[Kapitel 3] - Felix -

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Ich rannte und rannte. Wobei, mittlerweile joggte ich eher, denn so lange hielt meine Ausdauer auch nicht an. Ich hätte den Bus nehmen können, doch ich wollte unbedingt den Kopf frei bekommen. Frei von dem, was ich dort gesehen, gehört und vielleicht auch gespürt hatte. Ich war niemand, der andere für dessen Fantasien oder Vorlieben verurteilte, aber auf dem Campusgelände?

Stolpernd kam ich vor dem Haus, in dem ich mir mit Jisung und Minho eine Wohnung teilte, an wieder einmal dankbar für unseren funktionierenden Aufzug, der ziemlich rasch zu mir gefahren kam. Nachdem ich meine Etage angewählt hatte, ließ ich mich erschöpft an die Wand des Aufzugs fallen und entdeckte mein Spiegelbild gegenüber von mir. Meine Brust hob und senkte sich noch immer etwas schneller als üblich, meine Wangen, Nase und Ohren waren gerötet und meine Augen weit aufgerissen. Die Türen des Aufzuges öffneten sich und ich stieg aus, während ich nach meinem Wohnungsschlüssel im Rucksack wühlte. Plötzlich riss die Tür vor mir auf und ein wütender Minho stand im Rahmen. Seine Schultern hoben und senkten sich, als hätte er einen Stierkampf ausgetragen, seine Nasenflügel waren aufgebläht und seine Mundwinkel waren so weit heruntergezogen, die reichten fast bis an sein Kinn. Er musterte mich abschätzig und veränderte sofort seine komplette Mimik. Er atmete wieder normal und sah mich schon fast liebevoll an.

„Was ist los?", fragte er, noch immer im Türrahmen stehend und mir damit den Weg versperrend. Unsicher verschloss ich meinen Rucksack wieder, schulterte ihn und sah zu Boden. „Nichts.", murmelte ich leise. Der Flur vor der Wohnung war mittlerweile dunkel, da die automatische Beleuchtung nur für dreißig Sekunden anhält und ich sah wie das warme Licht aus dem Wohnzimmer, vorbei an Minho auf mich strahlte. Ich sah hoch und musste schmunzelnd feststellen, dass Minho aus dem Rahmen getreten war um mich in die Wohnung zu lassen.

„Du bist zu spät." Diesen Satz hörte ich heute nicht zum ersten Mal.

„Ja ich weiß.", murmelte ich bedröppelt.

„Du hast das Essen verpasst."

„Es tut mir leid."

„Ich habe dir sogar extra Bescheid gegeben! Und du? Lungerst in der Bibliothek rum, um meinem Essen zu entgehen?!"

Ich wollte mich gerade wiederholt entschuldigen, als Jisung aus seinem Zimmer kam, die Augen ganz klein vor Müdigkeit. War es wirklich schon so spät? Er tapste zu Minho, legte seinen Kopf auf dessen Schulter und sagte leise: „Minho, komm zurück ins Bett. Lass Felix doch lernen, aus ihm soll doch was werden!".

Minho starrte mich weiterhin an, seine Augen strahlten Wut aus aber nicht viel. Er war uns nie wirklich böse. Aber irgendwie musste er seine aufbrausende Art zu Tage befördern. Als Jisung mir schnell zuzwinkerte, seine Hände um Minho's Taille schlang und ihn langsam aus dem Flur in Richtung seines Zimmers zog, fiel die Schuld langsam von mir ab.

Mein Blick folgte den beiden aber meine Füße trugen mich in die Küche, wo ich unentschlossen aus dem Fenster sah. Ich hätte Hunger haben müssen, gerade nach so einem langen Tag, aber der Appetit war mir vergangen. Mit einem Wasserglas tapste ich in mein Zimmer, zog mir die Alltagsklamotten aus und ließ mich erschöpft auf mein Bett plumpsen. Geistesgegenwärtig lege ich mein Handy in die Ladestation, stellte den Wecker meines Radios ein und hoffte auf den schnellen Schlaf.

Am nächsten Tag verschwendete ich keinen Gedanken an die Geschehnisse des vorherigen Abends. Ich musste heute wieder in dem Café, nicht weit von unserer Wohnung entfernt, arbeiten. Dank dieses Jobs konnte ich mir das Zimmer erst leisten. Auch wenn ich als Stipendiat einige Vorzüge hatte, so genoss ich es doch, nicht weit vom Campus in so guter Lage wohnen zu können. Aber das hatte nun mal seinen Preis.

Tell me that you like it! ||ChanLixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt