~ Kapitel 14 ~

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Der hell leuchtende Mond funkelte, wie ein weißer Kieselstein am Himmelszelt, zwischen den Wolken und ließ sein sanftes Licht auf den großen Platz des SonnenClan-Lagers fallen. Die Nacht war düster gewesen. Als die Sonne unterging, hatte sich das Firmament in ein tiefes Rot verwandelt und Seelensturm wusste sofort, was geschehen war.

Das GeisterRudel. Es war auf der Jagd nach neuen Anhängern. Doch nun waren die Wolken schon fast wieder verblasst und der triefende Horizont hatte sich in einer fast wolkenlosen Nacht aufgelöst. Unzählige Sterne schimmerten über seinem Gesicht. Der Älteste hatte keine Ruhe gefunden und während die meisten anderen Katzen in ihren Nestern lagen und sich wärmend aneinander kuschelten, saß er hier draußen und legte den Kopf in den Nacken.

Wie sollte er denn schlafen können, wenn er wusste, dass das GeisterRudel wieder aktiv wurde. Niemand hatte gelogen, was dies betraf. Doch auch niemand wusste so gut wie Seelensturm über diesen Mythos Bescheid. Die Erinnerung klaffte in seiner Brust und nagte an den fast undurchdringlichen Nerven, wie aus Drahtseilen.

Sie verfolgte ihn regelrecht und brachte ihn fast um den Verstand. Es zerbrach dem Kater das Herz daran zu denken und die gesamte Szenerie spielte sich immer und immer wieder in seinem Schädel ab. Die stechend rote Sonne erschlug das Tageslicht und wucherte wie eine teuflische Ranke in einem Gestrüpp voller schöner Blumen. Der Himmel verfärbte sich vor seinen Augen nochmals blutrot.

Ein fürchterliches Gefühl beschlich ihn. Es brannte sich so zehrend in seinen Geist ein und ließ dem Ältesten kaum noch Luft zum Atmen. Der Kater jaulte leise auf, keuchte und hustete angestrengt ins Nichts. Als die Sonne ihn geblendet hatte, spürte er einen Stich im Herzen. Auf einmal wiederholte sich diese Qual.

Seelensturm merkte verzweifelt, wie der Schmerz seine langen, dolchartigen Klauen erhob und sie ihm direkt in die Brust rammte. Das Gefühl bohrte sich tief in seinen Körper und verteilte sich eilig in den Gliedmaßen. Anschließend schmerzte jeder Muskel, jede Bewegung. Es zerriss ihm das Herz, als die Wahrheit in seine Lebenskraft eindrang, diese zerschlitzte und einen gewaltigen Spalt zwischen den zwei Hälften zurück ließ.

Er wirbelte herum, fuhr seine Krallen aus und schnitt einmal kräftig durch die Luft. Bis ihn die Angst wieder übermannte, er die Pranke in die knochentrockene Erde der Lagermitte stieß und erschöpft zu Boden stürzte. Der schlagartige Luftzug der splitternden Luft verblasste allmählich und hinterließ nichts als Leere. Seelensturm's Herz war leer. Er hatte keine Lebensenergie mehr. Alles an seinem Körper wirkte plötzlich wie tot.

Eine Weile lag er einfach nur da. Er konnte nicht sagen, wie lang es gedauert hatte, bis er sich wieder ein wenig gefunden hatte und auf den Rücken drehte. Sehnsüchtig starrte er in den Himmel und fixierte einzelne Sterne. Er suchte nach einer Antwort auf all seine Fragen, doch die blieb ihm verwehrt. Müde von dem Kampf mit sich selbst sackte er trostlos in sich zusammen kauerte sich in eine minimale Sandgrube und schloss die Augen.

Er wand sich zuckend hin und her. Seine Erinnerung versuchte ihn zu verfolgen, doch er wollte es nicht zulassen. Er konnte es nicht zulassen, denn noch einen Nervenzusammenbruch würde seine Seele wahrscheinlich nicht mehr verkraften. Ängstlich, von seiner Vergangenheit eingeholt zu werden lief er in Gedanken so schnell er konnte über die Wiesen und durch die dichten Wälder.

Sträucher und Farnblätter schlugen ihm ins Gesicht, doch er durfte nicht nachgeben. Von seiner Angst und der Sehnsucht nach Erlösung getrieben, hetzte er zwischen den Bäumen hindurch, bis er schlussendlich beim SturmClan-Lager ankam. Völlig außer Atem bremste er ab und schritt durch die Pforten des Lagers. Vorbei am Kriegerbau und hin zum Ältestenbau.

Dort schlüpfte er unter den Lianen hindurch und erblickte sie. Kleeschwinge lag in ihrem Farnnest und hob den Kopf. „Seelensturm", hauchte sie erleichtert und sah ihm durchdringend in die Augen. Mit dem warmen Blick seiner Gefährtin in Gedanken, beruhigte sich sein pochendes Herz und langsam fiel er in einen sanften Schlaf. Er träumte sich weg. Ganz weit weg, nur mit Kleeschwinge, damit sie einfach nur beieinander sein konnten.

Warrior Cats - Löwenjunges FluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt