Geheime Ambitionen

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Burg Moorfeld lag trutzig auf einem Felsensporn über dem Ort. Seit Generationen hatten diese Mauern die Herren der Grafschaft beherbergt. Hinter einem hohen steinernen Ring der Wallmauer war der dreigeschossige Palas dem Tal nach Norden zugewandt. An der Westseite der Burg stand ein riesenhaft wirkender Wehrturm, dem sich in der inneren Burg das Torhaus mit Rüstkammer anschloss. Diese massiven Bauten umschloss der hohe steinerne Wehrgang der inneren Burg nach Osten hin. Im Laufe der Jahre war vor dem nach Südwesten ausgerichteten Torhaus die große Vorburg mit seinen Lagerhäusern, Gesindebauten auf dem Plateau entstanden. All dies war von einer dicken hölzernen Palisadenmauer umrahmt, die letztlich spitz im Südwesten zum Torhaus der Vorburg zulief.

Die Burg wirkte nicht nur wehrhaft, sie hatte schon verschiedene Kämpfe gesehen und ihren Wert bewiesen. Die aus dunklem Felsgranit geschlagenen Mauersteine schienen Bestand für die Ewigkeit zu haben.

Eine Ewigkeit, welche dem hier wohnenden Grafen den Titel des „Schwarzen Grafen" durch Volk und Reisende einbrachte. Ein Titel, der über Jahre fortbestand und weitergetragen werden sollte.

Graf Boran stand hoch oben auf dem Wehrgang der inneren Burg und sah von dort hinab auf dem Kampfplatz der Vorburg. Der große Mann war in einer rot-schwarzen dicken Lederweste weithin zu erkennen.

Ryth, der Hofmagister des Grafen musste den Treppenaufgang am Palas vom Innenhof daher bis ganz hinaufgehen, um sich zu seinem Herrn zu gesellen.

Zwei entgegenkommende Wachknechte drückten sich gegen die Mauern des Palas, um den Magister durchzulassen. Auch wenn die beiden Knechte den Magister grüßten, so war in deren Stimme auch ein gewisses Maß an Respekt zu spüren.

Ryth war für die Menschen eine Person mit vielen Gesichtern. Gab sich der Hofmagister dem gemeinen Volk als freundlich und verbunden aus- hier in der Burg genoss er weniger diesen Wesenszug. Er neigte gar zu Unberechenbarkeiten gegen die Einfachen. Und seine magischen Fähigkeiten trugen zusätzlich dazu bei, ihm besser aus dem Weg zu gehen- auch, wenn er diese nur bei belustigenden Anlässen zur Schau stellte.

Graf Boran schien das Hinzukommen seines Hofmagisters zu spüren. Boran wendete seinen starr in die Vorburg gerichteten Blick nicht einmal von dort ab, als er sagte: „Seht Euch dieses Schauspiel an. Da müht sich mein Sohn mit einem Holzschwert gegen einen Mann, gegen den er noch nicht bestehen kann. Hauptmann Torgyff ist mehr als nachsichtig mit ihm. Er hätte in einem wirklichen Kampf meinen Sohn Ellrick schon mehrfach getötet."

Ryth blickte nur kurz hinab auf das Übungsfeld. „Doch gibt euer Sohn Ellrick nicht gleich auf. Auch Willensstärke macht einen entschlossenen Mann aus."

Drunten auf dem Kampfplatz griff der Grafensohn erneut den Hauptmann an. Nach mehreren Hieben mit den Holzschwertern jedoch, hatte Hauptmann Torgyff jedoch erneut einen wuchtigen Hieb nach einer Ausweichbewegung gesetzt und Ellrick einmal mehr bezwungen. Begleitet wurde dieses Schauspiel durch einiges Gejohle von Wachen und einigen neugierigen Zuschauern um das Niedriggatter dort.

„Zum Glück kostet es meinem Sohn nur seinen Stolz und nicht sein Leben. Doch auch diese Narben müssen heilen." Graf Boran hatte genug gesehen. Er wandte sich nun Ryth zu. „Also? Was gibt es zu berichten?"

„Das Heer ist nun aus unseren Landen. Abgezogen aus Bleckenbeck nach Süden über die Grenze. Wenn die Nachrichten stimmen, dann haben sie die ersten Erfolge dort zu verzeichnen."

„Das ist gut. Dann richtet sich deren Blick nach Süden. Solang der König uns gewähren lässt, soll es mir Recht sein. Haben wir ein Kontingent zur Truppe gegeben?"

„Ja Herr. So, wie ihr es angewiesen hattet. Der Bleckenbecker Voigt Theoderich und acht Waffenknechte- gestellt von den Orten. Dazu noch zwei Bewaffnete aus der Burg und mehrere Karren mit Vorräten. Man zeigte sich zufrieden damit- auch mit der überaus großzügigen Bewirtung an dem Lagern durch die Städte.", rechnete Magister Ryth auf.

Graf Boran nickte wohlwollend. „Dann lasst uns über die anderen Angelegenheiten sprechen. Haben wir Hinweise auf diesen Bastard Cothael und seine Bande? Wo ist er abgeblieben?"

„Zuletzt kamen Berichte aus Bleckenbeck. Doch ihr wisst ja- so einfach macht er es uns nicht, ihn zu lenken. Er wird sich entweder in die Wälder, die Berge oder vor dem Heer vorsichtshalber in die südlichen Lande ausgewichen sein. Doch ich bin mir sicher: wir werden schon alsbald wieder von ihm hören."

„Was noch?"

„Ein kleiner Lomasit- Stein wurde gehandelt. Hier im Ort. Wir konnten den Stein in der Schänke erstehen. Der reisende Krämer erkannte den Wert des Steines nicht. Woher er ihn hatte konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.", erklärte Ryth stolz.

„Ein Lomasit von magischem Gewicht?", hakte der Graf nach.

„Nein. Leider nur von geringem Nutzwert. Jedoch vergrößert er unseren Hort an diesem Edelstein. Wohl eher ein Fundstein. Er war ungeschliffen und nicht bearbeitet."

„Dies wird immer mal wieder geschehen. So lang keine großen Steine festzustellen sind, ziehen wir die Edelsteine ohne Aufsehen an Uns. Was noch?"

Ryth räusperte sich. „Der alte Chisto soll Besuch haben. Mehrere Leute sollen in seinem Haus beobachtet worden sein. Sollen wir der Sache nachgehen?"

„Was für Leute? Magiebegabte?", wollte der Graf wissen.

„Ist mir noch nicht bekannt. Es könnte Besuch sein, Familie oder..."

„... Oder zu einer Gefahr werden, wenn dieser alte Kauz wieder in Magie unterrichtet. Ich halte diesen Chisto für einen Mann, der Euch – guter Magister- durchaus zu einem Gegner werden könnte. Unterschätzt den Gelehrten und seinesgleichen nicht, möchte ich Euch empfehlen.", warf Graf Boran deutlich ein. „Doch sollten wir abwarten, bis der König seinem Heer nach Süden nachgefolgt ist. Ich will hierzulande keine unnötige Aufmerksamkeit zurzeit. Beobachtet das Geschehen."

„Sehr wohl."

„Die alte Moorfeld- Chronik ist immer noch nicht gefunden. Ich bin mir sicher, dass dieser Chisto mehr weiß, als er bereit wäre, Uns zu sagen. Wenn Chisto in Besitz der Chronik wäre, könnte dies für Unruhe sorgen, denn er wüsste, die Chronik zu lesen und wohl auch anzuwenden. Dazu darf es nicht kommen. Verstehen wir Uns da, Ryth?"

Die Worte des Grafen waren deutlich.

Unten verkündete erneutes Gejohle, das sich dort der Übungskampf dem Ende zuneigte. Hauptmann Torgyff hatte wohl gewonnen oder wurde dort unten zum Sieger erklärt.

Graf Boran blickte hinunter.

„Zum Glück ist Ellrick klug genug, nicht noch einmal unbesonnen einen Schwertstreich aus Wut gegen Torgyff zu wagen. Der Kampf war ungleich genug. Ryth? Seht zu, dass Ihr meinem Sohn am Nachmittag unterrichtet. Und seit dabei ebenso nachsichtig, wie es Torgyff war.", wies Boran an.

Mit einer deutlichen Verneigung zog sich Magister Ryth nun zurück.

Der Graf hatte wohl genug gehört, was ihm nicht gefallen hatte.

Allerdings hatte Ryth ja auch eine gute Nachricht vorbringen können. Jeder Lomasit- Stein in der Schatzkammer des Grafen stärkte die magischen Kräfte auf der Burg. Magiebegabte sollten die Kraft des Lomasit nie mehr für eine Verstärkung ihrer magischen Fähigkeiten nutzen können, wenn man diese Edelsteine für sich erlangen konnte.

Und diesen Chisto würde man auch noch in die Knie zwingen.

Und würde man die alte magische Schrift der 'Chronik von Moorfeld' bei ihm finden, dann würde sich so manches ändern- da war der Hofmagister Ryth in voller Überzeugung.

Dann würde die Macht im Land vielleicht wieder an die Magier gehen.

Und dies konnte schon bald sein.

Die Moorfeld- Chronik Im Land der letzten LinienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt