4 | Der Geheimgang

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„Ich brauche eine Pause", meinte Justus, nachdem er sich bereits zweimal durch die Unterlagen gewühlt hatte.

„Vielleicht solltest du dir nicht nur die Ergebnisse aus dem Computer ansehen, sondern in die Originale schauen", meinte Skinny beiläufig.

„Bob hat die Akten originalgetreu in den Computer übertragen. In den Original-Akten wirst du nicht mehr finden als in den gedruckten", meinte Justus, stand auf und streckte sich geräuschvoll.

„Ich wundere mich, dass ausgerechnet du so etwas sagst", meinte Skinny überrascht. Justus horchte auf. „Was meinst du, Skinny?"

Der blonde junge Mann ließ die Akte mit der Nummer 99 sinken und grinste schief. „Dir als erfahrenen Detektiv müsste doch bewusst sein, dass zwischen den Zeilen manchmal mehr geschrieben steht, als auf den ersten Blick ersichtlich ist", spottete er amüsiert.

Justus grinste über diese Aussage, da sie ein bisschen nach ihm selbst klag. „Willst du damit andeuten, dass dir etwas aufgefallen ist, das mir und meiner Spürnase entgangen sind?", feixte er.

Skinny grinste kurz und rückte auf dem Sofa ein Stück zur Seite, so dass Platz für Justus entstand. Der erste Detektiv zögerte. „Ich beiße nicht", schnaufte Skinny beleidigt und Justus gab sich einen Ruck. Als er neben Skinny auf dem Sofa saß, zeigte dieser ihm eine handgeschriebene Notiz von Bob.

„Und?", fragte Justus. „Das, was da steht, weiß ich bereits."

Ungeduldig tippte Skinny mit dem Finger auf die Zeilen. „Sieh mal genau hin! Dieser Satz sieht ganz anders aus als die anderen. Die Buchstaben sind weiter auseinander, die Zeilenabstände unregelmäßiger, als hätte Bob sehr langsam geschrieben. Vielleicht, weil er sehr genau darüber nachgedacht hat, was er da aufs Papier bringt? Weil er vielleicht nicht alles aufgeschrieben hat, was er hätte aufschreiben können?"

Justus hob die Akte näher an seine Augen. Tatsächlich gab es bei diesem Satz Auffälligkeiten, die nur zu erkennen waren, wenn man einen Referenzsatz zur Hilfe nahm. Doch dann waren sie deutlich zu erkennen.

„Du könntest recht haben", gab er zu. „Warum ist mir das nicht aufgefallen?"

„Weil du zu verkopft bist und ich mehr emotional. Ich habe während meiner beruflichen Laufbahn gelernt, Menschen zu lesen, die nicht gelesen werden wollen. Dazu gehört auch das Schriftbild zu analysieren." Nicht ohne Stolz in der Stimme verkündete er: „Ich wäre eine gute Bereicherung für euer Detektivbüro... Wenn mir der Sinn danach stünde, irgendwann die Seiten zu wechseln."

Justus konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie saßen noch immer nebeneinander auf dem Sofa und sahen sich an, als Justus eine Idee kam.

„Wann hast du eigentlich das letzte Mal etwas Warmes gegessen? Mein Onkel ist bei einer Wohnungsauflösung und meine Tante bei einer Freundin in Oxnard und beide wohl nicht vor dem Abend zurück. Wenn du Lust hast, können wir uns im Haus etwas kochen..."

Skinnys Augen leuchteten kurz auf. „Klingt so, als könnte ich noch einmal eure Dusche benutzen", meinte er dann. Seit Tagen nutze er das Waschbecken und die Toilette in der Freiluftwerkstatt, um nicht ständig zum Haus laufen zu müssen. Auch wenn Justus vorsichtig war, irgendwann würde seiner Tante oder der Polizei vielleicht auffallen, wenn ständig jemand über den Schrottplatz lief. Aber heute würde er seine Chance nutzen.

„Klar", meinte Justus. „Ich gehe vor uns wir treffen uns im Haus.

Nachdem die Tür des Wohnwagens zugefallen war, holte Skinny den Zettel mit Bobs Notizen aus der Hosentasche und las erneut, was darauf geschrieben stand. Er konnte sich einfach keinen Reim darauf machen. Was Bob dort notiert hatte, passte es so gar nicht in das Bild, dass er von dem dritten Detektiv hatte. Er nahm den Zettel und versteckte ihn wieder zwischen den Seiten der Akte, ehe er sie ins Regal stellte und sich auf den Weg machte.

Inzwischen kannte er den Weg durch die Boden-Luke und durch den Tunnel in die Werkstatt auswendig. Nachdem er, dort angekommen, das dicke Blech beiseitegeschoben hatte, ging er im Halbschatten auf einen Spiegel zu, der an der Außenmauer des Schrottplatzes lehnte. Als er ihn beiseiteschob, wurde ein schmaler Weg sichtbar, der einmal um den Platz herumlief und auf der anderen Seite vor einem Kelleraufgang endete.

Mit zwei Sätzen war Skinny am unteren Rand der Treppe angekommen und klopfte an. Dazu benutze er das Klopfzeichen, dass er mit Justus vereinbart hatte. Sogleich wurde die Tür geöffnet und Skinny schlüpfte in die Speisekammer der Familie Jonas.

„Willkommen in meinem bescheidenen Heim", grinste Justus und nahm auf dem Weg nach oben eine Packung Spagetti und ein Glas Tomatensoße mit. Die Tür am oberen Ende führte die Jungen direkt in die große Wohnküche.

„Willst du erst Essen oder Duschen?", fragte Justus höflich, als er die Nudeln und das Soßenglas auf dem hölzernen Esstisch abstellte.

„Duschen", entschied Skinny, der sich erst einmal wieder als Mensch fühlen wollte.

„Dann lass uns nach oben gehen. Du weißt noch, wo alles ist?"

Drei ??? (3) - EscapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt