Nun, solange mein zukünftiger Gatte sich nicht blicken ließ, konnte es keine Hochzeit geben. Meine Eltern waren sogar inzwischen angereist, um der Feierlichkeit beizuwohnen. Ich mied jedoch alle unnötigen Begegnungen mit ihnen. Konnte ich denen nicht verzeihen, dass ich für sie ein Spielball war, der benutzt wurde, um ehrgeizige Ziele zu erreichen.
Isolde war in den Hallen der Heiler stark beschäftigt und verbrachte ihre Freizeit bevorzugt mit Faramir. Verständlich - sie hatten sich bereits auf der Reise angenähert und heimliche Küsse ausgetauscht. Inzwischen waren diese Innigkeit nicht mehr so heimlich. Dem Truchsess interessierte das nicht sonderlich, was sein Zweitgeborener trieb. Er schenkte ihm generell nicht viel Beachtung. Sogar ich schien auf Denethor mehr Wirkung zu haben als Faramir. Dabei bemühte sich der junge Mann so sehr um die Anerkennung seines Vaters.
An einem meiner täglichen Spaziergänge durch die weiten Gassen der weißen Stadt plauderte ich mit manchen Anwohnern. Auf dem Markt waren Bewohner von Osgiliath vertreten, die ihren frischen Fisch verkauften. Die Frauen von dort waren besonders nett und luden mich auf einen Tee ein. Ich versprach ihnen, sie am nächsten Tag zu besuchen und tat das auch. Ohne Begleitung ritt ich alleine auf einem schneeweißen Schimmel zur kleinen Stadt am Fluss hinüber. Es tat so gut, nach so vielen Tagen die Mauern der weißen Stadt zu verlassen und beim Ritt über Pelennors Feld den Wind in meinen Haaren zu spüren. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich frei. Das Gefühl hielt nicht lange an, beschwingte aber langanhaltend mein Gemüt. Die Frau vom Markt namens Rioa empfing mich direkt am Tor, mit frischen Blumen vom Feld.
„Willkommen Lynea. Wir freuen uns, dich als Gast begrüßen zu dürfen. Kommt und wir zeigen euch unsere bescheidene Stadt." Mit 'uns'meinte sie eine Schar von Frauen und Kindern. Fröhlich willigte ich ein und wurde prompt von lachenden Menschen umringt. Rioa überreichte mir die Blumen, während ein sehr junger Mann sich um mein Pferd kümmerte.
Ich war verzaubert von diesem Ort und fühlte mich hier ausgesprochen wohl. Hier könnte ich mir ein Leben vorstellen. Könnte ich aushandeln, mit Boromir hier zu leben? Etwas Abstand zur weißen Stadt und dem kalten, weißen Gestein würde uns beiden sicher gut tun.
Osgilaith war nicht groß, aber eine wichtige Stadt für Gondor. Über den Fluss Anduin gelangten viele Schiffe und so florierte hier der Handel für ganz Gondor. Zu Recht war Osgiliath früher die Hauptstadt von Gondor. Der Anduin teilte die Stadt und verbunden wurde sie mit einer großen Steinbrücke. Leider war ein ganzer Teil zerfallen - nicht wieder aufgebaut worden. Doch genau das macht den Charme der Stadt aus - so fand ich. Direkt am Fluss gab es ein großes Anwesen, verlassen und leer. Höflich fragte ich, ob man es mir zeigen könne. Freudig ging man meiner Bitte nach und gewährte mir Eintritt. Weil es mir so gut dort gefiel, ließ Rioa den Tee auf die Terrasse des Hauses bringen. Sie war eine liebenswürdige Frau und eine gute Zuhörerin. Sie war ebenso wie mein zukünftiger Mann 20 Jahre alt und ganz verdutzt, dass ich erst vor kurzem 17 geworden bin. Immer wieder beteuert sie, dass ich älter wirkte. Nicht wegen meines Aussehens, sondern wegen meines Auftretens und der umfassenden Kenntnisse als angelernte Heilerin. Die Zeit verging viel zu schnell und so stellte ich mit erschrecken fest, dass die Sonne bald schon unterging und ich schleunigst aufbrechen musste.
„Rioa, meine Liebe. Ich danke dir für deine Gastfreundschaft. Komm bitte am Hofe mich besuchen, sobald du es dir einrichten kannst! Leider muss ich aufbrechen - die Sonne geht bald unter."
In einer herzlichen Umarmung verabschiedete mich die junge Frau an den Toren der Stadt. „Lynea, es ist mir eine Freude, euch kennengelernt zu haben! Ich freue mich auf das nächste Wiedersehen!"
Schmunzelnd ritt ich zur weißen Stadt zurück, wo man mich schon ungeduldig erwartete. In meinem Gemach lief ungeduldig ein Mann auf und ab. „Boromir" entfuhr es mir überrascht. Der junge Krieger sah mich traurig an. Sein Gesicht sah gequält aus und seine Augen waren glasig. Ohne nachzudenken, ging ich schnell auf ihn zu und umarmte ihn. In meinen Armen sackte er schluchzend zusammen.
„Sie ist tot." brachte er mit erstickter Stimme hervor. Langsam begriff mein Verstand - Selenna starb.
„Es tut mir so leid Boromir! Was ist geschehen?"
Mit meiner Unterstützung bugsierte ich ihn auf unser Ehebett. Kauernd vergrub er sich in die Kissen und schmiegte sich an mich, sobald ich mich zu ihm legte.
Erschöpft schlief er sofort ein, ohne ein Wort zu mir gesprochen zu haben. Auch am nächsten Tag hüllte er sich in Trauer und Schweigen. Erst als sein Bruder kam, erhob er sich aus dem Bett und ging einfach. Mit bedrückter Stimmung suchte Isolde mich auf. Sie kam allerdings nicht allein. Auf ihrem Arm hielt sie ein schlafendes Neugeborenes. Der Verdacht war naheliegend, dass es das Kind von Boromir und Selenna war.
„Das ist Erania - Selennas und Boromirs Tochter." stellte sie mir die Kleine ruhig vor. Fassungslos sah ich das winzige Geschöpf einfach nur an.
„Selenna ist im Kindbett gestorben - die Heiler hier konnten nichts für sie tun. Boromir brachte mir seine Tochter ... doch sie kann nicht bei mir bleiben ... . Edda hat einen Brief geschickt - ich solle Heimkehren. Unsere Wege werden sich trennen, meine liebe Freundin. Ich weiß du bist gütig und wirst Erania aufziehen wie dein eigenes Kind."
Eine Amme, die sich bisher im Hintergrund hielt, trat nun vor, verbeugte sich vor mir und brachte Erania in den Nachbarraum. Schweigend folgte ich ihr und sah, dass man bereits ein Kinderzimmer eingerichtet hatte. Ich bin also über Nacht Mutter geworden - das hätte ich mir auch nicht träumen lassen.
„Wo ist Boromir?" fragte ich die Amme. „Meine Herrin, er wurde zum Truchsess gerufen."
Eilig lief ich an Isolde vorbei zum Thronsaal. Bereits von weitem hörte ich die wutentbrannte Stimme Denethors. Sein Erstgeborener hatte ihn wohl dieses Mal bitter enttäuscht und das ließ er ihn auch spüren. Ohne nachzudenken, polterte ich in die Königshalle und verschaffte Boromir eine Atempause.
„Denethor, mein Herr! Ich beglückwünsche Euch zu Eurer wunderschönen Enkelin Erania. Sie wird mit Boromir als Vater und mir als Mutter Gondors würdig sein!" Mit einer tiefen Verbeugung versuchte ich den Truchsess milde zu stimmen.
„Erheb dich Lynea! Einzig ein Kind, geboren aus deinem Schoße und gezeugt von Boromir, wird Gondors würdig sein!" blaffte er durch die Hallen.
„Boromir, du wirst sie heiraten, schon sehr bald - sobald die siebentägige Trauerzeit vorüber ist! Ich erwarte weitere Enkel von dir - ehrbare!" befahl er seinem Sohn und verdeutlichte uns zu gehen. Mein Zukünftiger wand sich von seinem Vater ab und ging. Bei mir angekommen, packte er meinen Arm etwas schroff und führte mich zum Ausgang. Kaum dass die Tür zu fiel, drehte er mich zu sich um und fesselte mich mit seinem Blick. Er war unergründlich. War es Wut, Trauer oder Enttäuschung? Seine Stirn legte sich an meiner. „Danke." sprach er leise und demütig. Zusammen schlenderten wir durch die Gänge, scheinbar ziellos, doch ich irrte. Nach einer kurzen Zeit standen wir auf einer Terrasse mit einem sagenhaften Ausblick. Boromir bereitete seinen Umhang aus und bedeutete mir, mich zu setzen.
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Jugendliebe vergeht nicht (Eomér FF)
FanfictionEine junge Gräfin aus Hochborn wird von ihren Eltern auf der Suche nach einem würdigen Ehemann nach Edoras geschickt. Lynea verliebt sich Hals über Kopf in Eomér, jedoch wird der junge Mann nicht den Anforderungen gerecht. Eomér - gesteht sich zu sp...