Kapitel 10

86 8 3
                                    

Grelles Licht ließ mich erwachen und meinen Kopf dröhnen. Mit meiner Hand vor den Augen, schützte ich mich vor dem Sonnenlicht und versuchte mich zu orientieren.

„Ihr habt reichlich Wein fließen lassen und das Leben in vollen Zügen genossen. Das war sehr amüsant anzusehen." lachte eine mir bekannte, wohlklingende, tiefe Männerstimme. Bei seinem Klang presste ich meine Beine fest zusammen. Irgendwas warmes löste er in mir aus. Eomér trat aus dem Schatten, um sich über mich zu beugen.

„Guten Morgen meine Schöne." sagte er rücksichtsvoll leise. Nach einem Kuss auf meiner Stirn, zog er sich zurück. „Kannst du dich noch an irgendwas erinnern?" nun machte er sich über mich lustig.

Mein Kopf dröhnte, als ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Meine Erinnerungen reichten bis zu einem gewissen Punkt. „Du weißt doch mehr." schloss ich meine Schilderung.

„In der Tat. Willst du es wirklich wissen?" Seine Augenbrauen zogen sich hoch und ein schiefes Grinsen machte sich breit. Er sah umwerfend aus und ließ meine Knie weich werden. Nach der Decke greifend, um sie weiter hochzuziehen, nickte ich nur.

„Ihr vier Weiber seit den Wachen an die Wäsche gegangen und habt versucht sie ebenfalls mit viel Wein willig zu machen."

Das durfte nicht wahr sein! Meine Hände bedeckten das flammend rote Gesicht, um meine Scham zu verstecken. „Nein, das ist nicht wahr?!"

„Du hast dir an meinem Hemd zu schaffen gemacht und erst Ruhe gegeben, als ich es auszog. Dann bist du in meinen Armen zusammengesackt und grunzend eingeschlafen." Er lachte aus Leibeskräften, als er die Erzählung beendete. Mein Bedürfnis, unverzüglich in den Boden zu versinken, wuchs immer mehr. Etwas bedauerte ich auch, den Anblick seines freien Oberkörpers vergessen zu haben.

Eomér kam mit einem Kelch auf mich zu und setzte sich neben mir aufs Bett. „Uuuund ... du hast mich dann ins Bett gesteckt?" fragte ich schüchtern an mir herunter schauend. Ich hatte noch die gleichen Sachen wie gestern Abend an.

„Nachdem du an der frischen Luft den guten Wein erbrochen hast und ich mir halbwegs sicher war, dass da nichts mehr kommt – ja. Hier, trink das. Das macht den Kopf klar und bringt dich auf die Beine. Die Hochzeit findet gleich statt." Liebevoll strich er mein Haar aus dem Gesicht und mir aufbauend über den Rücken.

Das braune Gebräu war eine Geheimzutat der Trunkenbolde – so nannte man das. Es schmeckte sehr bitter und etwas nach Erde. Mein Würgereflex kam hervor und wollte die Flüssigkeit nicht meine Speiseröhre passieren lassen. Beruhigend hielt der sicherlich trinkfeste Mann seine Hand auf meinen Mund und drückte meinen Kopf in den Nacken. „Atme ruhig durch die Nase. Ich zähle bis drei und dann schluckst du das Gesöff hinunter. Bereit? Eins .... zwei ... drei!"

Geschafft! Für eine kurze Verschnaufpause legte ich meinen Kopf auf seine Schulter ab. Liebevoll hielt er mich im Arm. „Wie lange wirst du hier ... bei mir – verweilen?" er klang beinahe etwas schüchtern. Seine weiche Seite kam zum Vorschein – so wie ich ihn in Erinnerung hatte. Ich konnte es kaum erwarten, mit ihm mehr Zeit zu verbringen und sein wahres Ich zu erleben ... vorausgesetzt er ließ es noch zu.

„Man gestattet mir einen ausgedehnten Besuch." munterte ich ihn auf. Es verfehlte seine Wirkung nicht. Sofort atmete er auf und drückte mich fester an sich. „Das ist eine sehr gute Nachricht. Nun bringe ich dich zu deinem Gemach. Uns beide in einem Zimmer zu erwischen schädigt deinen und meinen Ruf. Wir müssen vorsichtig sein!"

Eomér hatte nur zum Teil recht, wovon er jedoch noch nichts wusste. Doch auch wenn ich ihm sagte, dass mein Mann mir gestattete, sich mit ihm zu vergnügen, ihm nahe zu kommen - müssen wir der Öffentlichkeit fern bleiben. Edoras und die waldreiche Umgebung bot zum Glück viele Rückzugsorte.

Langsam stand er auf und reichte mir seine Hand. Dankend nahm ich die Hilfe an und ließ mich auf die Beine ziehen. „Ich würde dich zu gerne küssen ... doch ich weiß, wie widerlich das Gebräu schmeckt." scherzte er und führte mich zu meinem Gästegemach.

„Danke." hauchte ich leise, bevor ich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir schloss und alleine in dem Raum war. Eomér neigte den Kopf, wartete noch einen Moment vor dem massiven Holz und entfernte sich mit festem Schritt.

Nicht lange, da gesellten sich Jolanda und Isolde zu mir. Wir halfen uns gegenseitig in den Kleidern mit aufwendigen Schnürungen und machten uns die Haare. Nun, im halbwegs nüchternen Zustand, fragten mich meine Freundinnen gezielter über mein Liebesleben aus. Zunächst haderte ich, dann erzählte ich von Boromirs und meinem Pakt. Das versetzte die Beiden in Erstaunen, doch das großzügige Angebot von meinem Ehemann, was Eomér anbelangte, machte sie fassungslos.

„Willst du wirklich das Angebot annehmen? Es birgt viele Risiken Lynea!" tadelte mich die Weise Jolanda.

„Ich liebe ihn, seit ich in Edoras lebe ... . Ich werde mit Eomér gemeinsam entscheiden, was wir daraus machen. Er .... hat mir seine Liebe gestanden." Beide seufzten im Chor. Die restliche Zeit sinnierten sie laut über den Krieger und mich. Das fand ein jähes Ende, als es laut an der Tür klopfte. Unsere Begleiter wollten uns zur Trauung abholen und zum Altar führen. Eowyn befand sich bereits in der Gesellschaft von Faramir, der das scheinbar sehr genoss. Isolde fand ebenfalls einen geeigneten Partner, den sie auch bald heiraten würde. Jolanda und ihr Begleiter waren noch frisch in der Verliebtheitsphase und turtelten ordentlich miteinander. Ich war nicht sonderlich überrascht, dass Eomér als mein Begleiter vor mir trat – immerhin versprach er mir das. Förmlich reichte er mir seine Hand. Ich ergriff sie nur allzu gerne. Schwielen zeigten sich auf den Handflächen und dennoch waren sie sanft – seine großen Hände. „Du bist wunderschön Lynea!" Verlegen schaute ich zu Boden und lächelte mit roten Wangen. „Ich danke dir." Mein Begleiter war noch nie ein Mann großer Worte, deswegen hatte sein Kompliment mehr Gewicht. Er selbst hatte zeremonielle Gewänder an und wirkte dadurch älter, stattlicher und reifer. Heimlich starrte ich ihn regelrecht an, was er bemerkte. Ohne mich direkt anzuschauen sprach er geradeaus. „Deine Blicke könnten deinen Ehemann eifersüchtig machen." scherzte er mit einem Zwinkern. In diesem Moment freute ich mich sehr auf unser Gespräch, was uns die Optionen aufwies, die gar nicht mal schlecht waren. Doch das musste warten.

„Er ist nicht hier." konterte ich süffisant. Mit hochgezogener Augenbraue neigte mein Begleiter ein wenig den Kopf zu mir und schmunzelte. „Nicht auf dem Mund gefallen – ganz die Alte. Es ist schön, dass dich die neuen Umstände und deine neue Heimat nicht verändert haben!"

„Du, mein Schöner, hast dich verändert. Ich hörte, dass du dich keiner Frau mehr hingabst, seit ich fortging. Außerdem .... Einst sagtest du, du kannst mir nicht geben, wonach ich mich sehne. Nun, gibst du mir, wonach mein Herz sich so sehr sehnte."

Darauf fand der schöne Mann eine knappe Antwort, da wir inzwischen den Saal mit all den Gästen betraten. „Du hast mich verändert! Als du fort warst, erkannte ich meinen Fehler – das führte zu meiner Veränderung."

Beeindruckt lief ich stumm weiter. Am Altar angekommen, trennten sich unsere Wege. Eomér nahm meine Hand in seine, verneigte sich tief und gab mir einen Handkuss.

Wir warteten, wie alle Anderen auf den Bräutigam und die Braut. Mein Begleiter stand mir gegenüber... würde er zwei Schritte nach vorne gehen und ich ebenfalls – würden wir vor dem Altar stehen und ein Versprechen für die Ewigkeit bezeugen.

Jugendliebe vergeht nicht (Eomér FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt