30.

18 3 0
                                    


Erneut war der große Besprechungsraum hell erleuchtet.
Die Nacht war dunkel. Lediglich ein paar Sterne leuchteten strahlend am Firmament.
Die meisten Plätze an der langen Tafel waren bereits belegt. Immer wieder eilten Vampire in den Saal und nahmen den ihnen vorbestimmten Platz ein. Am Ende war nur noch ein einzelner Stuhl frei.
Unruhiges Gemurmel erhob sich an den Nachbarplätzen.
„Wo bleibt Fürst Yannik? Er ist doch sonst immer einer der Ersten?"
Fragend sah ein junger Vampir sein Gegenüber an. Dieser zuckte nur die Schultern.
„Er wird schon noch kommen, Haron. Und wenn nicht, wird er bestimmt einen guten Grund haben, um nicht an der Besprechung teilzunehmen."
Haron brummte unzufrieden. „Ich mache mir einfach Sorgen um ihn, Nurik. Du weißt, dass er mein Großonkel ist. Ich habe ihn seit heute Morgen nicht mehr gesehen. Und das, obwohl wir heute Mittag verabredet waren. Das passt einfach nicht zu ihm."
Nurik zuckte erneut die Schultern.
„Es wird schon alles einen Grund haben."
Langsam ließ Nurik den Blick über die Tafel gleiten.
„Ich denke, dass König Simon und Prinz Leon auch gleich kommen werden. Vielleicht hören wir ja von ihnen, wo Fürst Yannik ist und warum er nicht hier ist."
Harons Augen blitzten begeistert auf.
„Ich werde Simon am besten sogleich fragen."
Nurik zog kritisch die Augenbraue hoch.
„Wenn ich dir einen Rat geben darf: Tu es nicht. Warte einfach, bis unser König es selbst erzählt oder jemand anderes fragt. Du wirst damit auf jeden Fall besser fahren."
Haron schüttelte den Kopf. „Er ist MEIN Oheim. Ich habe ein Recht darauf, zu erfahren, wo er steckt. Simon muss es mir sagen."
Nurik seufzte leicht. „Dann tu, was du nicht lassen kannst. Aber beschwer dich später nicht, dass ich dich nicht gewarnt hätte. Außerdem solltest du ihm gegenüber mehr Respekt walten lassen."
„Ja, ja ...", winkte Haron ab. „Schon gut. Spiel dich nicht so auf. Ich weiß schon, wie ich mich verhalten muss."

Das Gespräch der beiden kam zu einem jähen Ende, als Linus an einen Gong trat und diesen anschlug.
Sofort kehrte Stille ein und alle wandten ihre Blicke dem Eingang zu.
„Erhebt Euch für König Simon und Prinz Leon", forderte der junge Mann die Vampire auf und wandte sich selbst der Tür zu.
Kaum, dass Simon den Raum betreten hatte, lief Haron auf diesen zu.
„Seid gegrüßt, mein König", begrüßte er den Monarchen mit einer übertrieben tiefen Verneigung.
Dieser hob skeptisch die Augenbraue hoch.
Haron ließ sich davon jedoch nicht beirren. „Ich habe eine dringende Frage an Euch, oh mein Herrscher."
In seinem Rücken schüttelte Nurik fassungslos den Kopf.
Ohne den jungen Fürsten zu beachten, schritten Simon und Leon auf ihre Plätze an der Stirnseite der Tafel zu.
Noch bevor sie diese erreichen konnten, lief Haron ihnen eilig nach und legte seine Hand auf die Schulter des Königs.
„So wartet doch, mein König. Ich habe ...", setzte er an, kam aber nicht weiter.
Blitzartig wandte Simon sich dem jungen Mann zu, griff seine Hand und drehte ihm den Arm auf den Rücken.
„Wagt es nicht, mich anzufassen. Ich habe Euch bereits beim ersten Mal gehört. Allerdings habe ich entschieden, hier und jetzt nicht darauf einzugehen. Es gibt weitaus Wichtigeres zu besprechen als das, was Ihr wissen wollt. Was auch immer das sein soll", wandte er sich drohend und kalt an den Fürsten.
Harons Augen blitzten verärgert auf. „Ich habe ein Recht darauf zu erfahren, wo mein Großonkel ist."
Fast schon amüsiert hob Simon die Augenbraue. „Ah. Daher weht also der Wind. Ich nehme an, Euer Oheim ist Yannik?"
Sofort nickte der junge Fürst eifrig. „Genau, Hoheit. Fürst Yannik. Wo ist er? Habt Ihr ihn auf eine Sondermission geschickt?"
Simon lachte trocken auf. „So könnte man es auch nennen. Nein. Er ist auf keiner Sondermission. Setzt Euch oder ich sorge dafür, dass ihr ihm in Kürze Gesellschaft leisten könnt."
Harons Augen weiteten sich, doch er machte keine Anstalten, auf seinen Platz zurückzukehren.
„WO IST MEIN ONKEL?", hakte er erneut lautstark nach und baute sich drohend vor Simon auf.
Für einen Moment ließ dieser den Blick über die restlichen Fürsten gleiten. Fassungslose Blicke sahen ihm entgegen.
Schließlich zuckte er die Schultern.
„Euer Onkel sitzt im Kerker, da ..." Er kam nicht weiter. Mit einem wütenden Aufschrei griff Haron ihn an.
Sofort sprangen Levin und Nurik auf, packten den jungen Fürsten am Arm und drängten ihn auf die Knie.
Fragend sahen sie zu ihrem Herrscher, ob dieser weitere Befehle für sie hatte.
Wütend blickte Haron zu Nurik. „Ich dachte, Ihr wärt mein Freund. Und jetzt fallt Ihr mir in den Rücken."
Nurik zuckte die Achseln. „Ich hatte Euch gewarnt. Ihr habt Euch Eure Situation selbst zuzuschreiben."
Unterdessen wandte Leon sich an Linus. „Hol bitte Baran. Fürst Haron möchte seinem Onkel gerne Gesellschaft im Kerker leisten."

Die Julius Chroniken - Teil 1: Die ProphezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt