Die Flucht

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Das Licht der Fackeln Im Zellenrondell gestattete es, die in den großen Zellenraum eingetretene Gestalt als eine der gräflichen Wachen zu erkennen. 

Der Mann war bewaffnet und trug die Farben des Grafen. Es musste sich wohl um einen der Begleiter des Hauptmannes Torgyff handeln, vielleicht sogar eine von den zwei Wachen, die vorhin noch der Folterung des Jägers und Geistbewahrers Densell mit hier im Raum waren.

Vorsichtig schlenderte er herum und schaute in die Zellen.

An der Zelle von Walla und Sina blieb er stehen, blickte nach rechts und links sowie in Richtung der Zugänge zum Zellenrondell.

Sina und Walla hielten sich im hinteren Teil der Zelle auf ihren Lagern auf und versuchten, so wenig als möglich seine Aufmerksamkeit zu erhalten.

Dennoch hatte er wohl die zwei jungen Frauen in der Zelle beobachtet.

Dann ging er wieder zu den Aufenthaltsräumen der Wachen herüber, wo sich der Hauptmann des Grafen Torgyff noch mit mehreren Wächtern des Gefängnisses ein kleines Gelage gab.

Kurze Zeit später erschien der gräfliche Wachsoldat erneut im Zellenrondell und blickte sich nach mehreren Seiten um. Was er vorhatte oder beabsichtigte, war nicht einzuschätzen.

Dann bückte sich der Wachsoldat.

Über den Boden der Zelle schlitterte und schepperte etwas Metallenes in die Zelle von Walla und Sina hinein.

Was war das? Walla bückte sich von der Strohliege zu dem Metall, was die Wache durch das Gitter hindurch in ihre Richtung geschoben hatte. Es war ein Reif mit mehreren Schlüsseln daran. Was sollte das? Sollten dies die Schlüssel für die Zellen hier im Raum sein? Wer war dieser Mann? Und was beabsichtigte er damit?

Walla rutschte hockend in Richtung des Gitters und der Zellentür- dorthin, wo die Grafenwache noch stand und sich erneut in alle Richtungen umsah.

Der Soldat zeigte sich, zog die Stoffmaske herunter, dass man sein Gesicht sehen konnte. Sofort legte er seinen Zeigefinger auf seinen Mund, als er sich offenbart hatte.

Es war Rodric? Ja wirklich! Er war es! Aber wieso? - Walla war mehr als überrascht, auch die erschöpfte Sina kam nun näher.

„Zweitschlüssel! Für Eure gesamten Zellen hier im Raum. Versucht zu fliehen, rate ich Euch. Hier ist es nicht sicher an diesem Ort der Vergessenen. Ihr könnt Unruhe stiften oder davon schleichen- überlegt euch was- aber wartet bis zur Nacht damit. Wenn ihr dort links geht, dann wieder links, so kommt ihr an eine der älteren Mauern, die nicht mehr aufgebaut worden sind. Wachen gibt es dort nach hinten heraus nicht. Wenn ihr dort herunterspringt, versucht sicher zu landen- dann lauft um Euer Leben und versteckt Euch, wenn es geboten ist. Meidet die Straße bis Bleckenbeck. Dort werden sie zuerst suchen. Geht abseits durch die Wälder."

„Aber wieso? Was machst Du ...?"

„Unwichtig! Jetzt hört mir mal genau zu: Ich habe gehört, dass sich Einer von den Wächtern dieser Tage 'die junge Blonde' holen will! Er war besoffen und hat damit geprahlt. Ich denke, damit meint er dich, Sina. Glaubt mir, dass wird unschön. Aber sie denken, dass ihr aus Gillberg stammt, dass ist Euer Vorteil. Sie kennen Euch nicht. Also macht, dass ihr fortkommt! Noch heute Nacht am besten! So. Ich muss weg."

Rodric flüsterte all dies, dann drehte er sich weg und ging wieder in Richtung der Wärterunterkünfte aus dem Raum- ebenso langsam und aufmerksam, wie er gekommen war.

Walla schob das Schlüsselbund ganz tief nach hinten unter das Strohlager, verkeilte das Schlüsselbund ein wenig an einem rissigen Mauervorsprung.

Sina gesellte sich zu ihr. Fast konspirativ unterhielten sich die Schwestern leise über Sinn und Aussichtslosigkeit einer Flucht. Walla musste letztlich deutlich werden, ja fast beschwörend.

Die Moorfeld- Chronik Im Land der letzten LinienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt