58 | Rückfahrt

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Ich brauche mal wieder etwas Druck, um weiterzuschreiten. Also werde ich hier wieder regelmäßig veröffentlichen. Wen es interessiert 🤣

Auf der Fahrt nach Rocky Beach war Skinner ungewohnt schweigsam. Justus beobachtete ihn im Rückspiegel und wunderte sich über seinen fast schon traurigen Blick. Der erste Detektiv hatte erwartet, dass Skinny sich über den Fund der Karte freuen würde. Endlich würde er nicht mehr verdächtigt werden und könnte wieder sich wieder frei und unbeschwert bewegen. Doch irgendetwas schien den jungen Mann zu bedrücken. Ob er wohl daran zweifelte, dass die echte Karte war? Auch Justus hatte darüber nachgedacht. Irgendwie war es fast zu einfach gewesen, die Karte zu finden. Oder war Colin wirklich so arrogant, dass er es ihnen nicht zugetraut hatte? Vielleicht hatte er einfach nicht damit gerechnet, geschnappt zu werden.

Justus faltete die Karte, die er noch immer in der Hand hielt, auseinander und besah sie sich. Sie schien tatsächlich sehr alt zu sein, ob es fünfzig oder 200 Jahre waren, vermochte er nicht zu sagen. Doch der Umriss der Stadt war viel kleiner als zur heutigen Zeit. Eigentlich war es nur der grobe Stadtkern. Er würde die Karte später über eine Version der heutigen Stadt legen, einfach weil er neugierig war, wie viel sie in 200 Jahren gewachsen war.

Dort, wo die Karte geknickt worden war, zogen sich tiefe Furchen über die Schrift, so dass sie nicht mehr sehr gut lesbar war. ‚Ob Collin für dieses Falten verantwortlich war?', überlegte Justus. Wie konnte man nur mit so einem alten und historischen Dokument so umgehen? Obwohl, vielleicht war die Karte vorher schon geknickt gewesen. Wie gut, dass er jemanden direkt hinter sich sitzen hatte, der ihm diese Frage vielleicht beantworten konnte.

„Skinner", meinte Justus mit betont sanfter Stimme. „Weißt du, ob diese Karte bereits gefaltet gewesen ist, als ihr sie in eurem Versteck in der Höhle untergebracht habt?" Skinny braucht ein paar Sekunden, um aus seiner Traumwelt im hier und jetzt anzukommen. Er sah kurz auf die Karte und dann auf Justus. „Ich denke schon, ja. Ist das wichtig?" „Vielleicht", murmelte Justus und man sich dann mit der Karte zu. „Ich frage mich, ob es, bis auf das Alter, noch eine andere Bewandtnis mit dieser Stadtkarte auf sich haben könnte", murmelte er. „Hat Charles dir den Grund gesagt, warum es ausgerechnet dieses eine Stück sein musste, dass er für eine weitere Lösegeldforderung zurückhalten wollte?", fiel ihm nun ein.

Skinny zuckte mit der Schulter. „Kann mich nicht mehr so genau daran erinnern. Schon möglich." Justus spürte, dass er nicht mehr viel aus Skinny herausbekommen würde und beschloss, es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu versuchen.

Skinny sah nach Justus' kurzem Verhör wieder aus dem Fenster. Nachdenklich sah er das Meer und den Strand an sich vorüberziehen. Ein paar Möwen kreisten in einiger Entfernung über einem Fischerboot. Wahrscheinlich hatte es einen Fang-Erfolg gehabt. Gierig stürzten sich die weißen Vögel auf die Abfälle, welche die Fischer über Bord warfen. Sie hatten Glück, dass die Fischer sich dazu entschlossen hatten, ihren Fang gleich vor Ort und Stelle zu bearbeiten und die Fischreste den Vögeln zu überlassen.

Glück. Das hat er auch Skinner heute gehabt. Sie hatten tatsächlich die Karte gefunden. Doch war Skinny deshalb glücklich? War er traurig? Vielleicht war er etwas enttäuscht. Nicht über den Fund der Karte. Das war trotz allem ein echter Erfolg gewesen. Doch als Skinner darüber nachdachte, wie es nun weitergehen würde, und er wusste, dass er bald wieder allein in seiner Wohnung in Little Rampert sein würde, überkam ihn ein Gefühl des Bedauerns.

Skinny hatte die letzte Woche sehr genossen. Nicht die Zeit, die er allein im Wohnwagen verbracht hatte; sehr wohl aber die Zeit, die er mit Justus und Bob und auch Peter an dem Fall gearbeitet hatte. Die Gespräche mit Justus und das freundschaftliche Verhalten von Bob hatten ihm gezeigt, wie es ist, wenn man mehr als oberflächliche Bekanntschaften pflegt. Er hatte sich fast schon wohl gefühlt in der Vorstellung, dass diese drei Jungen seine Freunde sein könnten.

Doch er ahnte, dass es mit der Freundschaft bald vorbei sein würde, wenn er wieder in seinem schäbigen Viertel wäre und die drei Fragezeichen einen wichtigen Fall für die Polizei bearbeiten würden. Skinny wäre wieder knapp bei Kasse und würde sich wahrscheinlich irgendeinem nicht ganz legalen Job zuwenden. Er würde mit den drei Jungen aneinandergeraten und auf der Straße würden sie sich wahrscheinlich nicht mal mehr grüßen. Alles wäre beim Alten, die Zeit der Freundschaft würde verblassen und bald wäre das Gefühl, allein zu sein, wieder Teil seines Lebens.

Skinny wollte nicht wieder allein sein. Er wollte, solange es ging, an der Vorstellung festhalten, dass er jemandem wichtig war. Dass sich jemand tatsächlich für ihn als Mensch interessierte. Und er wollte nicht wieder in den alten Strudel des Verbrechens gezogen werden. Justus hatte gemeint, dass er sich auch jetzt noch für die gute Seite des Gesetzes entscheiden könnte.

Er wollte es wirklich gern, doch wie sollte er das schaffen?

Er hatte keinen Job, keine Ersparnisse, keine Wertgegenstände, die er veräußern konnte. Er lebte von der Hand in den Mund. Sein Vater hatte ihm schon vor langer Zeit den Geldhahn abgedreht. Das einzig wertvolle, dass er noch besaß, war sein Auto. Und selbst der Sportwagen war kein Vermögen mehr wert. Vielleicht, dachte Skinny, konnte er die Übergabe der Karte ja noch ein wenig hinauszögern. Nur so lange, bis er einen Plan geschmiedet hatte, wie er weiterhin mit den drei Detektiven befreundet sein konnte und dabei nicht auf die schiefe Bahn zu gelangen.

Das Geld aus der Wohnung, dachte er. Er hätte es mitnehmen sollen. Es wäre so einfach gewesen. Niemand hätte es vermisst. Doch in dem Moment, wo er danach gegriffen hatte, waren ihm Justus' Worte wieder eingefallen. Es ist nie zu spät, dich zu ändern.

Natürlich sagte sich das leicht, wenn man keine Miete zu zahlen hatte und jeden Tag einen vollen Kühlschrank, saubere Wäsche und Liebe bekam. Was hatte Justus schon für Entbehrung machen müssen? Ja, seine Eltern waren tot und Skinny schämte sich fast, dass er sich dachte, dass das auch das Einzige wäre, dass Justus zu bedauern hätte.

Doch dann dachte er an die Zeit, als sie telefoniert hatten, kurz bevor er aus Mexiko zurückgekommen war. Justus war hörbar eifersüchtig gewesen, auf die Beziehung, die Bob und Peter neuerdings führten und er schien noch nicht viel Erfahrungen in Sachen körperlicher Liebe gemacht zu haben. Seine romantischen Gefühle schienen jedenfalls bisher nur enttäuscht worden zu sein. Skinny hatte sich eine Woche lang durch sämtliche Unterlagen der drei Fragezeichen gewühlt und das eine oder andere aus den Fällen mitgenommen. Er war sich nicht sicher, ob es Justus so bewusst war, aber Bob hatte hier und da recht eindeutige Hinweise darauf hinterlassen, dass auch Justus' Gefühle, zumindest für zwei der Mädchen, gehabt hatte und dass diese aus unterschiedlichen Gründen enttäuscht worden waren.

Skinny drehte seinen Kopf und sah nach vorne zu Justus und Bob, die sich gerade über die Karte zu unterhalten schienen. Skinny hatte die komplette Unterhaltung bis jetzt ausgeblendet, weil er so in Gedanken verloren war. Er sah zu Justus und dachte, dass es anscheinend doch mehr gab, was er hatte entbehren müssen. Aber das musste ja nicht so bleiben. Wenn alles so verlief, wie Justus sich das vorstellte, würden sie die Karte noch heute näher untersuchen und spätestens am Abend Inspector Cotta darüber informieren, dass sie sie gefunden hatten. Morgen früh würden sie dann auf die Polizeistation gehen und alles erklären: Das Gespräch mit Collin, den Hinweis von Charles, Skinnys Beteiligung an dem Fall und dass er nur Handlanger gewesen war.

Mit etwas Glück und viel Überzeugungsarbeit wollte Justus erreichen, dass die Zusammenarbeit Skinners und die schlussendliche Überführung des wahren Täters dazu führten, das Skinny eine milde Strafe erhielt. Immerhin sprachen viele Punkte für ihn. Er hatte die drei Fragezeichen vor Charles gewarnt. Er hatte mit seinem Wissen geholfen, ihn in den Höhlen zu stellen, hatte die Katze zurückgebracht und nun dazu beigetragen die Karte zu finden. Alles in allem hatte er sich rechtzeitig vom wahren Übeltäter abgewandt. Ob die Polizei das auch so sah?

„Ich hoffe nur, dass Peter uns nicht den Kopf abreißt", sagte Bob gerade, als Skinny realisierte, dass sie bereits auf den Schrottplatz einbogen. Tatsächlich saß auf der Veranda vor dem Haus ein ziemlich wütend aussehender Peter, der nun aufstand und schnellen Schrittes auf den Käfer zuging, als dieser auf dem Parkplatz zum Stehen kam.

„Das wird mehr als deinen Charme brauchen, Bob, um unseren Ausflug wieder gerade zu biegen", flüsterte Skinny von der Rückbank.
„Das befürchte ich auch", meinte Bob und stieg aus. „Wir verkrümeln uns besser und lassen die beiden erst einmal alleine", schlug Justus vor.

Eilig machten sie sich auf den Weg in die Zentrale.

Drei ??? (3) - EscapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt