„Dann seine große Liebe"

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Der Flug verlief eine Zeit lang relativ ruhig und Lennox starrte abwesend aus dem Fenster. Der Hubschrauber bewegte sich in den Wolken, das tobende Meer unter sich. Die Sonne war nirgends zu sehen und vereinzelte Regentropfen prallten gegen die Scheiben.

Wie Tränen, dachte Lennox niedergeschlagen. Der Himmel schien mit ihm zu fühlen, das Meer ein Spiegel seiner Gefühle. Hohe Wellen bäumten sich auf, nur um im nächsten Moment zu brechen und mit den Rest des Wasser wieder zu verschmelzen.

Wie es wohl immer für Alea gewesen war, die Farben des Meeres zu sehen? Auch ohne Wandererfähigkeiten konnte Lennox die Gefühle des Ozeans erkennen. Das Meer war wütend und verzweifelt, so wie es auch dem gefangenen Oblivion erging.

Was wohl passieren würde, wenn seine Yavani aufwachte... Lennox wollte es sich gar nicht erst vorstellen und verdrängte den Gedanken aus seinem Kopf. Lange gelang es ihm allerdings nicht und kurze Zeit später sah er ihr schwarzes Haar, ihre helle Haut und ihre klar-grünen Augen vor sich. Die Augen, die jetzt nicht länger klar-grün waren, sondern dunkel und...gewöhnlich.

Kurz bevor die Darkoner die Crucis überfallen hatten, war für einen kurzen Moment alles gut gewesen. Wie sehr sie sich doch geirrt hatten...

In dem Moment, als sie sich alle im Salon befunden hatten, die Alpha Cru besiegt und dem Doktor unterlegen, war etwas in Lennox zerbrochen. Und nur seine Yavani würde es wieder reparieren können. Falls sie es schaffen würde, zu ihm zurückzufinden.

Lennox' Blick wanderte vom Fenster zurück zum Cockpit, wo Orion auf Nelani einredete. Er wollte, dass Aleas Mutter ihm bei seinen Forschungen bezüglich des Magischen-Virus half, einer Weiterentwicklung des Anti-Magikums. Es würde alle Magischen vernichten, wenn Orion es schaffte, den Virus fertigzustellen. Das mussten sie verhindern!

Lennox veränderte seine Sitzposition etwas, um die gebrochenen Rippen zu entlasten, worauf die Blicke sämtlicher Darkoner auf ihm lagen. Wäre er nicht so niedergeschlagen gewesen, hätte der Oblivion vielleicht die Augen verdreht. Doch angesichts seiner Situation brachte er bloß ein wütendes Schnauben in Richtung seiner Bewacher zustande. Das veranlasste Doktor Aquilius Orion sein „Gespräch" mit Nelani zu unterbrechen und sich dem Krieger der Elvarion zuzuwenden.

In den Blicken seines Erzfeindes konnte Lennox den Triumph deutlich erkennen. Orion stand auf und blickte ihn von oben herab mit einer Überlegenheit an, welche Lennox dazu veranlasste, aufzuspringen - seine Füße hatte man nicht wieder gefesselt - und fauchend gegen den Doktor zu springen, der erschrocken keuchte, als Lennox gegen ihn prallte. Eine miserable Idee, wie der Krieger des Vergessens im nächsten Moment erkannte, als durch die Bewegung der Hubschrauber heftig schwankte. Außerdem hatte sein Angriff keine Wirkung, da die Darkoner in der Flugmachine viel zu schnell reagierten und den wütenden Lennox von Orion runterzogen. Währenddessen brachte der Pilot - ebenfalls ein Darkoner - den Helikopter wieder unter Kontrolle.

Jinx reichte Orion eine Hand und zog den Doktor auf seinen Sitz zurück, wo er sich nochmal zu Lennox umdrehte, der von den Darkonern gegen die hintere Wand des Hubschraubers gedrängt wurde, wo man ihn festhielt.

„Gib doch endlich auf, Oblivion! Du kannst nicht gewinnen und deine Freunde, deine Elvarion, sie sind Vergangenheit! Sie haben durch dich ihre Erinnerungen verloren, lieber Lennox. Also ist es eigentlich deine Schuld. Sie werden dich nicht retten! Du gehörst jetzt mir, mein Krieger, glaube nicht, es gäbe auch nur die kleinste Chance, mir zu entkommen! Deine Elvarion hat versagt und du bist ihr jetzt völlig egal, sie weiß nicht einmal mehr, wer du bist, also solltest du sie auch hinter dir lassen. Hach, ist das nicht einfach wunderbar?Endlich ist deine kleine Freundin keine Gefahr mehr für mich", sagte Orion und ein fröhliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, „Du wirst dich nicht mehr lange gegen mich wehren können. Schon bald kann ich meinen Plan endlich in die Tat umsetzen und dann wirst selbst du mich nicht mehr aufhalten können, Krieger der Elvarion!"

Als Orion geendet hatte, strahlte er wie ein kleines Kind und zupfte sich einen Fussel von seinem Pulli. Unwillkürlich musste Lennox an Sammy denken. Eine vereinzelte Träne rollte über seine Wange und er ballte verzweifelt die gefesselten Hände hinter dem Rücken zu Fäusten.

„Sie sind ein Monster!" wisperte er und legte all seinen Hass in die Worte.

Orion schüttelte wehement den Kopf.

„Nein nein, mein Lieber, ich bin ein König. Ich habe meine Untergebenen und mein Netzwerk reicht weiter als du es dir vorstellen kannst."

Der Doktor kicherte und wollte scheinbar noch etwas hinzufügen, als eine andere Stimme die Aufmerksamkeit auf sich zog:

„Sie Dreckskerl werden dafür bezahlen, was Sie meiner Tochter und den anderen angetan haben!"

Sämtliche Blicke wanderten zu Nelani, welche sich von ihrem Platz erhoben hatte und von einem Darkoner davon abgehalten wurde, sich auf Orion zu stürzen. Sie weinte und bebte am ganzen Körper, doch der Zorn in ihren Augen überstieg alles was Lennox je gesehen hatte. Der unbändige Zorn einer Mutter. Nelani hatte ihre Tochter verloren, die sie vor kurzem erst wiedergefunden hatte.

Orion tat ihre Drohung mit einem überraschten Blinzeln und einer Geste in Richtung von Zeirus ab, der daraufhin auf Nelani zuging und ihr in den Bauch schlug, die mit einem Stöhnen auf die Knie sank.

Lennox wollte ihr helfen, doch zwei von Orions Männern hielten ihn zurück. Der Doktor musterte Lennox Kampf gegen den Griff der Darkoner kurz belustigt, bevor er sich mit ernster Miene wieder zu Nelani wandte. An Zeirus gerichtet sagte er:

„Knebel sie!"

Der Darkonerchef bewegte sich ruckartig auf die Walwanderin zu und führte Orions Befehl mit neutralem Gesichtsausdruck aus. Lennox wurde schlecht. Es war grausam, dass die Darkoner dazu verdammt waren, Orion zu gehorchen. Der Herrenschwur zwang sie, dem Doktor Folge zu leisten.

Der Krieger des Vergessens knurrte laut, als man die geschlagene Nelani auf eine Sitzbank an der Seite des Helikopters drückte.

Zeirus wollte sich grade neben sie setzen, als Orion weitersprach:

„Und betäubt meinen Oblivion! Ich will nicht, dass es zu weiteren solcher Zwischenfälle kommt."

Jinx wühlte in einer Tasche und holte etwas aus einer Dose, doch Lennox wurde die Sicht versperrt von Orion, der noch ein paar Worte mit Zeirus wechselte, wobei es erst um Nelani ging. Dann vernahm Lennox allerdings den Namen seiner Yavani und starrte die beiden wütend an, als Orion erneut fröhlich verkündete, dass sie keine Gefahr und nur noch ein gewöhnliches Mädchen war.

„Sie verdammtes Arschloch!", schrie Lennox als die Wut in ihm die Kontrolle übernahm.

Doktor Aquilius Orion hatte ihm erst seine Freunde genommen, dann seine große Liebe. Und jetzt redete er so abfällig über sie als wäre sie nichts weiter gewesen als ein kleines unbedeutendes Ärgernis, das er ohne große Mühen aus dem Weg geräumt hatte.

Jinx kam auf ihn zu, in der Hand ein Duftkissen zum Betäuben. Lennox versuchte zurückzuweichen, doch er hatte keine Chance. Im nächsten Moment drückte er es ihm bereits ins Gesicht und Lennox Sicht verschwamm. Der Krieger der Elvarion hörte nur noch Orions Stimme wie aus weiter Ferne, bevor seine Augen zufielen und er das Bewusstsein verlor.

„Du solltest ungefähr eine Stunde bevor wir auf Korsika ankommen wieder aufwachen."

Korsika - Hölle des Kriegers des VergessensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt