An dem Tag, an dem Ginny mit ihm Schluss machte, brach für Harry die halbe Welt zusammen. Nur die halbe, wohlgemerkt, denn er war schon lange nicht mehr so verliebt in sie, wie er geglaubt hatte. Trotzdem viel er hart aus allen Wolken, als Ginny ihm ohne Umschweife erklärte, dass es aus mit ihnen sei. An jenem schicksalshaften Tag machte Harry aber eine noch viel wichtigere Erkenntnis.
Angefangen hatte alles beim Frühstück. Harry hatte einigermaßen gute Laune gehabt, fast beiläufig hatte er mit Ginny Händchen gehalten (sie machten das immer so) und mit seinen Freunden ein halbwegs interessantes Gespräch geführt.
Schließlich waren Ron, Hermine, Ginny und Neville aber zu etwas langeiligeren Themen übergegangen, und Harry hatte angefangen, träge durch den Raum zu blicken. Nein, eher den Blick über die Jungen in der großen Halle streifen lassen, wie ihm ein paar Sekunden später ausgefallen war. Irgendwie störte es ihn nicht. Was war auch dabei, Jungs zu beobachten? „Gar nichts!", rief eine kleine stimme in Harrys kopf. „'Ne ganze Menge", hielt eine weitere dagegen. Aber diese Stimmen waren ihm egal.
Plötzlich spürte er, wie etwas ihn am Arm berührte. Zur gleichen Zeit bemerkte Harry, dass Ginny ihre Finger aus seinen gezogen hatte. Jetzt lächelte sie ihn an und hielt ihm einen Becher unter die Nase. „Hier, Harry.", sagte sie. „Trink noch etwas Maulbeer-Limonade."
Geistesabwesend nahm Harry ihn an und wollte gerade daran nippen, als ihn etwas von hinten in den Rücken stieß und ihm vor Schreck der Becher aus der Hand glitt. Geräuschvoll knallte er auf den Tisch und verteilte seinen Inhalt auf der Tischplatte.
„Uuups!", sagte jemand hinter ihm. „Entschuldige, Potter, ich hab dich gar nicht gesehen..."
Malfoys Stimme war aalglatt. Harry bemühte sich, den arroganten Slytherin nicht anzuschreien.
Hermine lehnte sich mit gezücktem Zauberstab zu ihm herüber. „Beachte ihn gar nicht, Harry. Warte, ich mach das schnell weg.", sagte sie, und mit einem Schlenker des Stabes verschwand der Saft in seinem Inneren. Aus irgendeinem Grund schaute Ginny seine beste Freundin wütend an. Dann lächelte sie Harry zu. „Keine Sorge, ich mach dir einfach einen neuen Saft..."
„Ich glaub, dazu ist jetzt keine Zeit mehr.", warf Ron ein. „Wir haben gleich Unterricht." Ginny schnaubte. So ganz verstand Harry sie nicht. Es war doch nur Saft. Er hauchte seiner Freundin einen Kuss auf die Wange und machte sich dann mit Ron und Hermine auf zu Verwandlung.
Ginnys verhalten war rätselhaft. Aber sie war ein Mädchen, und was in deren Köpfen abging... das wollte Harry lieber gar nicht wissen.
Die Stunde verbrachte Harry hauptsächlich damit, den Rücken von Rupert Galloway anzustarren, einen gutaussehenden Schüler seines Jahrgangs. Irgendwie beruhigte ihn das. Seine Überraschung war groß, als er als einer der letzten das Klassenzimmer verlies und auf einmal wieder Ginny vor ihm stand. Sie hielt ihm einen Becher hin du lächelte erwartungsvoll. „Hier, Harry, dein Saft."
Harry hatte absolut keine Ahnung, warum ihr die blöde Limonade plötzlich so wichtig war, aber um sie nicht zu verärgern, nahm er den Becher entgegen.
„Aus dem weg!", blaffte plötzlich eine Stimme. Snape bahnte sich energischen Schrittes einen Weg durch die Schülermenge. Und am Schlafittchen zog er keinen anderen als – Malfoy hinter sich her.
Malfoy? Snapes Lieblingsschüler und Patenkind? Wie ein frecher Schulbengel von ihm durch die Gegend geschleift? Da war doch etwas nicht in Ordnung. Der Slytherin versuchte sich verzweifelt aus Snape griff zu winden. Warte – warum hatte Harry nie erkannt, wie unfassbar gut Malfoy aussah? Selbst wenn er wie ein ungezogenes Hündchen behandelt wurde. Die blasse Haut, die zusammengekniffenen Lippen, die platinblonden, leicht zerzauset Haare... und als ihm eben dieser Malfoy, eigentlich ein komplettes Arschloch einen flehentlichen „Hilf mir!"- blick zuwarf, war es um Harry geschehen.
Während Malfoy weckgezerrt wurde, drückte Harry der verdutzten Ginny den Becher in die Hand und sagte zu ihr: „Tut mir leid, Schatz, ich trinke die Limonade später." Dann hastete er Snape und seiner Beute nach.
Es war gar nicht so einfach, die Beiden in dem Gedränge nicht aus den Augen zu verlieren. Es waren nämlich immer noch ziemlich viele Schüler in den Gängen. Aber Malfoys verzweifelter Blick, der Harry immer noch vor Augen schwebte spornte ihn an. Plötzlich war der Weg frei und Harry spurtete voran. Er sah Snape den zappelnden Malfoy in sein Büro zerren. Geräuschvoll knallte die Tür hinter ihnen zu. Schnell legte Harry sein Ohr daran und lauschte, obwohl das eigentlich nicht nötig wäre. Snapes aufgebrachte stimme war deutlich zu vernehmen.
„Ich habe mir das zwei Tage lang angesehen, ohne zu reagieren. Aber jetzt sind sie deutlich zu weit gegangen."
„Ich war es nicht."
„Lügen sie mich nicht an! Diese Streiche sind doch genau nach dem Geschmack eines Malfoys. Ich bitte sie! Spiritus im Springbohnenextrakt! Vertauschte Etiketten an den Fläschchen! Eingeseifter Boden um das Lehrerpult herum! Und das nur, weil ich ihnen ausnahmsweise eine schlechte Note wegen ihres äußerst schlechten Benehmens geben musste. Sie sind sechzehn!"
„Ich. War. Es. Nicht.", knurrte Malfoy noch einmal.
„Wer war es dann?"
Schweigen.
„Sie wissen es nicht?", fragte Snape scheinheilig. „Wirklich nicht? Nun gut, eine satte Strafarbeit wird das regeln. Ich denke – "
KNALL! PENG! PARDAUZ!
„War das?", fragte Snape wachsam. „Woher soll ich das wissen?", gab der Blonde ungehalten zurück. Harry hatte auch keine Ahnung, was da gerade geknallt hatte, er wusste nur, dass es hinter ihm gewesen war. Doch als es sich umdrehte, war nichts zu sehen.
Plötzlich wurde die Tür zu Snapes Büro aufgerissen und der Inhaber kam heraus gerauscht, ohne Harry auch nur eines Blickes zu würdigen. Wahrscheinlich hatte er ihn nicht einmal bemerkt.
Als der Tränkemeister um die Ecke verschwunden war traute Harry sich, die angelehnte Tür ein Stück aufzuschieben und die Nase in den Raum zu stecken. Malfoy saß auf einem Stuhl mitten im Raum, die Arme verschränkt, die Beine vorgeschoben. Er strahlte Trotz und Wut aus, und Harry mochte diese Ausstrahlung irgendwie.
Malfoy hob den Kopf, als beim aufschieben der Türe ein leises Knarzen ertönte. Sein Blick wurde ganz merkwürdig. Dann stand er auf und kam näher, immer noch in der ablehnenden Haltung. „Zu spät, Potter.", schnarrte er. „Jetzt sitz ich bereits bis zum Hals im Dreck."
Harry hätte wütend werden sollen. Schließlich war er nicht verpflichtet, diesem Blödian zu helfen, nur weil er ihm einen flehentlichen Blick zugeworfen hatte. Aber er fragte lediglich: „Warst du es?" Malfoy, der höchstwahrscheinlich eine heftige Reaktion erwartet hatte starrte ihn aus eisgrauen Augen an. Dann senkte er den Blick. „Nein."
„Aber warum verdächtigt Snape dich dann?" Der Blonde schnaubte. „Frag ihn doch. Jedenfalls hab ich damit nichts zu tun." Er sah zu Seite. „Und die bescheuerte Strafarbeit muss ich auch noch machen."
„Hast du irgendeine Idee, wer es dann war?", fragte Harry.
„Nicht eine einzige. Aber wenn ich den Kerl erwische! Ich jag ihn in die Luft!" knurrte Malfoy.
„AHA!", machte auf einmal eine kalte Stimme hinter ihm. Gleich darauf wurde Harry am Kragen gepackt und herumgerissen. Snapes Augen funkelten zornig und nicht nur etwas schadenfroh. „Hab ich sie erwischt, Potter! Irgendwas explodieren lassen, um in Ruhe mit Mr. Malfoy sprechen zu können, hä?"
„Was..." sagte Harry perplex. Grob stieß die Fledermaus ihn in ihr Arbeitszimmer. „Hier warten", schnauzte er. „Ich werde mich gleich mit ihnen befassen. Vorher werde ich mich um den armen Theodore Nott kümmern, den ihre Explosion getroffen hat. Das wird eine saftige Strafarbeit geben..."
Triumphierend knallte er die Tür zu.
„Was hat der denn jetzt?", entfuhr es Harry. Er war immer noch irritiert. „Hast du wirklich die Explosion losgelassen?", fragte es hinter ihm. Harry fuhr sich hektisch durch die dunklen Locken.
„Nein! Das ist es ja! Was denkt der denn? Dass ich einfach mal eben aus Lust und Laune was in die Luft jage?! So ein Idiot."
„Na, da sind wir mal ausnahmsweise einer Meinung, Potter. Wer war's dann?" Wieder wuschelte Harry sich durch die Haare. „Weiß ich doch nicht! Oh Mann, ist Snape heute auf Falschverdächtigungskurs?"
„Reg dich ab", sagte Malfoy gelassen. Ausnahmsweise gehorchte Harry. „Und dann muss ich auch noch die blöde Strafarbeit absitzen", grummelte er.
„Jetzt weißt du ja, wie ich mich fühle", erwiderte der Blonde, spöttisch eine Augenbraue hochziehend.
„Ach – halt doch die Klappe. Hab schon genug Beklopptes am Hals, auch ohne dich." Malfoy stutze kurz. Dann lachte er.
„Was ist denn los?", fragte Harry, erstaunt über diese für Malfoy äußerst untypische Reaktion. Es war das erste Mal, dass er den arroganten Widerling lachen sah. Es machte ihn offener. Gelöster. Er sah einfach – wundervoll aus. und er hatte Grübchen. Malfoy hatte Grübchen. Wie – süß.
Versonnen schaute Harry dem Slytherin beim Prusten zu. Plötzlich verstummte er abrupt und grinste. „Was los ist? Ich weiß nicht – du hast das so in einem Tonfall gesagt, der zum Lachen war. Genervt, angepisst. Fehlt nur noch ein entnervtes Augen-gen –Himmel-richten." Er kicherte wieder.
„Und das hat dich zum Lachen gebracht?", fragte Harry, nicht wirklich überzeugt. Bevor der Blonde antworten konnte wurde die Tür geöffnet und ein äußerst zufriedener Snape wuselte in den Raum. „Kommen wir nun zu euch beiden", sagte er mit einer unüberhörbaren Spur Spott in der Stimme. „Ich denke, das ganze Pokalzimmer dürfte für sie genug sein, Mr. Potter. Und für sie, Mr. Malfoy – warte mal..." Ein tückisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „ich denke, dass sie das ganze Pokalzimmer unmöglich alleine schaffen können, Mr. Potter. Darum..." Angesichts der Schadenfreude auf dem Gesicht des Tränkemeister schwante Harry übles. „...wird Mr. Malfoy ihnen dabei helfen"
Sofort huschte Harrys blick zu dem Slytherin. Ganz kurz meinte er, Vorfreude in dessen grauen Augen aufblitzen zu sehen, aber das konnte unmöglich sein. Malfoy freute sich nicht auf einen netten Abend mit seinem Erzfeind. Mit dem er alle Pokale in einer riesigen Halle durch polieren durfte. Nein, Harry musste sich getäuscht haben.
Diese Überzeugung wurde von dem abfälligen Schnauben bestärkt, dass der Slytherin jetzt ausstieß. „War klar. Das hätte ich mir denken können. Sie lieben nichts mehr, zwei Jungen, die sich aufs Blut hassen dazu zu bringen, einander helfen zu müssen, oder? Und anderen Leuten Schuld in die Schuhe schieben, nur weil sie gerade so passend herumstanden"
Snapes Augen funkelten zornig. „Wage es nicht, mich zu verhöhnen. Ansonsten habe ich noch ein ganzes Fass mit eingesalzenem Froschlaich, der dringend geputzt werden muss."
Malfoy zuckte bei der Vorstellung, das säubern zu müssen angewidert zurück. Dann klappte er den Mund zu. Das Risiko war ihm wohl zu hoch.
„So", sagte Snape, sehr zufrieden mit sich selbst. „Da wir das nun geklärt hätten, nehme ich mir die Freiheit und werfe sie aus meinem Büro. Samstagabend stehen sie mit Putzlappen und Hochglanzpolitur bewaffnet vor dem Pokalzimmer, damit das klar ist. Bei Verspätung lasse ich sie auch noch sämtliche Vitrinen abputzen, die das Pokalzimmer besitzt. Und nun verschwinden sie, aber plötzlich." Harry und Draco warfen ihm einen gleichermaßen zornig-hasserfüllten Blick zu, bevor sie das Büro verließen.
„Na toll!", rief Harry und trat mit dem Fuß nach einem nicht vorhandenen Steinchen. „In wirklich grandiose Situationen reite ich mich immer ein! Dass ich auch immer den Helden spielen muss."
„Hättest mir ja nicht folgen müssen", murmelte Malfoy undeutlich.
„Was?"
„...nichts. Ich geh dann mal." Hastig wand sich der Blonde um und ging schnellen Schrittes von Dannen. Harry starrte ihm nach.
Warum fühlte er sich auf einmal so einsam? Würde dieses Gefühl wieder verschwinden, wenn Malfoy zurückkäme? In Gedanken versunken machte er sich auf den Weg zum Gryffindorturm.
Was war nur passiert? Warum war plötzlich, von einem Tag auf den anderen alles so anders geworden? Insbesondere, dass Harry Männer plötzlich so interessant fand. Was war da los?
Wie aus dem nichts stand auf einmal Ginny vor ihm. Harry blickte auf. „Oh... Ginny. Ich wollte ja noch deinen Saft trinken", erinnerte er sich, in der Hoffnung, sie ein wenig zu besänftigen, falls sie wütend werden sollte. „Den brauchst du nicht mehr zu trinken", sagte seine Freundin jedoch kurz.
„Äh – wie? Warum? Ich trinke gerne..."
„Es ist aus mit uns."
Harry riss die Augen auf. „W – wa..." Er hatte das Gefühl, mit dem Kopf auf etwas sehr hartem zu landen.
Kühl schaute Ginny ihn an. „Ich hab einfach entschieden, dass wir ohne einander viel besser klarkommen. Ganz einfach."
„Wie kommst du denn auf die Idee?", fragte Harry, immer noch geschockt. Sie zuckte mit den Schultern. „Habs halt gemerkt. Na dann..." Sie hob die Hand zum Abschied um stolzierte davon, ähnlich, wie Malfoy es getan hatte, und zum zweiten Mal an diesem Tag fühlte Harry sich furchtbar alleingelassen. Nur diesmal viel heftiger.
Erschöpft schlurfte er bis zum Bild der fetten Dame, sagte dort das Passwort („Heidelbeergelee") und lies sich schließlich niedergeschlagen in einen Sessel fallen. Hermine blickte sofort von ihren Hausaufgaben auf. „Ist etwas, Harry?", fragte sie besorgt. Harry seufzte. „Ginny hat..."
„JUHUUU!! Deine Dame hast voll erwischt!"
„Ron!", fauchte Hermine, „Hör endlich auf, dich wie ein Kleinkind zu benehmen!" Ron, der gerade mit Dean Thomas eine Partie Zauberschach spielte zog einen Flunsch. Hermine verdrehte die Augen. „Das geht schon die ganze zeit so", sagte sie entnervt. „Du weißt ja, dass Ron im Schachspielen unschlagbar ist, aber Dean steht ihm darin in nichts nach. Sie spielen schon seit zwei Stunden!" Sie warf dem rothaarigen einen bösen Blick zu, der gerade auf seinem Sessel auf und ab schnellte.
„So. Und jetzt erzähl." Harry rieb sich über dies Stirn. „Ginny hat mit mir Schluss gemacht", sagte er leise.
„WAS??!"
„YEAH, HAU IHM EINE REIN!!"
„Ron! Halt die Klappe!! Also, wie jetzt – ich dachte, sie liebt dich...?"
„Das dachte ich auch", erwiderte Harry traurig. „Ich weiß auch nicht, was in sie gefahren ist. Heute Morgen war noch alles gut, bis sie..." „NEEEEEEEIN!! NICHT DEN TURM..." „...gerade eben plötzlich vor mir stand und sagte, dass es aus sei."
Hermine schlug sie die Hand vor den Mund. „Oh Harry, das ist ja..." Sie stand auf, lief um den Tisch herum und nahm ihren besten Freund in den Arm.
„Halb so wild", wiegelte Harry ab. „So doll verliebt wie am Anfang war ich auch nicht mehr." „Trotzdem", nuschelte Hermine in seine Haare, „Das muss ja schrecklich für dich gewesen sein."
„Ich sagte ja, halb so wild."
„HA! Ich glaube – JAAH! IN DIE FALLE GETAPPT! ERWISCHT! REINGEFALLEN! Du bist matt, Dean!!" Mit einem zufriedenen Grinsen setzte Ron seine letzte Figur und stand auf. Nicht mehr auf seinen Spielpartner achtend, der den Kopf auf das Spielbrett schlug.
„Na, wie läuft's bei euch so?", fragte er munter, während er zu ihnen herüber kam. Plötzlich viel sein Blick auf etwas, was ihn erstarren lies. „Ist das etwa..."
Er machte einen schritt vor und begann in der Schultasche herumzuwühlen, die dort auf dem Tisch stand. „Ron!", rief Hermine augenblicklich aufgebracht, „Du kannst doch nicht einfach in fremder Leute Sachen..."
„Das ist die Tasche meiner Schwester", unterbrach Ron sie unwirsch. „Und ich bin mir sicher, dass da gerade etwas – Da!" er zog ein kleines, herzförmiges Fläschchen aus der Tasche. Es war mit einer rosaroten Flüssigkeit gefüllt. „Hatte ich mich nicht verguckt!"
„Ist das etwa..." begann Hermine und entriss ihm das Fläschchen. Dann las sie, was auf dem Etikett stand. Stumm blickte seine Freundin auf. „Harry", sagte sie dumpf. „Das ist ein Liebestrank."
Das war die viel wichtigere Erkenntnis, die Harry an diesem Tag machte. Er konnte schließlich eins und eins zusammenzählen. So dumm war er dann auch wieder nicht. „Der Saft", sagte er leise. „Er muss diesen Trank enthalten haben. Sie hat mich..."
Kraftlos sank er in seinem Sessel zusammen. Er hatte Ginny nie geliebt. Sie musste ihm alle paar Wochen ein paar Tropfen dieses Gebräus untergemischt haben. Aber warum...?
„Es muss ihr zu viel gewesen sein", murmelte Ron. „Warum sollte sie sonst damit aufgehört haben? Oder sie hat sich in jemand anderen verliebt."
„Halt die Klappe", nuschelte Harry. Er wollte nichts mehr darüber hören. Schließlich stand er auf. „Ich geh ins Bett." Er konnte traurige Blicke auf seinem Rücken spüren.
Am nächsten Tag hing Harry müde in der letzten Bank herum, immer darauf bedacht, ja nicht aufzufallen, um keine Fragen zum Unterricht beantworten zu müssen. Er hatte er hatte sehr schlecht geschlafen, was eigentlich nicht an der Trennung mit Ginny lag, sondern weil seine Gedanken die ganze Zeit um Draco Malfoy gekreist waren. Warum nur ging ihm der Blonde nicht mehr aus dem Kopf? Harry hatte einen Verdacht, der sich verstärkte, als er bemerkte, dass er im Unterricht wieder irgendeinen Jungen anstarrte und sich bestätigte, als Malfoy zum Mittagessen die große Halle betrat, an Harry vorbeirauschte und der ungewollt einen roten Kopf bekam. Nun war es eigentlich eindeutig. Ohne den Liebestrank stand Harry auf Jungen.
„Na toll", dachte er verbittert. „Noch etwas Komisches an Potter, dem bekloppten Irren, der behauptet, Voldemort wäre zurück. Kann nicht einfach mal irgendwas normal ablaufen bei mir?" Und morgen war auch noch Samstag. Da durfte er mit Malfoy zusammen Pokale schrubben. Schlimmer ging ja nicht mehr.
Nun gut, es ginge schlimmer. Malfoy schien nämlich beschlossen zu haben, das Kriegsbeil einstweilen zu begraben und einen Waffenstillstand einzuleiten. Das kam Harry nur recht. Ein Streit und eine Prügelei (die höchstwahrscheinlich darauf folgen würde) war das letzte, was er gebrauchen konnte. Schweigend rubbelten sie über mattgoldene oder hellsilberne Metallkelche, verteilten ab und zu etwas politurflüssigkeit auf ihren Tüchern und wechselten nur hier und da ein Paar kurze Worte.
Es war eine zermürbende Arbeit, und schon nach einer halben Stunde tat Harry da Handgelenk weh. Aber er sagte natürlich nichts. Still hing er seinen Gedanken nach, die – mal wieder – um den blonden Jungen neben ihm kreisten.
Er war hübsch, er war klug, er konnte nett sein , wenn er wollte und er konnte wunderschön lachen... konnte es sein, dass...
Und wieder machte Harry eine Erkenntnis. Er stand nicht nur auf Jungen, sondern auch noch auf Draco Malfoy, seinen Erzfeind.
Harry schloss die Augen und atmete tief durch. Sein Herz hatte angefangen wie ein kleiner Vogel gegen seine rippen zu hämmern.
„Ist was?, fragte Draco da vorsichtig. „Geht's dir gut?"
„Nein... ja...", murmelte Harry. „Ich hab nur grad... was erkannt."
„Und was hast du erkannt?" Mist. Er hatte danach gefragt.
„Nichts." „Klar. Du hast nichts erkannt. Jetzt sag schon!"
„Sie ist nicht so wichtig, okay?" Draco verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann ist sie wichtig. Rück schon raus!"
Harry verlor die Beherrschung. Er fuhr herum und rief: „Ich hab erkannt, dass du mir was bedeutest!" Dabei stieß er mit dem Ellenbogen gegen einen Pokal, der wiederum umkippte und gegen eine kleine Glasstatue prallte.
Wie in Zeitlupe stützte sie ab und landete auf dem Boden. Ein splittern ertönte. Helle Glasstückchen flogen durch die Luft. Harry sah hinunter und murmelte: „Na toll. Jetzt ist auch noch was kaputt gegangen" Er hockte sich auf die Fliesen und begann die großen Teile der kaputten Statue vorsichtig zusammenzuschieben. Ein Jammer, dass sie ihre Zauberstäbe bei Snape hatten abgeben müssen. Sonst wäre die glasfigur im nu wieder heile.
„Du bedeutest mir auch etwas", sagte Draco über ihm leise. Harry schnaubte. „Klar. Und den Weihnachtsmann gibt's wirklich." Er vergaß, dass der Blonde höchstwahrscheinlich nicht wusste, wer der Weihnachtsmann war. Plötzlich tauchten vor ihm zwei Paar Schuhe auf. Dann kniete Draco sich direkt vor Harry in die Scherben und nahm sein Gesicht in seine Hände.
„Du weißt gar nicht, wie viel du mir bedeutest...", hauchte er. Dann überwand er den letzten Abstand zwischen ihnen und küsste Harry sanft auf die Lippen.
Die Zeit stand still und die Welt hörte auf, sich zu drehen. Harrys Lieder klappten zu und er ließ sich von ganz alleine in den Kuss fallen. Er fühlte, wie Dracos Daumen über seine Wangen strichen, dann legten sich seine Arme um Harry und zogen ihn enger an sich.
„Schon seltsam", murmelte der Gryffindor endlich. „Was Strafarbeiten mit uns machen können."
Draco seufzte. „Halt den Mund und genieß es einfach." Dann legte er wieder seine Lippen auf Harrys.
...Blieb nur noch zu sagen, dass Colin Creevy mit Hilfe von Neville Longbottom Snape diese Streiche gespielt hatte. Und das Theodore Nott den kleinen Kessel mit Schwefeltrank hatte fallen lassen, als seine heimliche Liebe Ginny sich plötzlich auf ihn gestürzt und ihn leidenschaftlich geküsst hatte. Kurz darauf war ihr eingefallen, dass sie ja noch mit Harry zusammen war, aber das hatte sie schnell mal eben geklärt.
Und vielleicht auch noch, dass Harry seitdem nie wieder Opfer eines Liebestrankes wurde. Keiner traute sich, sich mit seinem festen Freund anzulegen. Das Risiko, deswegen in die Luft gejagt zu werden war einfach viel zu hoch.
ENDE
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A bunch of Drarrys
Fiksi PenggemarNein, Drarry ist keine Blume, auch wenn man das bei dem Titel vermuten könnte, sondern mein absolutes Lieblingspairing. Das hier ist eine Oneshot- Sammlung, die nach und nach anwachsen wird. Hier ist alles Mögliche dabei, von realistisch über verwir...