04. Kapitel

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Die nächsten Tage sind ein einziger Widerspruch in sich selbst. Sie fliegen rasend schnell an mir vorbei, und sind dann doch in Zeitlupe.

Durch die Arbeit habe ich alle Hände voll zu tun und kaum Zeit, an irgendetwas anderes zu denken als an Paragraphen, Akten, meine Mandanten, Verteidigungen zu schreiben und neue Beweise zu fischen. Aber sobald ich auch nur eine ruhige Minute habe, schweifen meine Gedanken sofort zu.. naja.. zu Joel.

Ich sollte ihn dafür verklagen, dass er mir mit seinem grumpy Charme und einem Gesicht, das von den Engeln selbst gezeichnet sein könnte, nicht mehr aus dem Kopf geht.

Meine Home-Office-Zeit neigt sich dem Ende zu und ich bin gerade auf dem Weg zur Firma um einen neuen Antrag zu stellen, als mein Handy vibriert. Ich ziehe es aus meiner Tasche im Kleid und denke für einen kurzen Moment gemervt, dass mir Jackson wieder einmal geschrieben hat.. da muss ich mich schon direkt zusammenreißen, und nicht hysterisch anfangen zu lachen.

J: >> Adeline, die ersten Entwürfe sind fertig. Bin gespannt auf deine Meinung. Hast du dich schon für ein Holz entschieden? <<

Ich weiche einer Laterne auf dem Weg aus und meine Schritte sind trotz der brutalen High Heels plötzlich federleicht. Der Asphalt könnte sich genauso gut in Wolken verwandelt haben.

Ich lade die drei Bilder runter, kann aber nicht anders, als zu allererst sein Profilbild anzusehen. Wieso bin ich die ganze Zeit über nicht vorher auf die Idee gekommen?

Auf dem Foto ist Joel im Seitenprofil zu sehen. Mein Blick bleibt, länger als ich es zugeben würde, auf seinem Gesicht hängen, bis ich schließlich seine definierten Oberarme anstarre.

Ach du Scheiße.

Mein Bauch kribbelt ganz eigenartig und ich muss meine ganze Stärke aufbringen, um wieder zum Chat zurückzukehren und mir die gezeichneten Entwürfe anzuschauen

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Mein Bauch kribbelt ganz eigenartig und ich muss meine ganze Stärke aufbringen, um wieder zum Chat zurückzukehren und mir die gezeichneten Entwürfe anzuschauen.

A: >> Der zweite Entwurf gefällt mir. Was würdest du als Mann vom Fach für Holz empfehlen? <<

Er scheint auf unserem Chat geblieben zu sein, weil die Häkchen sofort blau werden und er nach wenigen Sekunden schon anfängt zu schreiben.

J: >> Ahorn würde am besten passen. Was gefällt dir an den anderen beiden Entwürfen nicht? <<

A: >> Ich mag zwar florale Muster, aber ich denke es ist besser, wenn die Treppe möglichst schlicht bleibt - so wie die alte auch war. Ich habe keine Lust, dass mir der Vermieter vielleicht Stress macht, wenn ich irgendwann ausziehe. <<

In dem Moment, in dem ich auf 'Senden' klicke, stoße ich gegen irgendetwas. Nein, etwas rennt in mich hinein.

Ich taumle einen Schritt zurück und hebe den Blick von meinem Display, noch während ich hilfesuchend mit den Armen rudere und versuche, mein Gleichgewicht wiederzufinden.

,,Sarah!", höre ich jemanden rufen und dann geht alles ganz schnell: Ich sehe ein kleines, bezauberndes Mädchen, das mich offensichtlich genauso übersehen hat, wie ich sie. Sie sitzt auf ihrem Hintern und schaut erschrocken zu mir hoch, als auch schon ein Mann ganz knapp hinter ihr auftaucht. Seine Hände greifen nach mir und ziehen mich dicht an ihn, sodass ich haarscharf an einem Sturz vorbeischlittere.

Ich keuche überrascht, als ich zwar nicht auf dem Boden lande, aber dafür gegen eine harte Brust gezogen werde.

,,Oh man, ganz schön knapp. Geht es dir gut?", fragt der Fremde.

,,J-Ja. Danke", erwidere ich langsam und weiche von dem Mann zurück. Nach einem zweiten schnellen Blick schürze ich nachdenklich die Lippen. Irgendwoher kommt mir der Mann bekannt vor.

,,Sarah, darüber werden wir zuhause nochmal reden", tadelt der Unbekannte seine - augenscheinlich - Tochter.

,,Das war nicht ihre Schuld", sage ich sofort, zwinkere dem Engelchen zu und strecke ihr meine Hand entgegen. Sie lächelt unsicher und nimmt meine Hand, um sich wieder auf die Beine zu ziehen. ,,Ich hätte besser aufpassen müssen, aber ich war abgelenkt von-.." Scheiße, wo ist mein Handy?

Ich taste mich hastig ab und stöhne genervt, als ich mein Handy auf dem Gehweg liegen sehe. Aber der Mann ist schneller als ich, greift danach und reibt das Display an seinem T-Shirt sauber.

,,Nochmal Glück gehabt, es scheint keinen einzigen Kratzer abbekommen zu haben", meint er mit einem süffisanten Grinsen. ,,So wie du, aber deiner Schönheit würde selbst das keinen Abbruch tun."

Mir steigt die Röte ins Gesicht und ich lache unsicher. ,,Danke, aber ich sollte jetzt weiter."

,,Na klar, nur einen Moment." Er wischt auf meinem Display herum und eigentlich sollte ich ihm mein Handy sofort aus der Hand reißen, aber eine geheime Kraft hält mich davon ab. ,,Ich speichere nur schnell meine Nummer ab. Falls ich für die Kosten der Reinigung aufkommen soll, zum Beispiel."

Sein offenes Grinsen und sein Flirtverhalten lassen darauf schließen, dass er selten von Frauen zurückgewiesen wird und ein kleiner Teil in mir kann das sogar verstehen.

Seine Augen sind genauso dunkel wie sein Haar; fast schon schwarz. Er ist groß und athletisch und hat zudem eine so niedliche Tochter, dass man automatisch davon ausgeht, dass er ein Herz aus Gold haben muss.. Aber ich spüre nicht den geringsten Funken, der mich meine Beine für ihn spreizen lassen würde.

Aber wer weiß, vielleicht taugt er auch einfach nur als angenehme Gesellschaft?

,,Entschuldigung, dass ich Sie umgerannt habe", sagt Sarah plötzlich leise und ich knie mich vor sie. Sie geht mir zwar schon fast selbst zur Brust, weil ich nicht die Größte bin, aber ich kann mich gut daran erinnern, wie einschüchternd es als Kind war, wenn ein Erwachsener einen überragt hat. Und wenn man dazu noch einen Fehler begangen hat, war es gleich doppelt so schlimm.

,,Ach Süße, es ist doch nichts passiert. Mach dir keine Sorgen, ja?"

,,Aber ich hätte besser aufpassen sollen, tut mir sooo leid! Ich war nur so aufgeregt, weil wir zum Park gehen", sie deutet neben uns - dort ist ein kleiner, gepflegter Park, den ich auf meinem Arbeitsweg immer durchquere.

,,Du heißt Sarah, stimmt's?" Sie nickt bedröppelt. ,,Schöner Name, Sarah. Sieh mal, jeder macht mal Fehler. Es ist nett, dass du dich entschuldigst - das zeigt, dass du ein sehr rücksichtsvolles Mädchen bist. Beim nächsten Mal passt du einfach ein bisschen besser auf den Weg vor dir auf, okay?"

,,Okay", stimmt sie entschlossen zu und kurz darauf erscheint wieder ein fröhliches Lächeln in ihrem Gesicht. ,,Wie heißt du denn überhaupt?"

,,Ich heiße Adeline, aber du darfst mich gerne Addie nennen."

,,Danke, dass du mir nicht böse bist, Addie", sagt sie und mein Herz füllt sich mit so viel Zuneigung, dass ich herzhaft lachen muss.

,,Nichts zu danken, liebe Sarah. Und jetzt muss ich leider wirklich weiter." Ich stehe wieder auf und streiche mir mein Sommerkleid glatt.

Der Mann hält mir mein Handy hin, und Sarah sagt enthusiastisch:,,Lass uns mal zusammen in den Park gehen und etwas spielen, Addie!"

Ich nehme mein Handy wieder in die Hand, doch bevor ich etwas sagen kann, meldet sich der Mann zu Wort:,,Das klingt nach einer tollen Idee. Adeline, du kannst dich jederzeit bei mir melden. Dann können wir uns verabreden; das würde Sarah sehr freuen." Er hebt bedeutungsvoll die Augenbrauen und schenkt mir ein einnehmendes Lächeln.

,,Klar doch. Wir sehen uns!" Ich nehme meinen Weg wieder auf und schließe nach einem kurzen Blick in mein Kontaktbuch alle Apps. Er hat nicht gelogen und seine Nummer wirklich eingespeichert.

Sein Name ist Tommy.

the fire within usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt