Nacht über Spornklamm

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Simon sah sich den Haufen matter Gestalten an, die ihn an seine kleine Erdhütte geflüchtet hatten und ihn durch schroffes Klopfen aus dem Schlaf holten. Seine Glückskatze verließ bei all der Aufregung und Unruhe mit lauten Fauchen die Hütte und entfloh in die Nacht.

„Großartig seht ihr aus!", begrüßte Simon die Armen, die sich zum Teil aufeinander stützend, zum Teil auf den Boden fallend vor seiner Hütte niederließen. „Walla? Sina? Und wen habt ihr mir da angeschleppt? Einen Riesen, einen Zwerg und einen Halbtoten? Wirklich großartig!"

Simon war fassungslos über den Zustand der Leute. Sie waren ausgemergelt, wohl auch verletzt und schwach. Zu allem Überfluss stanken ihre Kleider nach allem, was man in einem guten Bad und einer reinigenden Wäsche hätte beseitigen können.

„Hilfst Du uns nun oder willst du dich die ganze Nacht über in Beleidigungen ergehen?", antwortete Walla voll Unmut über diese frostige Begrüßung durch Simon.

Simons Blick ging zu aller erst auf den verletzten Mann, denn der schien Hilfe am Nötigsten zu haben. Er schnellte zu ihm hin und begutachtete die Wunden.

„Der ist übel zugerichtet. Bringt ihn am Besten in die Hütte. Legt ihn auf den Boden und macht mir mit Fackeln ein wenig Licht, dass ich mir euren Freund besser ansehen kann. Was ist euch eigentlich geschehen, dass ihr so gerupft ausseht?"

Bowien und Uriel hoben Densell auf und schleppten ihn ins Erdhaus. Sina ging nach, um sich der Fackeln und des Feuers anzunehmen. Außerdem fröstelte ihr in der kalten Nachtluft.

„Ein kleines Missgeschick. Aber du bist den Wachen von Gillberg entkommen?", fragte Walla.

„Ja. Mit großem Glück. Am Pass waren wirklich Wachen. Ich tat, als wäre es für mich ganz normal, an ihnen vorbei zu gehen. Sie fragten, ich erzählte ihnen meine Geschichte, sie glaubten mir. Und was war bei Euch? Hat das mit der Marktfrau geklappt?", fragte Simon.

„Nicht so ganz. Es lies sich gut an und wir waren auch schon fast am Aufbrechen. Dann gab es Tumult, wir wurden verhaftet, verurteilt und mussten einige Tage im Gefängnis von Gedesheim zubringen."

„Dann musstet ihr eine Strafe absitzen? Wann hat man Euch entlassen? Heute früh?", hinterfragte Simon voller Mitleid für Walla.

„Entlassen trifft es nicht so richtig. Sagen wir einmal, wir haben einen Weg hinausgefunden und würden jetzt lieber einem möglichen Ärger mit Wachen und dem Gesetz aus dem Weg gehen?" Walla zog ein schwaches Lächeln auf den Mund und machte sich klein.

„Dann seid ihr geflohen? Seid ihr verrückt? Ich habe noch nie gehört, dass jemand aus Gedesheim entkommen konnte." Simon konnte es nicht glauben- trotz seines Blickes mit aufgerissenen Augen.

„Nun, dann sind wir wohl die Ersten."

„Und die anderen Drei? Kann man denen vertrauen?", fragte Simon.

Walla nickte vorsichtig. „Ich denke schon. Wir haben nicht unsere Leben voreinander offengelegt, aber deren Geschichten sind genauso glaubhaft, wie die von Sina und mir. Und Leid haben alle erlebt. Der verletzte Mann ist im Übrigen dieser Densell, von dem Ranka gesprochen hatte. Die Andere hat die Folterqualen in Gedesheim nicht überlebt. Der Zwerg ist ein Bergmann. Er heißt Urien. Bowien ist der Große. Ein Soldat, der sich in Moorfeld gut auskennen sollte, wenn wir dort hingehen."

„Nach Moorfeld? Ich dachte, wir wollten es meiden?"

Walla kratzte sich am Hinterkopf. „Wie sich herausstellte, ist der letzte Kraftort dort. In einer Höhle unter der Burg."

„Also, großes Glück haben wir ja nicht auf unserer Reise zu den Kraftorten. Und der Schwierigste zuletzt also?"

„Ja."

„Na komm! Geben wir euch Heilung und was zu essen. Dann schauen wir, wie es weitergehen kann mit Uns.", forderte Simon auf, in seine Behausung zu kommen.

„Uns?", fragte Walla nach und lächelte dabei.

„Aber sicher: Uns! Was dachtest Du denn? Ihr sollt doch nicht den ganzen Spaß alleine haben, oder?", scherzte Simon. Und lächelte zurück.

Die Moorfeld- Chronik Im Land der letzten LinienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt