Geflickte Freundschaft wird selten wieder ganz

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Folgen Sie mir in den nächsten Akt. Ankunft des besten Freundes.
Wie Sie vielleicht wissen, hatten Matthias und ich einen etwas holprigen Start. Klar, er war nicht von Anfang an dieser berühmte Schauspieler gewesen, der überall geliebt und erkannt wurde. Mir war er aber schon immer zu laut gewesen. Zu schrill. Ich meine, Joko und Matthias gemeinsam zu erleben, konnte zur Qual werden.
Sie hingen viel zu eng aneinander und lachten über jeden Scheiß. Ernsthaft. Manchmal konnte man nicht erkennen, wo der Eine anfing und der Andere aufhörte. Das war schon ziemlich nervig.
Aber mit den Jahren hatte ich mich damit abgefunden. Die Eifersucht in die hinterste Ecke gesteckt und mich damit arrangiert. In der Theorie. In der Praxis war es nicht immer so leicht.
„Matthi!"
„Joko!"
Wir saßen gerade beim Mittagessen, als Joko von seinem Platz aufsprang und Matthias entgegenlief. Sie sprangen sich in die Arme, als hätten sie sich ewig nicht gesehen. Wie lange es tatsächlich her war, mussten sie nicht mich fragen. Ich würde vermuten, dass es das Wochenende gewesen war, als ich in Hamburg war. Ich hatte ihn dieses Jahr jedenfalls bisher nicht gesehen.
Lassen Sie mich raten: Sie sind Fan von Mathias. Geben Sie es doch zu! Ich kann Ihre Begeisterung bis hier her spüren.
Jedenfalls lud hinter den beiden gerade ein Fahrer die Koffer aus dem Auto, während Matthias' Freundin Ruby näher kam und die beiden Verrückten einfach stehen ließ. Sie wusste ebenfalls, dass es zwecklos war.
„Die tun ja so, als hätten sie sich ewig nicht gesehen", bemerkte Schmitti von der Seite.
„Kennst du doch", antwortete ich ihm und nahm einen Schluck von meinem Wasser.
Hatte ich schon erwähnt, dass wir gar nicht mehr allein waren? Bislang nicht? Ah, dann sehen Sie sich um.
Neben Benny, Schmitti und seiner Freundin hatten auch Basti, Frank, Rauli und Micky, sowie deren Gegenstücke den Weg zu uns gefunden. Nicht jeder war gerade anwesend, denn wir mussten nicht permanent aufeinander hocken. Und ja, auch Jakob war gestern Abend zur Gruppe gestoßen. Allerdings war der gerade mit Micky und Nicki unterwegs. So ungerne ich ihn hier haben wollte, Joko schien noch viel weniger begeistert zu sein.
Obwohl es nur wenige Tage gewesen waren, lag hinter Joko und mir wohl die beste Woche seit Ewigkeiten. Es gab wirklich nur uns beide, mit viel Sonne und jeder Menge Sex. Ich fühlte mich wie ein Teenager und entspannt wie seit Langem nicht mehr. War es das, was ihn gerade störte? Dass wir nicht mehr allein waren? Schwer zu sagen.
„Ist trotzdem jedes Mal seltsam", warf Schmitti ein.
Ich konnte ihm nicht wirklich widersprechen. In den vergangenen Jahren hatte ich die beiden in allen möglichen Situationen erlebt. Alles, was sie sich vorstellen können oder eben nicht. Die beiden waren eine Eigenart für sich.
„Das stört dich nicht mehr?", fragte Benny und steckte sich noch eine Gabel vom Salat in den Mund.
Was sollte ich darauf schon antworten? Ich konnte sie nicht ändern, also musste ich damit leben.
„Die beiden sind, wie sie sind."
„Wie zwei Welpen", stimmte Ruby zu und lächelte nachsichtig, als sie zu uns kam. „Die müssen sich erst einmal austoben. Dann geht's."
„Hey Ruby", sagte ich lächelnd, stand auf und umarmte sie. „Alles klar bei euch?"
Sie erwiderte meine Umarmung und winkte den anderen zu, ehe sie sich auf den Platz setzte, den ich ihr anbot.
„Stressig. Wie üblich. Ich bin froh, dass wir endlich ein paar Wochen dem Hollywood Stress entkommen."
Vielleicht war Jokos Freude über Matthias auch so groß, weil es Ruby und ihn nach Amerika verschlagen hatte. Bedeutete, dass sie sich noch seltener sahen, als ohnehin schon. Auch, wenn sie für ihren Wein zusammenarbeiteten. Es hatte sich eben etwas verändert.
„Hey Leute!", holte Matthias' laute Stimme mich aus meinen Gedanken.
Sie kamen zu uns an den Tisch, während Joko seinen Arm um Matthias' Schulter geschlungen hatte. Das breite Grinsen war auf beiden Gesichtern wie festgeklebt. Eher widerwillig ließ Joko von ihm ab, als die stürmische Begrüßung weiterging. Jeder wurde umarmt, bis Mathias am Schluss vor mir stehen blieb.
„Klaasi! Gut siehst du aus! Hast du endlich ein Einsehen mit dem armen Trottel gehabt?"
„Sieht wohl so aus."
Schon wurde ich in eine Umarmung gezogen. Ich erwiderte sie, weil ich gut erzogen worden war und eigentlich auch nichts gegen Mathias an sich hatte. Er war ein guter Typ. Nicht unbedingt mein Typ, aber damit musste Ruby klarkommen.
„Sach ma!", kam die Beschwerde von Joko und ein Schubser gegen Mathias Schulter.
„Ich sag' nur, wie es ist. Das war ja nicht mehr auszuhalten. Das eine Mal, als du...."
Doch Joko grätschte ihm dazwischen, indem er ihm die Hand auf den Mund legte und zur Seite führte.
„Reicht dann jetzt auch. Komm, ich zeig' dir euer Zimmer. Die Aussicht ist der Hammer."
Und schon waren die beiden außer Sichtweite.
Ich sah den beiden mit hochgezogener Augenbraue hinterher und ließ mich wieder auf meinen Platz sinken.
„Was war das denn?"
Nicht nur ich schien mich zu wundern. Die beiden blieben einfach ein Rätsel, welches ich so schnell nicht entschlüsseln würde.
„Kann ich dir einen Cocktail anbieten, Ruby?", wechselte ich stattdessen das Thema.

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