10. Kapitel

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Mit dem Kaffee in der Hand greife ich zu meinem Handy und nippe vorsichtig an der dampfenden Flüssigkeit. Ich bin bereits fertig für die Arbeit und werde in ein paar Minuten loslaufen, sobald ich die erste Dosis meines Lebenselixiers getrunken habe.

Der Kaffee bleibt mir fast in der Kehle stecken, als ich den Chat mit Joel öffne und seine neue Nachricht von gestern Nacht lese.

J: >> Ich habe gerade unter der Dusche an dich gedacht. <<

Mir wird schlagartig so heiß, dass der frische Kaffee eher eine Abkühlung für meinen Körper ist.

Ich lege den Kopf schief und grinse leicht. Ich hätte nicht gedacht, dass Joel der Typ für Dirty Talk ist - vor allem nicht über's Handy. Aber er steckt voller Überraschungen und ich freue mich sehr darauf, alles in und an ihm zu erkunden.

A: >> Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich bereits an dich gedacht habe, wenn ich den Arbeitsstress vergessen habe, ;) <<

Joel ist online und die Häkchen werden sofort blau. Mein Grinsen wird immer breiter, als ich sehe, wie er anfängt zu schreiben, es dann wieder löscht, ein paar Sekunden nichts passiert und er dann wieder schreibt.

Ich kippe mir die Hälfte des Kaffees runter und warte ungeduldig auf seine Nachricht..

J: >> Adeline, du bringst mich noch um. <<

Ha! Ich gluckse amüsiert und lache leise.

A: >> Bitte nicht, ich brauche dich noch. :) <<

J: >> :D <<

Das ist der erste Smiley, den ich von Joel bekomme und ich lache erneut, weil ich mir vorstelle, wie er sprachlos sein Handy anstarrt und das die einzige Reaktion ist, zu der er gerade imstande ist.

Jetzt wo ich weiß, dass Joel auch an mir Interesse hat, fühle ich mich viel selbstsicherer im Umgang mit ihm. Obwohl sein Alter mich noch ein bisschen einschüchtert, weil er sicherlich schon sehr viel Erfahrung hat, macht es mich gleichzeitig auch an.

Und die Zuneigung, die ich ihm gegenüber bereits empfinde, überwiegt jede Unsicherheit.

Ich stelle die Tasse in den Geschirrspüler und schnappe mir meine Tasche. Dann mache ich mich auf den Weg ins Büro.

Als ich an dem Park vorbeilaufe, in dem ich kürzlich Tommy und Sarah kennengelernt habe, beschleicht mich ein leises Déjà-vu. Tommy und Sarah kommen mir nämlich gerade entgegen und Sarah hüpft aufgeregt auf mich zu, als sie mich erkennt.

,,Addie!", ruft sie freudig und rennt Tommy davon.

,,Hey, Sarah!", rufe ich zurück und gebe ihr ein High-Five, als sie mühevoll vor mir abbremst und ihre Hand hochstreckt.

,,Sieh mal einer an", sagt Tommy und grinst breit. ,,Es scheint sich auszuzahlen, dass wir jeden Tag zur selben Uhrzeit hierher kommen, oder, Sarah?"

Ich pruste kurz und schüttle grinsend den Kopf.

Tommy hebt abwehrend die Hände und zuckt mit den Schultern. ,,Na, so hast du zumindest keine Möglichkeit, uns abzusagen."

,,Das ist nicht ganz richtig, immerhin muss ich zur Arbeit", korrigiere ich ihn und hebe eine Augenbraue.

,,Können wir nicht ganz kurz zusammen spielen?", fragt Sarah so süß, dass ich mich sofort geschlagen gebe. Ein paar Minuten zu spät zu kommen, kann ich mir bestimmt erlauben.

,,Na schön, Süße. Was willst du denn spielen?" Ich mustere sie und Tommy kurz - keiner von beiden hat Spielsachen dabei - keine Puppen, keinen Fußball, keine Kreide.

,,Lass uns im Park Fangen spielen!", schlägt sie vor und grinst aufgeregt.

Ich schaue zweifelnd an mir herunter. Ich trage zwar heute nicht mein teuerstes Outfit, aber dafür wie immer High Heels.

,,Bitteee", versucht Sarah mich zu überreden, weil sie meine Unentschlossenheit bemerkt hat.

Tommy beobachtet mich mit einem heimtückischen Grinsen. ,,Kinder eben", erklärt er knapp.

,,Okay", stimme ich dann spontan zu und schlüpfe aus meinen High Heels. Ich drücke sie dem plötzlich überforderten Tommy in die Hände. ,,Pass mal bitte kurz darauf auf, ja?"

Keine Ahnung, woher meine ausgelassene Stimmung auf einmal kommt. Ob das an Joel liegt? Durch ihn fühle ich mich lebendig, als hätte ich über zwei Jahrzehnte nur existiert und würde plötzlich sehr viel mehr von der Welt und meinen Gefühlen mitkriegen, als bisher. Ich sehe die Schönheit in den winzigsten Dingen; wie vorhin, als die ersten Sonnenstrahlen in meine Wohnung fielen und die kleinen Staubpartikel in der Luft in Kristalle verwandelten.

Sarah und ich toben mindestens eine Viertelstunde durch den Park und das weiche Gras unter meinen Füßen lässt mich ein ums andere Mal unerwartet lachen. Sie ist ein niedliches Mädchen und scheint völlig sorgenfrei zu sein. Ein leiser Gedanke in meinem Hinterkopf fragt sich, wie der Frauenheld Tommy ein so kluges und empathisches Mädchen großziehen kann.. Aber ich verwerfe diesen Gedanken schnell wieder, weil mich das nichts angeht.

Als wir schließlich verschwitzt aber glücklich zu Tommy zurückkehren, der uns vom Parkrand aus zugeschaut hat, ich in meine High Heels schlüpfe und er uns grinsend sein Handy vors Gesicht hält, muss ich wieder kopfschüttelnd lachen.

Er hat Sarah fotografiert und hier und da bin ich auch auf den Bildern zu sehen. Mein losgelöstes Lachen lässt mich leicht erschaudern. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so ehrlich auf einem Foto gelacht habe - durch meinen Beruf habe ich selten Grund, wirklich zu lächeln, weil ich teilweise echte Schweine verteidigen muss. Da reicht die Palette von Dieben zu Drogendealer und sogar Mördern. Auf den Pressefotos muss ich entsprechend immer eine kühle, unvoreingenommene Fassade tragen.

,,Die Fotos sind süß, schickst du sie mir?", frage ich ihn und denke daran, sie Joel zu zeigen, wenn wir uns demnächst wieder sehen. Ich würde ihm gerne zeigen, wie gut ich mit Kindern umgehen kann, immerhin ist er selbst ein liebevoller Vater und würde das bestimmt zu schätzen wissen..

,,Sicher, Addie", stimmt Tommy zu. ,,Ich melde mich auch nochmal wegen einem Treffen."

Ich muss mich beherrschen, nicht mit den Augen zu rollen und nicke. ,,Super, ich muss jetzt wirklich gehen. Wir sehen uns, liebe Sarah!" Ich hauche ihr einen Luftkuss zu und sie versucht, mir zu zuzwinkern, wobei sie einfach mit beiden Augen blinzelt.

the fire within usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt