[Kapitel 20] - Chan -

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"Diese Göre!", flüsterte ich mir selbst zu, nachdem ich Felix auf den Beifahrersitz geholfen hatte und die Tür zuschlug, um dann endlich auf der Fahrerseite einzusteigen. Eines musste ich ihm lassen: Er hatte echt Mut. Aber er kannte mich auch noch nicht richtig. Wenn ich ein Verbot aussprach und es gebrochen wurde, dann durfte man mit dem Schlimmsten rechnen. Sein Glück, dass er noch Welpenschutz hatte. Ansonsten hätte ich ihm schon im Club vor allen Gästen die Hose geklaut und ihm den Arsch versohlt, sodass er drei Tage lang etwas davon spüren konnte. Nein, hätte ich nicht. Ich hätte es gewollt, aber nicht getan. Er war betrunken, da hatte man gefälligst seine Finger vom Anderen zu lassen.

Das Schlimmste an Alkohol war, dass er nochmal nachsetzte, sobald man an der frischen Luft war. Und genau aus diesem Grund hielt Felix gerade seine Hand aus dem Fenster, bewegte sie wellenartig hoch und runter und rief dabei: "Huuwiiiiiih!!". Ich schwieg. "Bis' du sauer auf mich?", fragte er irgendwann und ließ die Hand schlaff nach unten hängen. "Nein, heute nicht.", antwortete ich und konzentrierte mich weiter aufs Fahren. ""Du bis' morg'n sauer auf mich?", fragte er mit schief gelegtem Kopf. "Jap.".

"Das klingt nich' fair!", protestierte er. Meine Hände umschlossen das Lenkrad fester: "Das klingt nicht fair? Wer von uns beiden hat sich nicht an die Regeln gehalten?!". "Du!", antwortete er mit einem frechen Lachen. Ich warf ihm einen strengen Blick zu. Plötzlich kicherte er los: "Oh nein, Daddy! Was wirs' du jetz' nur mit mir anstell'n?!". Erneut schüttelte ich den Kopf. "Das kann ich dir gern sagen: Nichts. Du wirst dich gleich ins Bett legen und schlafen. Alles andere folgt morgen.", sagte ich kühl. Wie ging dieser beschissene Satz doch gleich? Ich bin nicht sauer, ich bin enttäuscht. Ja, ausnahmsweise hätte ich ihn gern ausgesprochen, obwohl ich ihn hasste.

"Aber wir könn' doch noch ... Ne Runde SPAß haben?!", schlug Felix mir gackernd vor. Passenderweise musste ich an einer roten Ampel halten. Ich drehte mich leicht zu ihm und holte tief Luft: "Hör mir jetzt genau zu. Solange du so dermaßen betrunken bist, werde ich keinen Finger an dich legen. Ich hebe mir das alles schön auf und morgen bekommst du die Quittung für dein Verhalten. Hast du mich verstanden?". Meine letzten Worte warf ich ihm scharf entgegen. Er schaute aus dem noch immer geöffneten Fenster, erblickte zwei Fußgänger, die wohl auch ungefähr seinen Zustand hatten und rief ihnen zu: "Heeeey! Mein Daddy will mich nicht fi-", schnell schlug ich ihm die Hand vor den Mund. "FELIX! Lass das!", sagte ich doch irgendwie peinlich berührt.

Ich stützte ihn den gesamten Weg. Während der Fahrstuhl nach oben fuhr, warf er sich mir um den Hals und drückte mir einen verdammt unangenehmen Bloody-Mary-Kuss auf. Wenn ich selbst trank, störte mich das nicht, aber gerade war es ungefähr genauso unangenehm, als würde ein Nichtraucher einen Raucher küssen. Nachdem ich Felix leicht von mir weggeschoben hatte, fing er an zu singen: "Hey, Daddy! Please, touch me! I feel so soft and fluffy!", und wippte dazu niedlich. Nein, Chris! Wir sind angefressen! Verfalle jetzt nicht seiner unschuldigen Seite! Er war ungezogen und das wirst du ihn morgen fühlen lassen!

Eigentlich hatte ich Felix noch heute mit dem Zimmer überraschen wollen, aber das musste wohl noch warten. Gerade war es wichtiger, aufzupassen, dass er sich nicht betrunken mit der Zahnbürste die Luftröhre ruiniert. Er lief mit dem blöden Ding im Mundwinkel auf und ab, stolperte dabei immer wieder fast über seine eigenen Füße und ließ jedes Mal mein Herz kurz stehen bleiben. Nebenbei plapperte er irgendetwas sehr Unverständliches. Ich konnte immer nur Fitzel heraushören. Irgendwas wegen Minho, vermutete ich. Zumindest war es 'Mimmo' ziemlich ähnlich. Aus dem Namen schlussfolgerte ich dann, dass mit 'taf'm' tanzen gemeint sein könnte. Folgendes Selbstgespräch hörte ich mir an:

"Feihe, af Taf'm mi Mimmo hap mir äch ngehalln. A-ei ma i-chr di-chr o-chr ho ungag-i-chr holl! A-ha hir hinn ni-chr huhamm! A-ho ha i-chr ngi-k Himm-heh he-han! Hi-chr-ik?! Ä hu ngi-a hai! I-chr hä-e a ni-chr ma-ng holl-n! i-chr hi hä-höa, ha ga hwü-hen uh i, hei hu?"

Ich leitete mir das dann so ab:

"Scheiße, das Tanzen mit Minho hat mir echt gefallen. Dabei mag ich dich doch so unglaublich doll! Aber wir sind nicht zusammen! Also habe ich nichts Schlimmes getan! Richtig?! Es tut mir leid! Ich hätte das nicht machen sollen.. Ich bin verwirrt, was das zwischen uns ist, weiß du?"

Ich lief ein paar Schritte auf Felix zu und zog vorsichtig die Zahnbürste aus seinem Mund, auf der er mehr rumgekaut hatte, als seine Zähne zu putzen. Er spuckte das bisschen Schaum aus, was noch nicht aus seinen Mundwinkeln gelaufen war und sah mich bedröppelt an.

"Wie wäre es, wenn wir uns hinlegen und im Bett nochmal in Ruhe sprechen? Ich mag es viel lieber, wenn ich dich verstehen kann, weißt du?", schlug ich ihm vor und wischte mit einem Waschlappen nochmal kurz über seine Wangen. Er schien ziemlich aufgewühlt zu sein. Er trottete vor mir her, ließ die Arme einfach nur schlaff hängen und schlurfte mit seinen Socken über den Boden. Die musste ich ihm gleich noch klauen, sie waren definitiv nicht mehr weiß an der Unterseite.

"Uuh, es wird doch noch sexy!", trällerte der Blonde, als ich ihm die Hose von den Hüften schob. Ich wollte ihn einfach nur zum Schlafen ausziehen. "Da-ddy!", betonte er die erste Silbe extra doll, "zieh mich aus und mach mit mir, waaaas du wills'!", unterstrich er mein Tun und ließ sich danach kichernd auf die Matratze fallen. Hatte er bereits vergessen, was er eben im Bad sagte?! "Felix, ich will dir einfach nur beim Ausziehen helfen!", machte ich es ihm nochmals klar. "Du bis' ein richtiger Langweiler.", nölte er.

"Also dann, was genau bedrückt dich?", eröffnete ich unsere kleine Gesprächsrunde, nachdem ich Felix dabei geholfen hatte, ohne Verletzungen aus seinen Klamotten zu kommen. Sein Oberteil würde ich gleich morgen waschen, es war nur offiziell mein liebstes Outfit an ihm. Er zog sich die Bettdecke bis über den Mund und redete los: "Es tut mia leid, dasssich mit Minno getanz' hab'.", sagte er gequält. Puh, schon mal um einiges verständlicher als eben. "Wieso tut es dir leid?", hakte ich nach.

"Naja, weil duu .. u-und iiiich...", haderte er mit seinen Worten. "Wir sind nicht zusammen, richtig.", griff ich vor. "JAA! Aber...WENN duuu unnich.. zusamm' wäääären..", sprach er weiter drumherum. "Dann hätte ich darauf bestanden, dass du mich vorher fragst. Aber da das nicht der Fall ist, bin ich dir nicht böse.", erklärte ich ihm meine Sicht der Dinge und es wurde still zwischen uns beiden. "Wann sin' wir denn du-unnich?", wollte er wissen und mit einem mal spannte sich mein Magen an.

Wollte er wirklich mit mir zusammen sein? Er war betrunken, ich konnte nur schwer einschätzen, ob er diese Frage wirklich ernst meinte. "Möchtest du denn gern mit mir zusammen sein?", nahm ich meinen ganzen Mut zusammen. "Naja, schooon!", antwortete er mir und mein Herz schmerzte. Das klang verdammt zwiegespalten. "Aber?", bat ich ihn, weiterzureden. "Aber.. ich weiß nich', ob du das wills'! Ich meine... Du bis' mein Professor und ich bin noch so juuung.. Und du könntes' jeeeden andern ha'm, wenn du wolltes'!", jammerte er unentschlossen.

Ich stützte mich auf meinen Unterarm und zog die Decke von seinem Gesicht. "Felix, hör mir zu. Du bist alles, was ich will. Ich wünsche mir sehr, mit dir zusammen zu sein. Aber ich möchte dich da auch nicht mit überfallen, verstehst du?", sagte ich ernst und schluckte einmal schwer. Er nickte. Dann zog er meinen Kopf nach unten und küsste mich. "Vielleicht.. Frage ich dich in ein paar Tagen nochmal.. Wenn du wieder nüchtern bist, weißt du?", flüsterte ich und schaute verlegen auf seine Lippen. "Versprochen?", hauchte er mir entgegen und ließ nach und nach eine Gänsehaut auf meinen Armen entstehen. "Versprochen.", sagte ich und stürzte mich in den nächsten Kuss.

"Und jetzt bestrafst du mich?", sagte er mit hochroten Wangen und ließ mich lachen. "Nein, Baby. Ich werde dich heute definitiv nicht mehr bestrafen! Darum kümmere ich mich morgen früh!", sagte ich erst noch lachend, dann einschüchternd. Ich gab ihm mehrere Gutenachtküsse und wickelte ihn fest in die Decke ein. Ich schaltete das Licht aus und kuschelte mich eng an ihn.

In ein paar Tagen, also. Ich wollte mich nicht zu sehr in diese Gefühle hineinsteigern, denn ich hatte keine Garantie dafür, dass Felix nüchtern noch genauso über das Thema dachte. Aber Betrunkene sagen meistens die Wahrheit, richtig? Ich sah ihn an und verlor mich doch wieder in meinen Gedanken.

Er war wahrhaftig perfekt. Wunderschön, liebevoll, verspielt und frech bis zum Geht-nicht-mehr. Es kribbelte aufgeregt in meinem Bauch. Ich würde morgen früh in aller Ruhe aufstehen, duschen gehen, mir eine enge Hose und ein Hemd anziehen. Die Ärmel würde ich nach oben krempeln. Dann würde ich Felix an den Füßen packen, aus dem Bett schleifen und in aller Seelenruhe klarstellen, dass er nie wieder gegen eines meiner Verbote verstoßen sollte. Anschließend würde ich ihm sowas von das Hirn rausvögeln! Hach ja, das klang nach einem traumhaften Morgen! Ich konnte es kaum noch erwarten!

Tell me that you like it! ||ChanLixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt