Wir sitzen im Auto. Es ist Stau auf der Autobahn. Das heißt, wir sind spät dran. Meine Mutter flucht. Sie schlägt auf das Lenkrad und bettet bei Gott um Erlösung. Wieder und wieder fragt sie nach dem Arschloch der das hier verursacht. Verpassen wir unseren Flug, kommen wir zu spät in Amerika an und ich verpasse die ersten Tage der Ferien. Eigentlich würde die Schule in den USA sofort weiter gehen, doch meine Mutter hat mir die sechs Wochen Sommerferien klar gemacht. Obwohl ich nicht weiß, was ich in diesen Wochen machen soll, freue ich mich auf die Zeit, in der ich mich einleben kann. Wir fahren mal hier, mal da hin. Eine Woche werden wir in New York sein. Das heißt fünf Wochen habe ich ganz für mich.
Der Stau löst sich langsam. Nach drei weiteren Gottesanbetungen und einer guten viertel Stunde Wartezeit, sind wir wieder in flüssigem Verkehr. "Na endlich", schnauft meine Mutter durch. Ich sehe sie an und ihre glatten schwarzen Haare sind durchgewuschelt. Ich grinse und stecke meine Kopfhörer in mein Handy. Ich schalte das Beste ein, was ich auf meinem Handy finden kann.
Wieder und wieder fliegen wir durch Turbulenzen. Mir ist schlecht und ich muss mich bemühen, mich nicht zu übergeben. Ich nehme mir meine Kopfhörer und schließe sie an mein Mac an. Ich habe mir, bevor wir losgefahren sind, noch einen Film abgespeichert. Ich schalte den Film an, doch halte nicht lange aus, denn ich schlafe ein. Als ich wieder aufwache, sind wir kurz vor dem Landeanflug. "Schatz, wir sind gleich Zuhause", sagt meine Mutter aufgeregt. "Mom erstens sollst du mich nicht Schatz nennen und zweitens. Sind wir umgedreht?". Sie kichert, nimmt sich meinen Kopf zwischen ihre Hände. "Nein, SCHATZ. Wir landen gleich". Neckend sieht sie mich an, grinst mir frech ins Gesicht. Ich erwidere ihr Grinsen.
Nach endlosen Checks sind wir endlich aus dem Flughafen heraus. Die Polizisten hier sind gar nicht so, wie es alle sagen. Sie sind freundlich und total hilfsbereit. "Wo ist dein Vater?", flucht meine Mutter. Es scheint ihre neue Lieblingsbeschäftigung zu sein. "Mom, beruhig dich". Langsam spazieren wir über den Parkplatz. Hupend kommt mein Vater vor uns gefahren, lächelt uns an und winkt uns zu sich. Nachdem wir die Taschen in das eingeräumt und uns in den Wagen gesetzt haben, fängt das Geschnulze meiner Eltern wieder an. Sie benutzen die peinlichsten Kosenamen, küssen sich immer und immer wieder und reden wie Kleinkinder, die das Sprechen nicht richtig und erst seit kurzen erlernt haben. "Dad? WARUM fliegen wir morgen nach New York. Können wir nicht erstmal richtig ankommen?". Mein Vater sieht in den Rückspiegel, während er den Wagen anstellt und losfährt. "Ich habe Meetings. Und ich dachte mir, dass es vielleicht schön wäre, sich das Land ein wenig anzuschauen". Nickend beende ich das Gespräch, stecke mir meine Kopfhörer in die Ohren und schalte meine Musik an. Ich bin so kaputt, dass ich innerhalb weniger Minuten einschlafe.
"Schatz. Aufwachen. Wir sind sind Zuhause". Ein Rütteln weckt mich. Ich sehe mich um. Wir sind in Bloomington. Der Stadt, in der ich absofort leben werde. Es ist schon dunkel. Wie lange sind wir gefahren? Die Lichter der Straße erleuchten die Häuser und geben einen Überblick über das typische amerikanische Bauwesen. "Ich geh schlafen", plappere ich verschlafen vor mich hin. Meine Mutter nickt und steigt aus dem Wagen. Ich tue es ihr gleich. Mein Vater steht am Kofferraum und lädt die Koffer aus. "Hilfst du mir?", er lächelt mir entgegen. Ich habe kein so gutes Verhältnis zu meinem Vater. Vielleicht liegt es daran, dass er früher meine Mutter schlug und viel getrunken hat, oder, weil er mir das alles hier antut. "Ich nehme meine Koffer. Ich möchte jetzt schlafen gehen, wenn das okay ist". Er nickt, lächelt mich traurig an, geht auf mich zu und drückt mir meine Koffer in die Hand. Es sind zwei mittelgroße Rollkoffer. "Gute Nacht", er streicht mit seiner Hand über meinen Oberarm. Wieso macht er das? Will er mir so zeigen, dass es ihm leid tut. "Achso, was für Meetings hast du in New York? ", ich drehe mich um und sehe, wie er seinen Kopf aus dem Kofferraum hochschnellen lässt. "Wir bringen ein neues Produkt auf den Markt. Wir müssen über die Finanzierung und alles sprechen". Mein Vater erfinden mit einer Firma immer wieder neue und unnötige Produkte, die kein Mensch braucht und die total überteuert sind. Trotzdem kommen sie gut an. Er dreht sich von mir weg und ich gehe zum Haus. "Schatz?", ruft meine Mutter aus der Küche. "Mom?", ich hasse es übrigens immer noch. "Oben sind mehrere Zimmer. Such dir eins aus". Wie groß ist dieses Haus? Ich weiß zwar, dass wir in sehr guten Verhältnissen leben und mein Vater gut verdient, aber das wir uns so etwas leisten können, war mir noch nicht klar. Ich steige die Treppe hinauf, die sich neben der Eingangstür befindet. Oben angekommen sehe ich den riesigen Gang und die vielen Türen, die sich an den Wänden befinden. Ich gehe durch den Gang und öffne jede Tür. Im letzten Raum bleibe ich stehen. Ein großes Fenster imponiert. Es geht vom Boden bis zur Decke und lässt viel Licht herein. Ein eigenes Badezimmer habe ich auch. Ich werfe meine Koffer ab, lege mich, nachdem ich mich bettfertig gemacht habe, in mein Bett und schlafe kurze Zeit später ein.
Der Duft frischer Croissants und warmen Kaffee weckt mich. Meine Augen öffnen sich langsam und schauen direkt zum Fenster. Es ist schönes Wetter und das Schauspiel der aufgehenden Sonne wird mir zuteil. Nur widerwillig krieche ich aus meinem Bett in das Badezimmer. Ich schlafe in Boxershorts und Shirt. Meine Arme haben diese knittrigen Falten und auch das Shirt sieht nicht gerade wie neu aus. Ich sehe in den Spiegel und sehe einen übermüdeten Menschen, der Probleme mit der Zeitverschiebung hat. Ich ziehe mich aus, stelle mich unter die Dusche und lasse mich von der wärmenden Flüssigkeit berauschen. Ich schließe die Augen, seife mich gründlich ein und lausche dem Gezwitscher, welches durch das kleine Fenster neben der Dusche dringt. Heute werden wir nach New York fliegen. Einen Tag nach dem wir hier in Bloomington angekommen sind. Ich steige aus der Dusche, binde mir ein Handtuch um die Hüfte und gehe in mein Zimmer. Ich öffne den Koffer, der noch genauso da liegt, wie ich ihn fallen gelassen habe. Schnell wühle ich durch die Haufen und finde schließlich einen grauen Pullover, der mir total zusagt. Dazu ziehe ich weiße Schuhe und eine normale Jeans an. Schnell schlüpfe ich in meine Sachen und gehe in Richtung Küche. Zumindest in die Richtung, in der ich denke, in der sich die Küche befindet. Schließlich stehe ich im Wohnzimmer und sehe meine Eltern am Esstisch sitzen uns frühstücken. "Guten morgen, Junior", mein Vater nippt an seinem heißen Kaffee. Seine Augen haben einen blitzenden Ausdruck. Einen Ausdruck, der so lieblich ist. Er scheint sich sehr zu freuen. Wieso haben alle diese abnormal peinlichen Kosenamen für mich? "Schmeckt's?", frage ich um dem Namen auszuweichen. Meine Mutter nickt. "Setz dich doch zu uns", fordert mich mein Vater auf und zeigt auf den Platz neben sich. Ich setze mich und stibitze mir das Messer meiner Mutter und greife zu den Croissants. Sie sind so weich, dass ich sie gleich so esse. "Und heute geht es also nach New York?", ich sehe meine Mutter erwartungsvoll an. Erwartungsvoll auch nur, weil ich hoffe, dass sie absagt. Sie nickt. "Koffer sind gepackt?". Jetzt nicke ich. Ich nehme einfach die Koffer, die ich gestern auch schon hatte. "Wann fliegen wir?", ich sehe jetzt meinen Vater an. Er zuckt mit den Achseln. "Wir können in einer Stunde fliegen oder auch erst heute Abend. Das ist uns überlassen", wieder nimmt er sich einen Schluck des heißen Kaffees. Meine Mutter schlägt einen Flug in zwei Stunden vor und wir einigen uns, dass wir um zwölf von uns aus losfahren. Wir haben es halb zwölf und ich möchte mich noch fertig machen und ein wenig umsehen. Ich befürchte jedoch, dass es nicht dazu kommen wird.
Wieder sitze ich in einem Flieger. Und wieder haben wir Toleranzen, die das Flugzeug zum auf und ab wackeln bringen. "Wir sind in zehn Minuten da, alles gut". Meine Mutter beruhigt mich. Ich nicke und lege meinen Kopf in den Nacken. Im Augenwinkel sehe ich, wie sich meine Eltern küssen. Selbst hier müssen sie turteln. Muss das sein?
DU LIEST GERADE
Something new
FanfictionJosh, ein Junge mit normalen Problemen, normalem Leben und normalem Umfeld, wandert mit seiner Familie aus. Bevor er jedoch geht, verabschiedet er sich bei seinen Freunden, Klassenkameraden und vor allen bei Charlie, die er schon lange gern hat. In...