15. Kapitel

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Zeitsprung - 10 Tage später

Joel und ich haben immer noch nicht miteinander geschlafen und allmählich drehe ich durch. Ich musste schon zwei Mal die Batterien an meinem kleinen Vibrator wechseln, weil ich ansonsten bald eine Sehnenscheidenentzündung bekommen hätte.

Wir haben uns jeden Abend getroffen. Ich bin Joel inzwischen psychisch so nahe, wie noch keinem Menschen vorher. Und jeden Abend, wenn wir uns voneinander verabschiedet haben, bin ich fast gestorben. Das einzige, das von ihm in mir war, ist seine Zunge. In meinem Mund, nicht in meiner Pussy.

Um diesen starken, sexuellen Trieb zu dämpfen und meinen Vibrator ein wenig zu schonen, habe ich mich kopfüber in meine Arbeit gestürzt. Ich saß stundenlang an Tommys Fall und habe haufenweise Zeugen vernommen. Bis ich auf eine Goldader gestoßen bin und mir ein Kollege von Tommy den Tipp gegeben hat, ich solle mal mit der Frau seines Kollegen sprechen. Die Frau wiederum - Mrs. Walsh -, möchte die Scheidung von Tommys Kollegen.

Mrs. Walsh gestand mir von ihrer Affäre mit dem Mordopfer. Mehr wollte sie mir nicht sagen, aber sie gab mir die Telefonnummer von einem Detektiv; Mr. Jay.

Und Mr. Jay lieferte mir bereitwillig alles, was ich brauchte, um Tommys Unschuld beweisen zu können.

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,,Erinnern Sie sich daran, dass Sie geschworen haben, die Wahrheit zu sagen, Mr. Walsh." Meine Stimme ist so schneidend wie ein Eiszapfen, als sie durch den Gerichtssaal hallt. ,,Kannten Sie den Mann, der das fertige Haus beziehen sollte? Den Eigentümer?"

Ein Muskel in Mr. Walshs Wange zuckt. Er hat mit Tommy und ein paar anderen zusammen das Haus fertig gebaut, bei dem absichtlich das Dach so verpfuscht wurde, dass es nach einer gewissen Zeit einfach einstürzen musste.

,,Einspruch, Euer Ehren!"

,,Mit welcher Begründung?", fragt die Richterin genervt. Das ist bereits der neunte Einspruch, seitdem ich Mr. Walsh vernehme.

,,Einschüchterung", zieht sie sich aus dem Hut und klingt dabei alles andere als sicher.

,,Abgelehnt. Antworten Sie, Mr. Walsh."

,,Nein." Seine Stimme trieft vor Unsicherheit und ich muss mein siegessicheres Lächeln hinter einer kühlen Fassade verbergen.

Ich stolziere an den Tisch, an dem Tommy in einem Anzug sitzt. Joel sitzt ebenfalls im Gerichtssaal, aber ich konnte ihn noch nicht ausfindig machen.

Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung nehme ich eine graue Mappe vom Tisch und zwinkere Tommy zu. Dann klappe ich die Mappe auf und verteile jeweils eins der Blätter an die Anklageseite, die Richterin und Mr. Walsh selbst.

,,Wenn Sie ihn nicht kannten, Mr. Walsh, wie kommt es dann, dass Sie wenige Wochen vor seinem Tod einen Detektiv beauftragt haben, ihm und Ihrer Frau hinterher zu schnüffeln?"

Die Richterin überfliegt das Dokument, auf dem eindeutige E-Mails mit einem zweiten Account von Mr. Walsh hinterlegt sind, sowie große Summen an Geld, die von einem separaten Fonds abgehoben wurden.

,,Einspruch, Euer Ehren. Diese Dokumente hätten uns vorher gegeben werden müssen!"

,,Ich habe sie selbst eben erst von einer anonymen Quelle erhalten, Euer Ehren", verteidige ich mich. Die dreiste Lüge kommt mir ohne Schwierigkeiten über die Lippen.

Ein weiteres Mal liest die alte Richterin die E-Mails und schüttelt kaum merklich und mit einem ganz dezent spöttischen Grinsen den Kopf.

,,Abgelehnt."

,,Mr. Walsh?", frage ich ruhig. ,,Soll ich meine Frage wiederholen?"

Er starrt auf das Dokument und ballt seine Hände zu Fäusten, bevor er mich wieder anstarrt und ein tödliches Funkeln in seinen Augen steht.

Ich bemerke aus den Augenwinkeln eine Bewegung und sehe, dass Joel sich aus der ganzen Masse an Zuschauern aufgerichtet hat.

Mein Beschützer, denke ich mit einem warmen Gefühl in der Brust.

Dann konzentriere ich mich wieder darauf, Tommy hier heraus zu holen.

,,Sie haben geahnt, dass Ihre Frau Sie betrügt, Mr. Walsh. War es nicht so? Sie wollten wissen, wer der Kerl ist, mit dem sie sich jedes Mal traf, wenn sie Ihnen erzählte, sie würde zum Schwimmen gehen. Sie nahmen Kontakt mit Mr. Jay auf, einem amateurhaften Detektiv, der Ihnen nach weniger Zeit die Beweise für die Untreue Ihrer Frau lieferte."

Mr. Walsh wird ganz rot im Gesicht und ich sehe eine Ader in seiner Schläfe pochen.

,,Und dann übermannten Sie die Gefühle. Zehn Jahre haben Sie ihr gegeben - für nichts. Als die Firma den Auftrag für das Haus des Mannes bekam, der ohnehin bereits auf Ihrer Roten Liste stand, haben Sie das als Schicksal angesehen. Als Ihre perfekte Rache."

Ich beende meine Rede und verschränke die Arme vor der Brust. Im Saal ist es so still, dass man eine Stecknadel fallen hören würde.

,,Habe ich Recht?", frage ich sanft, aber bestimmend und halte dem giftigen Blick stand.

,,Die Schlampe hätte es genauso erwischen sollen", faucht er dann zornerfüllt.

Und dann geht das Blitzlichtgewitter der Presse los.

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,,Scheiße, du warst fantastisch!", ruft Tommy, als wir aus dem Saal gehen und die Menge hinter uns lassen.

Ich drehe mich um und suche Joel, da zieht Tommy mich plötzlich in seine Arme, hebt mich an der Taille hoch und wirbelt uns lachend im Kreis.

,,Einfach fantastisch!", ruft er immer wieder und ich kichere langsam auch, weil der ganze Stress der letzten Tage von mir abfällt.

Hätte ich diesen Fall nicht gewonnen, hätte ich nicht einfach nur einen Fall verloren. Ich hätte dabei versagt, Joels Bruder vor dem Knast zu bewahren und das hätte ich mir nie verzeihen können.

,,Tommy", sagt Joel plötzlich warnend und Tommy bleibt ruckartig stehen und lässt mich wieder auf den Boden. Joel klopft seinem Bruder auf den Rücken und meint sicher:,,Ich wusste, dass du unschuldig bist."

Tommy grinst von einem zum anderem Ohr und Joel beugt sich vor, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben. Als seine Lippen dann aber dicht an meinem Ohr schweben, flüstert er:,,Du warst atemberaubend, Kleines."

,,Danke", erwidere ich und erröte leicht.

,,Deine Kleine ist tougher, als sie aussieht, Kumpel", seufzt Tommy wehmütig. ,,Ich habe noch nie eine so krasse Anwältin gesehen."

,,Ach ihr", sage ich und verdrehe grinsend die Augen.

Joel fasst meine Hand und wir verschränken unsere Finger miteinander, während wir das Gebäude hinter uns lassen.

Bevor wir allerdings zu Joel nach Hause fahren, sage ich ihm:,,Ihr könnt schon mal fahren, ich komme nach. Ich habe noch eine Kleinigkeit zu erledigen."

Ich mache mich mit einem seltsam kribbeligem Gefühl auf den Weg zu meiner Anwaltskanzlei.

Der Fall ist erst seit wenigen Minuten abgeschlossen und ich habe bereits eine Nachricht von Mr. Sanchez auf meinem Handy, wegen seines versprochenen Angebots.

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