Seelenjägerin

Black Lady

Silas

Meine Kehle brannte noch immer von dem farblosen Schnaps, der nach dickflüssigem Benzin schmeckte.
Ein Glas nach dem anderen hatte ich mir bereits in den Rachen gekippt, doch es half nichts.
Der Alkohol konnte mir weder Ruhe verschaffen, noch lenkte er meinen unruhigen Kopf von dem Gedanken ab, dass ich einer Mörderin half.

Die Bar füllte sich von Stunde zu Stunde mehr mit Sensenmänner. Die Black Lady war der einzige Ort, an dem wir alle zusammenkamen. Egal aus welchen Löchern diese Männer auch gekrochen kamen, hier hatten sie für ein paar Minuten einmal Ruhe von dem Ganzen Scheiß in der Unterwelt. Hier waren wir alle gleich. Arme, verkaufte Seelen, auf der Suche nach Erlösung, gefangen in einem ewig währenden Arbeitsverhältnis mit dem Herrn der Hölle persönlich.

Die Glocke über der Eingangstür bimmelte, als neue Gäste eintraten. Anhand der verschiedenen Stimmen musste es eine Gruppe junger Männer sein. Bevor ich noch einen Schluck von dieser ekelhaften Plörre in meinem Glas nahm, hielt ich inne. Ein seltsames Gefühl bahnte sich einen Weg in mein Bewusstsein. Es war, als durchlöcherte jemand meinen Rücken mit scharfen Blicken. Als ich mich jedoch umdrehen wollte, hörte ich schon eine vertraute Stimme meinen Namen rufen.

"Silas, mein Freund! Du lässt dich also auch Mal hier blicken." Langsam drehte ich mich auf meinem Hocker um, nur um in das grinsende Gesicht von Luke zu sehen. Tja, nicht alle Sensenmänner waren gleich. Die anderen Männer in der Runde bedachten mich mit einem leichten Nicken.

Ich kannte sie alle. Alle von ihnen waren Sensenmänner. Es war nicht schwer zwischen meinen Brüdern und normalen Gästen zu unterscheiden.

Eigentlich war ich nicht in der Stimmung für Gesellschaft, doch ich hatte Luke schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen. Bevor ich es überhaupt merkte, war ich schon auf dem Weg zu der kleinen Sitzecke und ließ mich auf dem freien Platz neben dem blond gelockten Kerl nieder. Bei den anderen ging ein einstimmiges Grummeln durch die Runde. Das war für sie schon Begrüßung genug.

Den üblichen Tratsch über die Arbeit tat ich mit kurzen Kommentaren und einem Nicken ab. Luke war der Typ Mensch, der stundenlang und ohne Pause vor sich hin plappern konnte. Er erzählte über einen Job, der ihn letzte Woche nach Vermont verfrachtet hat. Während er redete, hatte ich mir bereits ein zweites Bier bestellt. Wenn Luke einmal in Fahrt war, war es schwer ihn zu stoppen, doch das mochte ich an ihm. Er ließ sich nie stoppen, bis er seine Geschichte zu Ende erzählt hatte.

"Genug von mir", beendete er seine Story und lehnte sich über den Tisch zu mir. "Ich habe gehört, dass der Boss dir einen Spezialauftrag zugeteilt hat", raunte er mir in gedämpfter Stimme zu. In seinem Blick lag pure Neugierde.
Ich konnte es ihm auch nicht verdenken. Es kam nicht oft vor, dass einer von uns persönlich beim Teufel antanzen musste, um einen Job zu übernehmen. Wenn ich von Anfang an die ganze Geschichte dahinter gewusst hätte, wäre sicher einiges anders gekommen.

Ich nahm noch einen Schluck von meinem Bier, bevor ich antwortete. "Es gibt wie immer ein paar Seelen, die zurück in die Hölle gehören."
Mist. Noch im gleichen Moment als ich es ausgesprochen hatte, hätte ich mich verfluchen können. Damit hatte ich mehr Preis gegeben, als ich beabsichtigt hatte.

Der verwunderte Ausdruck auf Lukes Gesicht bestätigte nur, was ich bereits befürchtet hatte. "Zurück in die Hölle schicken? Heißt das sie sind schon Mal drin gewesen?"

Gott. Was hatte ich da nur losgetreten?
"Wie kann eine Seele denn aus der Hölle ausbrechen? Ist so etwas überhaupt schon einmal vorgekommen?" Das Entsetzen auf Lukes Gesicht war nicht zu übersehen. Zu meinem Leidwesen schaltete sich nun auch einer der anderen Sensenmänner mit ein.

"Ich hab auch schon davon gehört", erzählte der stämmige Kerl. "Irgend so ein Normalo soll einfach in die Hölle gestolpert sein und eine Seele befreit haben." Sofort schweiften meine Gedanken zu dem blonden Mädchen, dass mir noch vor einigen Tagen die wahre Geschichte hinter all dem anvertraut hatte.