XXIII. Lucky Punch

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Gigis angekündigte gute Neuigkeiten lassen auch fast eine Woche später noch auf sich warten. Mittlerweile glaube ich, dass er das nur so daher gesagt hat, um etwas Zeit zu gewinnen und mich vorübergehend ruhig zu stellen. Ich wage es nicht, mich bei ihm zu melden und vorsichtig nachzufragen, weil ich ihn weder nerven, noch bei der Arbeit stören will. Wer weiß, ob er nicht doch gerade in irgendwelchen wichtigen Verhandlungen steckt.

Obwohl diese Ungewissheit nur schwer zu ertragen ist, versuche ich, das Beste aus der Situation zu machen und mich abzulenken. Dabei kann ich zum Glück auf die Unterstützung meiner Freunde zählen. Heute kommen sie mich erstmals alle gemeinsam in Knarvik besuchen – Lasse, Rikard und natürlich Ingrid.

Dass ich Letztere eingeladen habe, entpuppt sich jedoch schnell als Fehler, denn sobald Ingrid die süßen Katzenbabys entdeckt, bin ich bei ihr komplett abgemeldet.

Neidisch muss ich mitansehen, wie sie die Kätzchen streichelt und dabei aus dem Strahlen gar nicht mehr herauskommt. Vor allem die kleine Smögier scheint es ihr angetan zu haben, denn sie will sie gar nicht mehr loslassen. Selbst Lasse und Rikard, von denen ich nicht unbedingt erwartet hätte, dass sie beim Anblick der drolligen Vierbeiner dahinschmelzen würden, können sich an der Katzenfamilie überhaupt nicht sattsehen.

„Katzen machen glücklich, ich hab's schon immer gewusst", meint Oma, die vor Stolz beinahe platzt. Zu sehen, wie ihre Lieblinge von allen Seiten geherzt und bewundert werden, ist Balsam für ihre Seele.

„Wollen Sie die eigentlich alle behalten?", erkundigt sich Rikard interessiert, während er Königin Margarethe den Nacken krault. „Wenn nicht, melde ich mich hiermit als potentieller Käufer."

„Das wird aber nicht ganz billig", entgegnet Oma verschmitzt und ich bin fast ein bisschen erleichtert darüber.

Bei einem Riesen wie Rikard hätte ich wirklich Angst, dass er, sollte er wirklich eine kleine Katze adoptieren, versehentlich auf sie drauftreten könnte oder so.

Ehe die beiden weiter über die Kaufpreise der Kitten fachsimpeln können, klopft es plötzlich an der Haustür. Omas überraschter Miene entnehme ich, dass sie niemanden erwartet. Mir geht es ähnlich, meine Freunde sind schließlich schon alle da.

Achselzuckend begebe ich mich in den Flur. Vielleicht ist es Papa, der mich freundlich darum bitten möchte, Mama nichts von seinem heimlichen Abstecher ins Imbisslokal zu erzählen.

Sekunden später werde ich eines Besseren belehrt, denn es ist nicht mein Vater, der draußen vor der Tür steht, sondern Gigi, der offenbar heute einen Clown gefrühstückt hat, denn er strahlt von einem Ohr zum anderen.

„Ciao, Jonny!", begrüßt er mich euphorisch und strubbelt mir über den Kopf, als wäre ich sein Hund. „Ich weiß, du musstest lange warten, aber es hat sich gelohnt!"

„Heißt das, du hast einen Verein für mich gefunden?", frage ich und bin mit einem Mal total aufgeregt. „Komm, sag schon! Welcher ist es?"

„Lass mich erst mal rein, dann kann ich dir alles in Ruhe erklären", blockt er ab und ich trete ungeduldig beiseite, obwohl ich ihn am liebsten auf dem Boden fixieren würde, damit er mir auf der Stelle sagt, was Sache ist.

Stattdessen spaziert mein Berater seelenruhig ins Wohnzimmer und lächelt freundlich in die Runde. „Buongiorno a tutti", sagt er wohlwollend. „Ich hoffe, ich störe nicht?"

„Nein", antworte ich stellvertretend für alle Anwesenden. „Setz dich ruhig und dann erzähl mir endlich, was es Neues gibt!" Ich kann nicht verhindern, dass mein Tonfall etwas ruppiger wird, denn ich habe den Eindruck, Gigi genießt es regelrecht, mich auf die Folter zu spannen.

Gespielt anklagend wendet er sich an Oma. „Signora Castberg, Ihr Enkel ist wirklich sehr schlecht erzogen", meint er und wirft mir einen boshaften Seitenblick zu. „Dieser respektlose Umgangston ... ich weiß ja nicht."

„Tja, das hat er von seinem Vater", erwidert sie achselzuckend, während Lasse und Rikard um die Wette feixen. Selbst Ingrid kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Ich spüre, wie mein Gesicht rot anläuft. „Gigi, wenn du mir jetzt nicht sofort sagst, was los ist, dann ...", knirsche ich gereizt, doch er unterbricht mich.

„Ja, Jonny? Was ist dann?", stichelt er und lächelt dabei liebenswürdig. Er weiß schon genau, wie er mich am besten auf die Palme bringt.

„Dann bist du gefeuert", maule ich, woraufhin nicht nur er in schallendes Gelächter ausbricht, sondern auch alle anderen im Raum. Mit Ausnahme von mir natürlich.

Es dauert eine Weile, bis mein Berater sich wieder einkriegt. „Wetten, dass du mich nicht mehr feuern willst, wenn ich dir sage, dass du für die nächsten zwei Saisons an Brann Bergen verliehen wirst?", schnauft er belustigt und wischt sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel.

Perplex starre ich ihn an. „Was?", frage ich ungläubig, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich ihn richtig verstanden habe. Möglicherweise verarscht er mich auch nur. „Sag das nochmal!"

„Du wirst für zwei Saisons an Brann Bergen verliehen", wiederholt Gigi, der mittlerweile wieder ernst geworden ist. „Alle Parteien sind einverstanden, du kannst den Vertrag morgen unterschreiben. Na, was sagst du dazu?"

„Wow." Mehr fällt mir dazu im Augenblick nicht ein. Ich bin absolut überwältigt, fühle mich glücklich, erleichtert und fassungslos zugleich. Ausgerechnet mein Heimatverein, dem ich so viel zu verdanken habe, gibt mir nach meinem falltürartigen Absturz eine neue Chance. Das ist das Beste, was mir hätte passieren können.

Immer noch sprachlos drehe ich mich zu meinen Freunden um und fange Ingrids Blick auf. Mit Smögier auf dem Arm lächelt sie mich an. „Das heißt, du bleibst erst mal hier", sagt sie und in diesem Moment realisiere ich es endlich. Ja, ich werde hier bleiben. Zuhause, bei meiner Familie und meinen Freunden. Bei Ingrid.

„Krass", kommentiert Lasse, der wie Rikard ein breites Grinsen im Gesicht hat. „Darauf müssten wir eigentlich anstoßen, oder?"

„Hervorragende Idee", lobt Gigi und nickt ihm anerkennend zu. „Jonny sollte sich noch einmal richtig besaufen, bevor der Ernst des Lebens wieder beginnt."

„Ich hole den Met!", verkündet Oma eifrig und huscht in die Küche. Verdattert sehe ich ihr nach, während ich mir die Frage stelle, ob ich vielleicht doch nur träume.


Vom Fußballer, der über seine Bälle stolperteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt