Sezuna brachte das Tablett zu Eve, damit diese sich Fleisch nehmen und es dem Welpen hinhalten konnte.
Eve nahm das Stückchen auf ihre flache Hand und hielt es dem Hund hin. Das Fleisch wurde von diesem neugierig beschnuppert. Eve war angespannt, das konnte Sezuna sehen. Ob sie Angst hatte, gebissen zu werden?
Der Welpe streckte seine Zunge aus, berührte das Stückchen und zog sie dann wieder zurück. Kurz wartete er, bevor er ganz vorsichtig danach schnappte. So vorsichtig, dass er Eve lediglich ableckte, was diese leise kichern ließ.
Mit einem Geräusch, das irgendwie dankbar klang, verschlang er das Stückchen und wedelte dann mit dem Schwanz. Es wirkte, als hätte er sofort wieder neue Kraft daraus bekommen. Eve grinste und reichte ihm ein weiteres Stückchen.
Sezuna, die sich neben dem Bett niederließ, beobachtete sie dabei sehr genau. Irgendwie wirkte sie sehr glücklich.
Schließlich war das Fleisch leer und der Welpe zufrieden. Zumindest wirkte er so, während er eifrig Eves Hand abschleckte. »Wie heißt du, mein Kleiner?«, fragte Eve, die ihn lecken ließ.
Der Schwanz des Tieres klopfte auf das Bett. Der Hund hob den Kopf und blickte sie an, als würde er sie fragen wollen, was sie meinte.
»Kann er nicht sprechen?«, wollte Sezuna wissen, die bisher davon ausgegangen war, dass jeder Hu'en das konnte. War er vielleicht noch zu jung?
»Vielleicht versteht er uns nicht«, schlug Eve vor und nutzte ihre andere Hand, um ihn zu streicheln.
»Oder er hat keinen Namen«, gähnte Ros, der mit seinen Geschwistern am Boden an Sezunas Beine gekuschelt war. Sie waren vom Erkunden des Zimmers müde, weshalb sie sich nun ausruhten. Den Hund beachteten sie dabei nicht. Es schien ihnen egal, was Eve mit diesem tat, solange er nicht gefährlich war.
»Hast du keinen Namen?«, fragte Eve nach und der Hund ließ die Ohren und den Schwanz hängen. »Dann gebe ich dir einen«, meinte Eve, der es scheinbar nicht gefiel, ihn so zu sehen.
Sofort stellten sich die Ohren des Hu'ens wieder auf und sein Schwanz wedelte aufgeregt. Er sah glücklich aus, was wiederrum Sezuna zum Lächeln brachte.
»Ich nenne dich ...«, begann Eve und überlegte kurz. »Azrael«, sagte sie und ein freudiges Bellen ertönte, bevor der Hund erneut begann, Eves Hand abzuschlecken.
Die junge Dämonin lachte zufrieden, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und Nemesis in den Raum stürmte. Das veranlasste Azrael dazu, sich hinter Eve zu verstecken, während Cer, Ber und Ros aufsprangen, um Sezuna zu verteidigen, doch diese hielt sie mit einer Hand zurück. Wenn sie den Höllenfürsten anfielen, konnte das sehr schlecht enden.
»Eve, Sezuna. Ich habe gehört, dass ...«, begann er, brach aber ab, als er die Hunde sah, die kampfbereit vor Sezuna aufgebaut waren. Er wurde ein wenig blass. »Es ist also wahr. Die Hu'en sind wirklich in deinem Zimmer«, bemerkte er und klang irgendwie ergeben. Fast so, als würde er sich die Mühe etwas dazu zu sagen, sparen wollen, weil er wusste, dass es eh nichts brachte.
Eve sprang auf und blickte ihren Vater bittend an. »Sie sind ganz süße, unschuldige Wesen«, behauptete sie und klang irgendwie, als würde sie ihren Vater überzeugen wollen, nicht einzugreifen.
»Es sind Hu'en«, sagte Nemesis matt, doch Sezuna hörte die Resignation in seiner Stimme. Wie ein normaler Vater, der nicht mit seiner Tochter diskutieren wollte.
»Ganz liebe Hunde«, meinte auch Sezuna, die Cer leicht kraulte, um sie zu beruhigen.
»Gefährliche Hunde«, konterte Nemesis, der scheinbar nicht gewillt war, aufzugeben.
Sezuna lachte. »Ja, die perfekten, tierischen Leibwächter«, stimmte sie zu. Warum dem auch widersprechen?
Nemesis blickte zu seiner Tochter, die innig mit dem Hu'en schmuste. Er seufzte. »Na gut«, gab er sich geschlagen und blickte verwundert nach unten, als Ros an ihm schnupperte.
Überrascht sah Sezuna, wie er sich langsam hinabbeugte und Ros sogar leicht streichelte. Aber zögerlich, als würde er erwarten, gebissen zu werden. Sezuna verstand dieses Verhalten durchaus. Es waren wahrscheinlich nicht nur haltlose Vorurteile, sondern auch Dinge, die früher passiert waren, die ihn so handeln ließen. Konnten Hu'en Dämonen und vielleicht sogar dem Höllenfürsten gefährlich werden?
Dass er sich jetzt so mit den Hunden beschäftigte, gefiel ihr sehr gut. Es zeigte, dass der Höllenfürst nicht in der Vergangenheit lebte und neue Dinge annahm.
Als Ros seine Hand ableckte, ließ er sich sogar dazu verleiten, für einen kurzen Moment rau zu lachen. Dieses Geräusch erfüllte Sezuna mit einer ungeahnten inneren Ruhe. »In Ordnung, ihr habt Recht. Sie sind wirklich allerliebst«, stimmte er zu und streichelte den Hund liebevoll. Dass seine Stimme irgendwie sehnsuchtsvoll klang, verwirrte Sezuna durchaus.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Plötzlich begann sie, ihren Vater zu vermissen. Einen Mann, den sie nicht einmal kannte.
Lucien war ihr immer mehr oder weniger wie ein Vater gewesen, doch er war nicht ihr echter. Er war nicht einmal mit ihrer Mutter verheiratet, obwohl Sezuna glaubte, dass Gefühle im Spiel waren.
Eve legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Was ist los?«, fragte sie und klang besorgt. Sezuna wischte sich die Tränen aus den Augen.
»Nichts«, log sie, obwohl sie wusste, dass es nicht sehr glaubhaft war. »Ich vermisse nur meine Familie«, bemerkte sie, obwohl das nur ein Teil der Wahrheit war.
Eve nahm sie unerwartet in den Arm und streichelte ihren Rücken. Azrael kuschelte sich an sie. »Möchtest du mir von ihnen erzählen?«, fragte sie und Sezuna schüttelte leicht den Kopf.
»Nein«, seufzte sie, da ihre Familiengeschichte sie nur wieder zum Weinen bringen würde, genoss aber Eves Umarmung sehr. Es fühlte sich fast so an, wie die ihrer kleinen Schwester Yuna.
Eve hielt sie einfach nur im Arm, während sich Nemesis wieder erhob. Seine violetten Augen lagen auf ihr. »Ich wollte dich abholen, damit du weiter an deinem Stab arbeiten kannst«, sagte er und Eve warf ihm einen bösen Blick zu. Sie schien nicht erfreut darüber zu sein, dass er damit begann.
Sezuna löste sich von ihr und wischte sich die Tränen weg. Für sie kam dieses Angebot gerade recht, denn es würde sie ablenken. »Das ist gut. Ablenkung ist sicherlich hilfreich«, murmelte sie, da sie sich darauf freute, mehr zu lernen. »Dürfen die Hunde hierbleiben?«, fragte sie an Nemesis gewandt. Dieser nickte zustimmend, was bei Sezuna ein Gefühl von Erleichterung hervorrief. Nun musste sie sich um diese keine Sorgen mehr machen.
»Solange sie keinen Unsinn machen und Eve auf sie aufpasst«, fügte er hinzu, wobei er belustigt klang. Eve hingegen wirkte überrascht.
»Wie ich?«, fragte sie, wobei in ihrer Stimme eine Spur Entsetzen mitschwang. »Ich kenne mich doch mit ihnen nicht aus.«
Sezuna lachte leise. »Keine Angst. Sie sind wie Kinder«, versicherte sie grinsend und versuchte, nach außen nicht mehr so traurig auszusehen. Ob ihr das gelang oder nicht, konnte sie jedoch nicht sagen.
Nemesis musterte sie auf eine Art besorgt, die ihr ein sehr gutes Gefühl gab. Dass er sich Sorgen um sie machte, war für sie irgendwie wichtig geworden.
Gemeinsam mit dem Höllenfürst verließ Sezuna den Raum, um sich ihrem Studium zu widmen.
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Sezuna - Kind der Hölle (Die Mittlere Galaxie 1)
FantasyNach einem schief gelaufenen Zauber ihrer besten Freundin, einer Hexe namens Yui, landet die junge Itari Sezuna an einem Ort, der sich sehr bald als Hölle herausstellt. Neben dem Cerberos trifft sie auch auf ihren neuen Mentor. Keinen geringerem, al...