sie wollen einem Freund helfen, der dort noch gefangen ist«, ich deute auf das große Schiff.

»Dann sollten wir ihnen helfen, wenn sie herauskommen.«

Wir drehen uns um, als wir Rufe hören und erkennen mehrere Gestalten im Wasser. »Schnell, bring uns dahin«, befehle ich meiner Schwester. Sie treibt ihren Ilu an und wir rasen auf die beiden zu.

»Das war krass«, lacht Lo'ak. Neben ihm im Wasser schwimmt ein junger Himmelsmensch. Das muss Spider sein.

»Springt auf«, meint Tsireya zu den beiden. »Wir sollten hier so schnell wie möglich verschwinden.«

Ich wundere mich kurz, wo Neteyam ist, doch dann erkenne ich ihn neben Lo'ak im Wasser. Sein Kopf ist nur knapp über der Oberfläche, ständig ringt er nach Luft.

»Du Skxawngs«, keucht er zu Lo'ak. »Ich bin getroffen.«

Wir verstummen und blicken auf Neteyam, um den sich das Wasser rot färbt. Mein Herz scheint stehen zu bleiben, als ich die Schusswunde mitten in seinem Bauch entdecke. 

»Scheiße«, entfährt es Lo'ak.

»Wir müssen ihn ans Festland bringen«, ruft Tsireya aufgeregt.

Gemeinsam schaffen Lo'ak und ich es, ihn auf den Ilu meiner Schwester zu ziehen. Sie rast los in Richtung Strand und ich rufe meinen Ilu und Lo'ak und ich steigen auf und folgen Tsireya. Ich höre Neteyams keuchen und husten und bete, dass er es bis zum Festland durchhält.

Es kommen ein paar Felsen in Sicht. Ich wende meinen Kopf und sehe Jake Sully. Anscheinend hat er uns schon entdeckt, denn auch er lässt von dem Kampf ab und steuert auf die Felsengruppe zu.

»Hier Dad, wir brauchen Hilfe!«, schreit Lo'ak ihm zu. Jake springt von seinem Reittier ab und kommt zu uns gelaufen.

Gemeinsam ziehen wir Neteyam an den Strand, Blut rinnt stetig aus der Wunde in seinem Bauch. Behutsam legen wir ihn auf dem wasserüberspülten Felsen ab. Neytiri kommt angeflogen, steigt von ihrem Ikran ab und kommt angerannt.

»Neteyam!«, ruft sie überrascht und geschockt, als sie sich neben ihrem Sohn niederkniet, dessen Blut seinen Oberkörper befleckt. 

»Halt die Wunde zu, stopp die Blutung!«, meint Jake, der auf Neteyams anderer Seite kniet, zu Lo'ak, der seine Hände daraufhin auf die Schussverletzung presst. 

Ich sitze bei Neteyams Kopf, halte Blickkontakt mit dem jungen Omaticaya und seine Hand in meiner. Er darf jetzt nicht sterben! »Neteyam«, flüstere ich, Tränen versperren mir die Sicht auf ihn. Ich höre sein Keuchen und wie er versucht, etwas zu sagen, doch er wird von einem weiteren Ringen nach Luft unterbrochen.

»Bitte Neteyam«, Tränen rinnen mir über meine heissen Wangen, ich halte seine Hand ganz fest, lasse sie nicht mehr los. »Bitte lass mich nicht alleine, versprich mir, dass du mich nicht alleine lässt!«

»Ich-Ich versuche...Siateya ich-«, Neteyam versucht einen Satz zu bilden, versucht mir etwas zu sagen, doch ständig muss er nach Atem ringen. »Siateya«, ein weiteres Mal versucht er etwas zu sagen, doch ein Husten unterbricht ihn und schließlich versiegt sein husten und er liegt still da.

Er ist tot.

Ich merke gar nicht, wie Tsireya auf mich einredet, Neytiri weint und Lo'ak eine blutige Hand auf meine Schulter legt. Für mich ist alles still, leer, farblos. Alles zieht an mir vorbei, bedeutungslos und so unscheinbar. Ich sehe Neteyam vor mir, wie er lacht, spüre seine Küsse, fühle seine Hände, alles gehört der Vergangenheit an. 

Nie wieder werde ich sein lachen hören. Nie wieder werde ich seinen Blick auf mir spüren. Nie wieder werde ich berühren können, nie wieder küssen, nie wieder lieben.

Nie wieder.

Ich drücke seine Hand ganz fest, lasse sie nicht mehr los. Wie könnte ich ihn jemals wieder loslassen? Und doch muss ich es tun. Ich fahre verzweifelt mit meinem Daumen über seine Haut, meine Augen mustern jeden Winkel seines so verdammt perfekten Gesichts. 

Wieso musste er mit Lo'ak auf diesem dummen Schiff bleiben um diesen Menschenjungen zu retten? Er ist es nicht wert. Nichts ist Neteyams Tod wert. Absolut nichts.

Tausende Gedanken wüten in meinem Kopf, wie ein Sturm und sie alle drehen sich um Neteyam. Sie übernehmen mich komplett, benebeln meine Gefühle, meine Gedanken, alles ist so voll Trauer und Wut. Trauer um Neteyam und Wut auf Lo'ak und Spider. Wieso musste dieser Skxawngs Neteyam mitnehmen, um diesen Himmelsmensch zu retten? Hätten sie nicht einfach mit mir fliehen können?

Ich balle meine Hände zu Fäusten, meine Tränen perlen von meinen Wangen ab, tropfen auf den kalten Fels, auf dem Neteyam liegt und sein Leben aushaucht.

Plötzlich packt mich jemand bei den Schultern und zieht sich zu sich herum. Es ist Jake. »Er ist nicht tot«, zischt er. 

»Was?«, frage ich verwirrt. 

»Er ist bewusstlos, sein Herz schlägt noch«, antwortet der ehemalige Anführer. »Wo ist euer Verbandszeug und eure Kräuter, Neteyam ist noch nicht tot, wir können ihn noch retten«, der Blick des Omaticaya ist eindringlich. 

Neteyam ist nicht tot? Ich lege eine Hand auf Neteyams Brust. Ganz leicht pocht etwas gegen meine Hand. Sein Herz.

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Kurzer



𝕒𝕞𝕓𝕖𝕣 𝕖𝕪𝕖𝕤 ⎮ Neteyam x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt