4 - Helene

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Well, you only need the light when it's burning low
Only miss the sun when it starts to snow
Only know you love her when you let her go
(Passenger/Let her go)

~

Verstrubbelte Haare, Augenringe und ein müdes Lächeln. Ich sollte nicht so aussehen, wie ich mich fühle. Also suche ich mir schnell ein passendes Frühlingsoutfit heraus. Jeans, Top und eine gelbe Strickjacke sollten genügen, oder?

Ich will mich gerade zu meinen Eltern an den Frühstückstisch begeben, da brummt mein Handy auf dem Nachtisch. Ich öffne es schnell und stelle fest, dass es eine Nachricht von meiner besten Freundin Helene ist. Wir sind zusammen auf die Grundschule gegangen.

Wie schön, dass du endlich wieder da bist! Wollen wir uns heute Treffen? Klingt Picknick im Park gut? :) LG ❤️

Als ich ihre Nachricht lese steigen mir ein paar Tränen in die Augen. Weil: Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen und ich liebe sie so unendlich doll.

Das klingt wahnsinnig toll, freue mich sehr dich endlich wiederzusehen! 🥰 So gegen elf im Park hier um die Ecke?

Mich über die Pläne freuend packe ich das Handy weg und setze mich an den vollgedeckten Frühstückstisch. An diesem Morgen esse ich die köstlichsten Croissants überhaupt.

Und vielleicht fühle ich mich freier als die Stunden zuvor. Wenigstens ein bisschen.

Bevor ich das Haus verlasse, schaue ich kurz in der Küche unseres Restaurants vorbei und halte nach ein paar brauchbaren Köstlichkeiten für unser Picknick Ausschau. Ich nehme mir etwas Obst, lasse die Wassermelone schweren Herzens, aufgrund ihres Gewichts, im Kühlschrank und greife nach einer kleinen Flasche Sekt. Dieses Wiedersehen soll schließlich ordentlich zelebriert werden!

Der Park liegt nur etwa einen Kilometer von meiner Straße entfernt. Ich genieße die lauwarme Luft, höre die Vögel zwitschern und setze einen Schritt vor den anderen, ganz so, als hätte ich mein Leben im Griff.

Eigentlich würde ich mein Geld nicht so einfach für Blumen ausgeben, was natürlich mein jetziges Liebesleben gut erklärt, aber heute mache ich eine Ausnahme und trete in einen Blumenladen, den ich gerade zufällig am gegenüberliegendem Straßenende erspäht habe. Einen kleinen Strauß, mit weißen und lila Blumen. Den kriegt Helene von mir.

Circa eine Viertelstunde später erreiche ich den gemütlichen grünen Fleck inmitten eines Waldes aus grauen Häuserfassaden. Ein kleines Paradies eben.

An einem Teich genau in der Mitte des Parks warte ich, und das nicht lange. Helene strahlt schon von weitem, als sie mich erkennt. Sie rennt auf mich zu, und ich auf sie und wir verschmelzen zu einem Knäuel aus Gefühlen. Pure Freude, pure Liebe.

„Alva, du bist's!", Helene schreit in mein Ohr, sie steht voll unter Strom, „Man, wie lange ist das jetzt bitte her?! Ich hab dich so vermisst!" Ich strahle meine beste Freundin an und drücke sie erneut ganz fest. „Ich hab dich auch vermisst.", das flüstere ich ihr nun ins Ohr.

Ein ganze Weile liegen wir uns in den Armen. Wir vergessen alles um uns herum.

Wir sind einfach nur wir.

Wenig später haben wir unsere Picknickdecke auf der saftigen Wiese ausgebreitet. Helene ist gerade dabei, ihr ganzes Zeug aus der Tasche zu holen. Im Gegensatz zu mir hat sie an alles gedacht, was das Belohnungssystem zufriedenstellt: Schokolade, Chips und sogar ein Versuch eines selbst gemachten Backkunstwerks, welches sie als „Zitronenkuchen" bezeichnet. Zu all dem stellt sie eine Schale Erdbeeren.

Dann leert sie plötzlich ihre Wasserflasche zur Hälfte und stellt genau dort die Blumen hinein. Die improvisierte Blumenvase ziert nun die Mitte unseres kleinen Buffets. Ich muss daraufhin laut loslachen, genau für solche Momente habe ich sie vermisst.

„Auf uns!", wir stoßen mit dem schon viel zu warm gewordenen Sekt an und genießen den Moment.

„Und bei dir so? Erzähl mal, was bei dir so die letzte Zeit passiert ist. Wir haben uns ja leider echt ein bisschen aus den Augen verloren.", frage ich meine beste Freundin schließlich, nachdem in in den echt nicht so schlecht schmeckenden Kuchen gebissen habe. Sie seufzt kurz, bevor sie mir antwortet. „Ist alles ein bisschen kompliziert. Die ständige Frage nachdem, was ich mal werden will. Was machst du aus deinem Studium? Wo willst du mal leben? Mit wem? Und keine Ahnung, je häufiger mir diese Fragen, vor allem von meinen Eltern, gestellt werden, desto weniger Antworten fallen mir ein. Weißt du, ich wollte immer mal ins Ausland, so für ein Jahr mindestens, aber...irgendwie ist es dafür jetzt auch schon zu spät." Sie verstummt und auch mich trifft ihre berührende Antwort unerwartet. „Mensch Helene, du hast doch aber noch alle Zeit der Welt!" „Ja", sie lacht kurz auf, „das sagen viele, aber für mich fühlt es sich eher so an, als ob die Zeit davonrennt." Ich nicke verständnisvoll. „Weißt du, auch ich weiß nicht so recht was ich nach dem Kunststudium machen will. Ein Atelier eröffnen? Aber weißt du wie schwierig es ist, mit so etwas Geld zu verdienen? Deswegen, ich denke, die Zeit wird uns auch irgendwann zeigen, wo wir hingehören. Und ich bin mir gerade bei dir zu 100 Prozent sicher, dass du das findest, was dir Spaß macht." Ich schenke ihr eine kurze Umarmung.

Um die Stimmung wieder aufzuheitern zeige ich Helene viele Bilder von Island und meinen dortigen neuen Freunden.

„Julian und ich haben uns getrennt.", wirft Helene einfach so und urplötzlich ein, als ich ihr ein Bild von Yolanda und Finn zeige. „Wie?!" „Ja, wir sind beide glücklicher so. Wirklich." Sie lächelt und ich achte darauf, ob es auch ihre Augen erreicht. Das tut es. „Okay wow." Mehr kann ich dazu jetzt auch nicht mehr sagen, immerhin habe ich Julian schon immer als guten Freund wertgeschätzt.

„Du hilfst heute Abend an der Bar aus?", fragt Helene schließlich. Ich nicke. „Ich lad dich ein, wenn du willst, aber ich muss arbeiten, alsoo..." „Danke, aber ich gehe heute schon mit wem essen." „Mit Julians Ersatz?", frage ich vielleicht etwas dreist. Helenes lächelnd legt sich. „Nee, mit meiner Mutter." „Oh, okay." „Aber die nächsten Tage schaue ich gerne mal vorbei, um zu sehen, wie sich meine talentierte Barkeeperin so schlägt.", sie zwinkert mir freundlich zu.

Fast alles ist aufgefuttert und die Essensreste für spätere Zwecke eingepackt. Mittlerweile ist es schon später Nachmittag, Zeit für mich, um langsam den Heimweg anzutreten und mich für die Arbeit fertig zu machen.

Als wir die Picknickdecke zusammenlegen, packt mich meine Freundin sachte am Arm und zieht mich näher zu sich. „Richte mir liebe Grüße von Nico aus, falls du ihn die Tage siehst, okay?", sie spricht im Flüsterton und grinst über beide Ohren.

Und alles in mir.
Gefriert.

🌊RIDE ~ [Nico Santos FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt