Kapitel 10

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Argons POV

„Sie ist in Frankreich - Lyon, Boss", sagt mein Angestellter und ich lege auf. Frankreich also.

Meinen Wagen parke ich vor dem Wohnhaus und steige aus. Zielsicher laufe ich auf ihre Wohnung zu und gleiche ihre Wohnungsnummer mit dieser auf meinem Handy ab.
Dachte sie wirklich, sie könnte mir entkommen?
Als würde ich meine Frau entkommen lassen. Vor allem nach alldem, was zwischen uns passiert ist.

Den spitzen Stift ziehe ich aus der kleinen Tasche und sofort springt die Tür auf.
„Mhm", murmle ich. Ich dachte sie passt mehr darauf auf, ihre Wohnung abzusichern. Sie hat wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass ich sie so schnell wieder einhole. Die Tür schließe ich leise hinter mir und lasse meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen.

Eindeutig ihr Apartment. Ihr Duft von Baumwolle und Kaschmir liegt in der Luft. Ächzend ziehe ich ihr Parfüm ein und Gefühle steigen in mir auf, die nie verschwunden sind.

Gestern war der schlimmste Tag meines Lebens. Sie fiebernd auf der Straße zurückzulassen schmerzte so sehr, dass ich mich lieber erschossen hätte um ihr die Schmerzen zu nehmen. Wie sie dort lag, so zaghaft und gebrechlich auf dem Boden mit zitternden Körper. Tränen steigen auf, aber gleichzeitig auch Wut.

„Ich hasse dich", sagte ich.

Niemals - ich könnte sie niemals hassen.
Ich liebe sie seit dem ersten Tag.

Seitdem sie auf den Straßen von Verona herumgelaufen ist. Sie sah verloren aus, sowie auch heute.
Mit ihren fünfzehn Jahren lief sie in meine Arme und mit meinen achtzehn Jahren heiratete ich sie - noch im selben Jahr, in dem wir uns kennenlernten.
Ein großer Skandal.
Ein achtzehnjähriger heiratet eine fünfzehnjährige.

Trotz, dass unsere Ehe nicht offiziell war, sondern eher ein Schwur - nur unter uns beiden, hassten uns alle. Vor allem unsere Familien. Ich musste mich entscheiden, zwischen meiner Familie und ihr.

Das war die einfachste Entscheidung meines Lebens.
Sie wird immer gewinnen.

Doch nachdem sie mich im Gefängnis verlassen hat und sich komplett veränderte, fing ich an an diesen Gedanken und unseren Schwur zu zweifeln.

Ob sie diesen überhaupt noch kennt? Sich noch an diesen erinnert? Ich bezweifle es.

Mit leisen Schritten laufe ich auf ihr Bett zu und setze mich vorsichtig neben sie. Ihre blonden Haare liegen um ihren Kopf und das kleine Pflaster von ihrer Kopfwunde, die ich ihr zugetan habe schimmert durch die Haare. Sie sieht mit jeder Haarfarbe umwerfend aus - aber mit orangenen Haaren, sah sie am besten aus.

Sie sah aus wie ein Engel im Körper eines Teufels. Sie sah aus wie mein Ende, wie mein Tod, auf den ich mein ganzen Leben gewartet habe.

Jetzt sieht sie nur noch aus wie ein schlafender Engel. Das bestialische fehlt - das teuflische fehlt. Genau das brauche ich aber.

Meine Hände legen sich automatisch auf ihren Unterkörper und streicheln ihre Beine hinunter. Ihr Körper zuckt auf und ihre Lider flattern zaghaft.
Oh verdammt.

Binnen Sekunden schreckt sie auf und zieht ein Messer hinter ihrem Kopfkissen hervor.
Oh da ist es wieder - das teuflische.

Ein Grinsen legt sich auf meine Lippen und ihr Gesicht schaut mich erschrocken an. Ihre Augen sind geweitet und ihr Herzschlag unregelmäßig.

„Mach es", sage ich und lehne mich dem Messer näher. „Stich mir ins Herz", sage ich und streife mit meinen Lippen ihren Nacken.
„Erstich mich", stöhne ich, „bitte."

„Du hast sie nicht mehr alle", japst sie und hält das Messer starr vor sich.
„Wie könnte ich auch", grinse ich und lege meinen Kopf auf ihr Schlüsselbein.
Oh wie ich diese Haut vermisst habe, wie ich diesen Geruch vermisst habe, wie ich meine Frau vermisst habe.

„Lass mich in Ruhe", flüstert sie, „geh weg."
„Nein", antworte ich prompt und das Messer sticht mit seiner Spitze in meine Haut. „Mach es", sage ich und schaue in ihre Augen. Das Glitzern liegt ganz tief in diesen, so tief, dass ich es nur kaum erkennen kann. Doch da, ein kleiner Schein liegt ganz tief in diesen.

„Genug gestarrt?", fragt sie und legt das Messer an meine Kehle. „Frag mich diese Frage nach hundert Jahren nochmal und ich würde erneut mit nein antworten", flüstere ich und ein klitzekleiner roter Schimmer legt sich auf ihre Wangen.

„Was willst du hier, Argon?", fragt sie und legt das Messer nieder. Diese Kälte schmerzt. Sie tut so weh, dass ich mir mein Herz mit bloßen Händen herausreißen will.

„Warum hast du mich verlassen?"

OUR PAST WILL BE OUR DEATHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt