26 | Der Lauscher an der Tür

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„Was brauchen die denn solange?" Peter hatte bereits die Teller auf den Tisch gestellt und verteilte gerade das Besteck. Justus, der seiner Tante bei den Vorbereitungen des Mittagessens half, bemerkte Peters leichte Eifersucht sofort.

„Die beiden schienen einiges zu bereden zu haben, Peter. Es war für Bob immer schwer, sich uns in Bezug auf Dr. Franklin zu öffnen. Da ich vermute, dass Skinny mit ihr vielleicht ähnlich verstörende Erfahrungen gemacht hat, halte ich es für sinnvoll, dass die beiden erst einmal unter vier Augen über das Erlebte sprechen. Lass ihnen doch ein wenig Zeit."

Peter verzog das Gesicht. Es gefiel ihm nicht, dass Bob nicht zuerst mit ihm über seine Probleme sprach und sich nun ausgerechnet Skinny anvertraute. „Ich sage mal kurz beschied, dass das Essen in zehn Minuten fertig ist", meinte Peter und war schon halb an der Treppe angekommen.

„Mach lieber fünfzehn daraus, die Kartoffeln brauchen noch ein bisschen", meinte Tante Mathilda. „Justus, schau doch bitte im Keller nach, ob du noch eine Dose Mais findest."

Peter schlich derweil nach oben und hatte schon die Hand erhoben, um zu klopfen, als er innehielt. Aus Justus Zimmer erkannte er Bobs Stimme. „Hast du deinen Eltern erzählt, dass du dich unwohl gefühlt hast?"

Peter ließ die Hand wieder sinken. Seine Neugier war mit einem Mal geweckt. Wobei hatte sich Skinny unwohl gefühlt? Was hatte er Bob gerade anvertraut?

„Natürlich", antwortete Skinnys Stimme. „Doch sie meinten, das wäre ganz normal, da ich schließlich Mist gebaut hätte und mich nun für meinen Verhalten schäme. Das Verhalten der Therapeutin wäre ihre Art, mich zum Reden zu bewegen und ich solle mich darauf einlassen. Andernfalls, drohten sie, mich in ein Internat zu stecken. Also ging ich eine Woche später wieder hin."

„Sicherlich mit gemischten Gefühlen", hörte Peter Bob mitfühlend sagen.

„Meine Eltern legten mir Nahe, meine Tat vor der Psychologin zuzugeben und meine Strafe zu empfangen. Sie waren sich sicher, dass ich es getan hatte, auch wenn man auf dem Überwachungsvideo nur erahnen konnte, was passiert war und das Amulett nicht bei mir gefunden worden war. Sie glaubten ihrem eigenen Sohn nicht. Das machte mich wütend und ich beschloss, so lange zu leugnen, bis es nicht mehr ging. Doch Dr. Franklin fuhr eine ganz andere Strategie. Das bemerkte ich dann in unserer zweiten Sitzung."

Peter fühlte sich ein wenig schlecht, dass er an der Tür lauschte, aber er wollte unbedingt wissen, was Dr. Franklin und Skinny damals beredet hatten. Und so ließ er sich auf dem Boden vor der Tür nieder und lauschte der Geschichte.

 Und so ließ er sich auf dem Boden vor der Tür nieder und lauschte der Geschichte

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Schon als Eddy den Raum betrat, spürte er, dass heute etwas anders war. Die Fenster waren geöffnet und eine warme Brise wehte in den sonst klimatisierten Raum. Dr. Franklin stand am Fenster und drehte sich erst um, als Eddy die Tür hinter sich geschlossen hatte.

„Ah, der junge Mr. Norris. Schöner Tag heute, nicht? Komm, setzt dich Eddy." Dr. Franklin wies auf das Sofa, auf dem Eddy schon in der Woche zuvor gesessen hatte. Allerdings war es nun viel wärmer in dem Raum und auf dem Tisch stand sogar ein Glas mit Wasser. Eddy verschränkte instinktiv die Arme vor der Brust. Glaubte sie wirklich, dass er ihr plumpes Spiel nicht durchschaute? Sie mochte sich heute nett geben, fast fürsorglich. Doch er vertraute ihr nicht.

„Wie war deine Woche Edward? Wie läuft die gemeinnützige Arbeit?" Dr. Franklin hatte eine offene Haltung ihm Gegenüber angenommen. Ihr Oberkörper lag nach vorne aufgestützt auf ihren Knien und sie sah Eddy mit interessiertem Blick an.

„Gut", antwortete Eddy knapp. Mehr hatte er zu der Arbeit in den heißen Mittagsstunden in der Wüste, in denen er Müll von Touristen und Casinogängern aufsammeln musste, nicht zu sagen.

„Das freut mich. Gibt es etwas, über das du heute sprechen möchtest? Wer dich zu der Tat angestiftet hat vielleicht?" Ihre Stimme klang freundlich, doch Eddy spürte, dass dies alles nur Schein war. Sie hatte die letzte Woche wahrscheinlich auch dazu genutzt, zu überlegen, wie sie möglichst schnell aus diesen unangenehmen Sitzungen mit dem Kleinkriminellen wieder herauskäme. Vielleicht hoffe sie insgeheim, wenn sie so scheißfreundlich war, wie jetzt, dass Eddy reden würde und sie die Stunden schneller abhaken konnte. Es gab sicherlich lukrativere Klienten als jene, die ihr die Polizei vermittelten.

„Ich werde niemanden verpfeifen", sagte er geradeheraus. Dr. Fraklin gab sich interessiert. „Auch nicht, wenn du für diese Tat, die du gar nicht begehen wolltest, ins Gefängnis kommst?", fragte sie herausfordernd.

„Moment, seit wann reden wir hier von Gefängnis?", keuchte Eddy. Damit hatte er nicht gerechnet. Dr. Franklin tat erstaunt.

„Das wusstest du nicht? Mr. Hartford, Mr. James und Mr. Leary haben der Polizei gegenüber erklärt, dass du ihr Anführer bist und sie die Taten, die ihnen während des letzten Jahres angelastet worden sind, durch deine Führung und unter Androhung von Strafen begangen haben. Du bist ihr Boss und die Polizei will einen Sündenbock, für all die gestohlenen Gegenstände der reichen Touristen. Las Vegas soll wieder sicherer werden", säuselte sie und Eddy spürte, dass sie selbst nicht daran glaubte, dass er der Drahtzieher des Ganzen war.

„Sie lügen!", entwich es ihm.

Die Psychologin legte den Kopf schief und stand dann auf. Sie kam auf Eddy zu und legte eine Hand auf seine Schulter. Ein kalter Schauer durchzuckte den Jungen und er erstarrte für einen Moment unter der unangenehmen Berührung.

„Eddy, du musst nur sagen, dass es Billy war, der dich dazu angestiftet hat. Dann kann ich dir helfen." Ihre Worte untermalte sie mit einer leichten Berührung ihres Fingers an seiner Wange, bevor sie durch den Raum zum Fenster ging und es abermals öffnete. Heißer Wind und der Gestank nach Abgasen peitschten Eddy ins Gesicht und ließen die Stelle, an der die ältere Frau seine Wange berührt hatte, noch heftiger glühen.

„Ich würde jetzt gerne gehen", sagte Eddy, der sich immer unwohler fühlte. Die Wärme und die Nähe der Psychologin, waren ihm plötzlich so unangenehm, dass er sogar sein liebloses Elternhaus der Praxis vorzog.

„Unsere Stunde ist noch nicht zu Ende, Eddy!", sagte Dr. Franklin streng und sah ihn von oben herab an. Dann lächelte sie sanft. „Es sei denn, du möchtest die Therapie abbrechen?", fragte sie rhetorisch. Eddys Mundwinkel zuckten. Sie würde alles tun, um ihn loszuwerden, doch den Gefallen wollte er ihr nicht tun.

„Nein, natürlich nicht", sagte er mit einem aufgesetzten Lächeln, dass sie genauso falsch erwiderte. Immerhin schloss sie das Fenster und zog die Vorhänge zu. Auch wenn sich Eddy und Dr. Franklin die restlichen zwanzig Minuten schweigend anstarrten, verabschiedete sich Dr. Franklin mit einem zufriedenen „Ich denke, wir haben heute gute Fortschritte gemacht".

Eddy bezweifelte keine Sekunde, dass es für sie tatsächlich stimmte.

Drei ??? (3) - EscapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt