Kapitel 4.1

192 22 1
                                    

Sezuna fühlte sich, als würde ihr Körper von innen herausplatzen wollen. Es war ein ganz seltsames Gefühl und selbst, als sie langsam aus der Dunkelheit, die sie umfangen hatte, erwachte, wurde es nicht besser.

Hatte sie etwa einen Anfall? Das würde zumindest das Gefühl erklären, auch wenn es weit über das hinausging, was sie sonst spürte.

Lag es daran, dass sie den Sternenstaub der Umgebung in sich aufgenommen hatte? Aber ihre Mutter hatte gemeint, dass sie ihren Körper dadurch stärken konnte, doch es schien das Gegenteil bewirkt zu haben. Warum sonst würde sie sich nun so seltsam fühlen? War sie vielleicht sogar ohnmächtig geworden? Dabei sollte das gar nicht sein. Ihre Rasse konnte nicht ohnmächtig werden. Nicht einmal die jüngeren unter ihnen.

Leise stöhnend griff sich Sezuna an ihren Kopf und versuchte, den pochenden Schmerz hinter ihrer Schläfe zu bekämpfen. Sie spürte den Brunnen ihrer Macht so deutlich, dass es ihren ganzen Körper zum Kribbeln brachte. Das war noch nie so gewesen und trotz ihrer Schmerzen fühlte sie sich stark. Machtvoll im magischen Sinne.

Bei ihren Bewegungen rutschte die Decke von ihrem Arm und nur halb bekam sie mit, dass sie wohl in einem Bett lag und zugedeckt war. Sie musste eingeschlafen sein. Das würde erklären, warum sie geglaubt hatte, sie wäre in der Hölle und würde auf einem riesigen, dreiköpfigen Hund reiten.

Was für ein wirrer, seltsamer Traum, aber selbst das war nicht ungewöhnlich. Nach ihren Anfällen schlief sie oft lange und träumte komische Sachen.

Langsam setzte sie sich auf und blinzelte. Es war dunkel im Zimmer, was sie leise seufzen ließ. Licht hätte es im Moment nur noch schlimmer gemacht, weil ihre Augen ebenfalls schmerzten. Als sie diese allerdings ganz öffnete, bemerkte sie, dass sie gar nicht in ihrem Zimmer lag. Weder zuhause noch bei ihren Freundinnen. Wo war sie hier?

Obwohl ihr Kopf sie zur Ruhe ermahnte, indem er heftig hämmerte, sah sie sich im Zimmer um. Solange sie nicht wusste, wo sie war, konnte sie sich nicht ausruhen. Sie wollte nicht als Opfer enden, weil sie unvorsichtig war.

Die Wände waren mit dunkelroten, seidigen Teppichen behangen, die jedoch nicht die schwarze Struktur dahinter ganz verbergen konnten. Als wäre das Zimmer direkt aus dem Stein gehauen. Nur war der Stein viel dunkler, als sie es kannte.

Als sie ihre Augen weiter zur Decke wandern ließ, erkannte sie feine Stuckaturen, die Decke und Wand verzierten. Sie zeigten allerlei Wesen, die scheinbar in einer Reihe liefen. Diese ging durch das gesamte Zimmer.

Sie war so fasziniert davon, dass sie sich im Sitzen im Kreis drehte und fast schrie, als sie einen Mann erkannte, der in ihrer Nähe saß und sie mit leuchtenden, violetten Augen betrachtete.

Den Schrei hinunterschluckend erwiderte sie seinen Blick. Wer war das? Oder besser was war er? Warum hatte sie ihn nicht bemerkt? Selbst jetzt, wo sie sich auf ihn konzentrierte, spürte sie ihn kaum. So, als würde er seine Aura unterdrücken. Dabei war Sezuna gut darin, die Auren der anderen zu spüren. Das verunsicherte sie sehr.

Auf den ersten Blick sah er aus wie ein älterer Mann mit langen, schwarzen Haaren, die an den Seiten schon etwas ergraut waren. Er hatte ein leicht kantiges Gesicht, das mit glatter Haut überzogen war. Es sah fast zu makellos aus. Als wäre er ein Vampir. Bei diesen waren solche Erscheinungen oft vertreten. Perfekte, reine Haut und das Aussehen, als wären sie gegen sämtliche Alterserscheinungen immun, doch da waren diese grauen Stellen in den Haaren. Zudem hatte er große, violette Hörner auf dem Kopf. Kein Vampir, aber was dann? Seine Aura könnte zu einem normalen, magielosen Menschen passen, so schwach wie sie war, doch das konnte sie sich nicht vorstellen. Nicht hier in der Hölle.

Sein Körper, der bestimmt reichlich Muskeln aufwies, war in einen dunklen Umhang gehüllt, der sehr edel aussah. An manchen Stellen konnte man den dunkelvioletten Samt sehen, der wohl das Innenfutter bildete.

Neugierig, aber auch ein wenig ängstlich musterte Sezuna ihn intensiv.

Zwischen ihnen entstand eine angespannte Stille und Sezuna spürte in ihrem Inneren ein Ziehen. Als würde irgendetwas auf ihn reagieren. Ein tiefes Wissen, dass dieser Mann sie nicht verletzen würde. So, als würden sie zusammengehören, aber auf eine andere Art und Weise, als sie es bei Allan spürte. Es war ähnlich stark, doch nicht dieses Gefühl von ... Liebe. Es war mehr eine tiefe Verbundenheit.

Schließlich erhob der Mann seine tiefe, klangvolle Stimme. »Ich bin Nemesis Saytan. Der Fürst der Hölle«, stellte er sich vor. Seine Stimme klang wie Melodie in Sezunas Ohren und für einen Moment verschlug es ihr die Sprache. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit wurde noch stärker. Zudem brauchte sie einen Moment, bis der Sinn seiner Worte bei ihr angekommen war.

Er war der Höllenfürst. Was sollte sie denn darauf jetzt sagen? Er sah überhaupt nicht aus, wie sie sich den Fürsten der Hölle vorgestellt hatte. Wenn sie aber genau hinsah, dann konnte sie die durchdringenden, violetten Augen, mit denen auf den Thron in Verbindung bringen. Doch warum sah er so menschlich aus?

Mit dem jetzigen Wissen betrachtete sie erneut seine Aura. Sie war noch immer so wie vorher und wirkte schwach, doch das täuschte. Es lag nur daran, dass die Aura zu sehr mit der Umgebung im Einklang war.

Sezuna befeuchtete sich mit der Zunge ihre Lippen. Er hatte sich vorgestellt, also wäre es nur höflich, wenn sie sich ebenfalls vorstellte. Allerdings fiel es ihr sehr schwer, ihren Mund dazu zu bewegen, Worte zu formen. Es war nicht zwingend deshalb, weil seine Erscheinung sie einschüchterte. Es war mehr die Tatsache, dass er so unscheinbar war. Diese Wesen waren am gefährlichsten, da man die Gefahr erst wahrnahm, wenn es zu spät war.

»I-Ich bin Sezuna Kaya«, sagte sie schließlich mit rauer, kratziger Stimme und hoffte, dass er ihr Flüstern verstanden hatte. Es war schwer einen klaren Gedanken zu fassen, solange er sie so anstarrte. Musste er überhaupt blinzeln?

Sezuna - Kind der Hölle (Die Mittlere Galaxie 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt