Kapitel 26.6

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»Nicht«, hörte sie Allan keuchen, doch da war es schon zu spät. Es war, als würde sie in die Tiefe ihrer Selbst stürzen. Als wäre da ein schwarzes Loch, das endlos tief reichte.

Es dauerte gefühlte Stunden, bis sie die Oberfläche ihrer Magiereserven erreichte. In diese tauchte sie ein, wie Nemesis es ihr beigebracht hatte. Sie wollte ihre ganze Magie nutzen, um damit den Dämon anzugreifen.

Sezuna tauchte so tief, wie es ging. Dabei spürte sie, dass der Druck um ihren Körper immer weiter zunahm und es immer dunkler um sie herum wurde. Fast so, als würde sie ohnmächtig werden. Sie wusste, dass sie aufpassen musste, um nicht selbst dabei zu sterben. Die Magie konnte ihren Körper zerquetschen, ihre inneren Barrieren zerstören und sie völlig auslöschen. Dennoch tauchte sie weiter und weiter, bis sie spürte, dass jemand nach ihr griff und sie aufhielt.

»Das reicht«, fuhr Allan sie an. Es war nur den vielen Übungen zu verdanken, dass Allan sie überhaupt noch erreichte. »Es bringt niemanden etwas, wenn du dich dabei umbringst.«

Sezuna blickte Allan direkt an. Dieser erschauderte, weil ihr Ausdruck ihm scheinbar Angst machte. Er schien zwar irgendwie überrascht, doch das änderte nichts an seiner Entschlossenheit, das zeigte sein Blick. Allan würde nicht zurückweichen. »Es reicht«, wiederholte er erneut. »Steig wieder auf.«

Zuerst wollte Sezuna widersprechen, doch dann blinzelte sie. Der Ausdruck in ihren Augen ließ nach, was sie ganz deutlich spürte, bevor sie krampfhaft nickte. Die Magie setzte ihr zu und sie verstand, dass Allan Recht hatte. Sie musste wieder aufsteigen, wenn sie nicht selbst dabei umkommen wollte.

Der Aufstieg war langsam und schwerfällig. Sezuna spürte die Magie, die sie aus der Tiefe ihrer Quelle mit sich empor nahm.

Obwohl es ihr vorkam wie Stunden, vergingen eigentlich nur wenige Sekunden.

Der angreifende Dämon, der Nemesis erschreckend ähnlichsah, war noch immer auf den Weg vom Himmel in Richtung Boden, um Nemesis dort mit einem Schwert den Gnadenstoß zu versetzen. Dabei schoss er auch immer weiter auf Sezuna zu.

Diese leitete sämtliche Magie, die sie aufbringen konnte in ihren Stab, den sie direkt auf den Angreifer richtete.

Wenn das hier schiefging, waren sie alle tot. Es war besser, wenn sie starb, als der Höllenfürst, denn ohne diesen würde jeder, den sie liebte, sein Leben lassen. Das konnte sie nicht zulassen. Dazu war der Drang zu schützen einfach viel zu stark. Das musste sie von den Heilern haben, die auch nie an sich und nur an die anderen dachten.

Die Angst trieb sie an und mit verbissener Miene entlud sie die Magie in ihrem Stab. Direkt auf den Dämon.

Der Sternenstaub sammelte sich an der Spitze und rauschte dann in einem unbändigen Knäuel auf den Gegner zu. Sezunas Arme schmerzten, während sie den Sternenstaub immer weiter und weiter in den Stab lenkte. Sie hatte keine Ahnung, was das mit ihr machen würde, doch das war alles, was sie konnte. Ihre Magie war nicht stark genug, weshalb sie mit schierer Menge siegen musste.

Sie bemerkte, wie Xanados überrascht innehielt und somit direkt von ihrem Angriff getroffen wurde. Wahrscheinlich ging er davon aus, dass es ihm nicht schaden würde.

Sein Kreischen ertönte und er ließ das Schwert fallen, während er sich gegen den Angriff wehrte.

Sezuna bemerkte, dass die Waffe direkt auf Nemesis zufiel, doch sie konnte sich nicht vom Fleck bewegen. Sie hatte nicht einmal diese eine Sekunde, denn dann wäre sie tot und ihr Körper reagierte nicht. Als hätte die Macht, die sie durch sich hindurch geleitet hatte, ihren Körper von innen heraus zerfressen.

Neben ihr huschte etwas Weißes vorbei. Eve stürzte vor und für einen Moment glaubte Sezuna, dass sich ihr Körper veränderte. Er wurde größer, überzog sich mit weißen Schuppen und sie bekam Flügel. Da jedoch ihre Sicht immer weiter verschwamm, war sich Sezuna nicht einmal sicher, ob dem wirklich so war. Eve rief das, was von ihrem Schirm übrig war herbei und nutzte ihn wie einen Schläger, um damit nach dem fallenden Schwert zu schlagen. Es wurde durch die Luft geschleudert und grub sich mit einem kreischenden Geräusch in den Boden, wo es wackelnd stecken blieb.

Dann wurde um Sezuna herum alles schwarz und sie spürte eine tiefe Kälte in sich, die ihren Geist mit sich nahm und gefangen hielt, doch die Dunkelheit hielt nicht lange an. Stattdessen hatte sie das Gefühl, dass sich ihr Geist von ihrem Körper löste und sie sich selbst sah, wie sie in Allans Armen lag. Warum war er hier? Damit war er doch genau in der Schusslinie des Dämons? Dieser dumme Junge!

Sie wollte ihn schütteln und wegziehen, doch es war, als würde die Zeit stillstehen. Obwohl sie sich selbst bewegte, ging alles um sie herum wie in Zeitlupe.

Ihr Blick glitt umher und sie bemerkte, dass die Sandsteinwüste um sie herum, anders aussah. Überall sah sie die Spuren des Sternenstaubs. Noch nie hatte sie diese bunten Flecken so deutlich wahrgenommen wie jetzt.

War sie tot?

Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf eine Gestalt, die sie anstarrte. Das lange braune Haar war leicht gewellt und bewegte sich in einem nicht existierenden Wind. Die Augen, die einer Seifenblase glichen, waren direkt auf Sezuna gerichtet und jagten ihr einen Schauer über den Rücken. Dass dieses Wesen aus reinem Sternenstaub bestand, war unschwer zu erkennen, obwohl sie recht menschlich wirkte. Zudem sehr weiblich, denn ihr Körper schien der Inbegriff von Schönheit. »Deine Zeit ist noch nicht gekommen«, sagte sie mit einer Stimme die klang, als würde es in Sezunas Kopf heftig widerhallen. So sehr, dass es ihr Kopfschmerzen bereitete, obwohl sie doch keinen Körper mehr zu haben schien. War das die Schicksalsgöttin von der Nemesis gesprochen hatte?

Nemesis! Sie wandte ihre Aufmerksamkeit auf den Kampf. Die Schicksalsgöttin, oder was auch immer es war, war plötzlich uninteressant. Sezuna war es wichtiger zu erfahren, wie der Kampf ausging.

Der geschwächte Xanados war nicht tot, taumelte aber in der Luft herum und schien orientierungslos. Nemesis nutzte die Zeit, um sich wieder zu erheben. Er schien nur wenige Momente zu brauchen, um vor dem Schwert zu erscheinen, es zu greifen und sich mit Magie wieder zurück zu seinem Bruder zu bewegen. Dafür kassierte Eve einen Schlag von Magie, der sie zu Boden riss.

Sezuna hielt die Luft an und wollte dann nach Eve schreien, doch kein Ton verließ ihren Mund. Auch ihr Körper, oder eher ihr Geist, bewegte sich nicht von der Stelle. Sie war zum Zusehen verdammt.

In der Nähe des Kampfes bemerkte sie Bel'shamaroth, der am Boden lag. Zusammen mit anderen Dämonen. Sie hatten wohl im Kampf geholfen und hatten verloren.

Unruhig richtete Sezuna ihren Blick wieder auf Nemesis, der nun im Vorteil war. Er schwang das Schwert und streifte Xanados lediglich. Das reichte jedoch aus, um eine Wunde zu hinterlassen, die immer weiter aufplatzte. Als wäre es ein eigenständiges Wesen, das immer größer wurde und sich über Xanados Körper ausbreitete.

Neben sich bemerkte Sezuna, dass Yuna ihre Augen geschlossen und die Hände ausgestreckt hatte. Von ihr ging eine angenehme Wärme aus. Ein sanftes Licht, das sich über die Ebene ausbreitete. Versuchte sie zu heilen oder was tat sie da? Sie hatte ihre Schwester noch nie bei so etwas erlebt. Woher konnte sie das? Hatte Mutter ihr das beigebracht oder Eve? Eigentlich unnütze Fragen in dieser Situation, doch Sezuna konnte ihre Gedanken nicht ganz ordnen.

Überrascht bemerkte sie, wie Xanados, der nach und nach in kleine dunkle Fetzen zerfiel, von dem Licht berührt wurde und die Fetzen sich auflösten.

Allan rief ihren Namen, was ein Ziehen in ihr verursachte. Mit einem unerwarteten Ruck wurde sie wieder zurück in ihren Körper gezogen.

Alles ging so schnell, dass Sezuna es einfach geschehen ließ. Sie könnte es wohl sowieso nicht verhindern.

Erneut wurde alles dunkel um sie herum und die Stimmen undeutlicher. Hatten sie gewonnen?

Sezuna stöhnte leise, als sie aus der Schwerelosigkeit gerissen wurde und spürte, dass ihr Geist sich langsam klärte.

Sezuna - Kind der Hölle (Die Mittlere Galaxie 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt