Kapitel 12 - Tourauftakt

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Nachdem wir eingecheckt haben, stelle ich meinen kleinen Koffer und die Handtasche in einer Ecke des Hotelzimmers ab und sehe mich um. Das Zimmer ist wirklich traumhaft schön und vor allem geräumig. Eigentlich ist es viel zu groß für mich alleine, vor allem das Bett - es muss mindestens zwei Meter breit sein.

Seufzend lasse ich mich darauf fallen, breite die Arme aus und schaue an die Decke. Jetzt bin ich also tatsächlich hier. Morgen Abend ist die erste Show der Tour und ich bin mindestens so nervös wie Felix. Morgen Vormittag wollen Nadja und ich ein wenig die Stadt erkunden, während Felix und Julian schon mal in die Location gehen und alles vorbereiten. Der Plan ist, dass wir beide gegen 15 Uhr dazu stoßen und dann anfangen, den Merch-Stand aufzubauen, damit pünktlich zum Einlass um 18:30 Uhr alles bereit ist.
Heute Abend steht nichts besonderes mehr an außer einem gemütlichen Abendessen mit der Crew, bevor es ab morgen ernst wird.

Am nächsten Tag laufe ich wie geplant mit Nadja durch die Stadt. „Und, bist du nervös?", fragt sie mit einem wissenden Lächeln. Ich atme hörbar aus. „Und wie! Irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich gar nicht vorbereitet bin und alles falsch machen werde."
Nadja lacht. „Da kannst du gar nichts falsch machen, Schatz, vertrau mir. Ich zeig dir nachher alles und dann ist das ein Klacks. Du wirst schon sehen." Sie lächelnd mich aufmunternd an und ich seufze. „Hoffentlich hast du recht. Ich will Felix nicht vor seinen Fans blamieren..."
Sie runzelt die Stirn und schüttelt den Kopf. „Wirst du nicht! Glaub mir, er ist mehr als dankbar, dass du dabei bist. Du glaubst gar nicht, wie er erleichtert er war, nachdem du zugesagt hast."
Für einen Moment schaue ich sie ein wenig ungläubig an. „Ich hätte gar nicht gedacht, dass der Ausfall von Anna so ein großes Problem für ihn ist. Er hätte doch sicher einfach jemanden von einer externen Veranstaltungsfirma buchen können, oder?"
Nadjas Lippen verziehen sich zu einem Grinsen und sie schüttelt den Kopf. „Ja, hätte er schon, wollte er aber nicht."

Unser kleiner Sightseeing-Trip ist viel zu schnell zu Ende. Um Punkt 15 Uhr kommen wir an der Halle an, wo Becci uns in Empfang nimmt. „Da seid ihr ja." Sie lotst uns durch einen Hintereingang ins Foyer und ist eine Sekunde später schon wieder verschwunden. Fragend schaue ich Nadja an. „Was war das denn?"
"Ach, das ist normal", sagt Nadja und grinst. "Becci hat am liebsten immer alles unter Kontrolle und wird schnell nervös, wenn irgendwas nicht nach Plan läuft. Vielleicht gibt es gerade Probleme beim Soundcheck oder so."
Sie lacht. "Felix wird immer halb wahnsinnig, wenn sie wie ein aufgescheuchtes Huhn um ihn herumspringt, weil sie will, dass alles klappt." Ich falle in ihr Lachen mit ein, weil ich mir sehr gut vorstellen kann, wie Felix drauf ist, wenn ihn jemand von außen zusätzlich nervöser macht, als er selbst schon ist.
"Aber bis jetzt gab es doch noch nie ernsthafte Probleme bei einer Show, oder?" Nadja schüttelt grinsend den Kopf. "Nee, natürlich nicht. Am Ende ist immer alles zumindest okay bis grandios, da drunter gibt es nichts. Aber trotzdem hat Becci jedes Mal aufs Neue Angst davor, dass doch irgendwas passiert." Sie grinst. "Zum Glück sind wir nicht mit da drin und können hier in Ruhe unser Ding machen. Komm, lass uns anfangen."

Eine halbe Stunde später haben wir es endlich geschafft, den Merch-Stand aufzubauen. "Den Part hasse ich immer am meisten", schauft Nadja, als wir uns eine kurze Pause gönnen und einen Schluck Wasser trinken. Anschließend gehen wir mit einem Rollwagen nach draußen zum Crewbus, um nach und nach die Kartons mit den Klamotten rein zu bringen. Wir holen aus jedem Karton ein Exemplar heraus und fixieren es an der Rückwand des Standes, als Anschauungsexemplar. Dann versehen wir jedes davon mit dem entsprechenden Preis.
Danach müssen wir nur noch die Kartons sortieren, erst nach Artikel und dann nach Kleidergrößen, damit wir später alles griffbereit haben.
Nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir endlich fertig.
"Beim nächsten Mal sind wir schneller, versprochen", sagt Nadja und lächelt mich ermutigend an. "Man braucht ein bisschen Routine, bis man weiß, wo alles ist, aber dann ist das schneller erledigt, als du denkst." Sie schaut auf die Uhr. "Es ist halb 6, noch eine Stunde bis zum Einlass. Wollen wir mal in die Halle gehen und schauen, wie weit die da drinnen sind?"
Ich lächele sie an und nicke heftig. "Na klar, sehr gerne!"

Wir betreten die Halle und schleichen nach vorne, wo wir uns in der vierten Reihe auf zwei Stühlen niederlassen. Dabei versuchen wir, so leise und unauffällig wie möglich zu sein, um Felix nicht zu stören.
Der scheint gerade bei den letzten Proben zu sein. Als er fertig ist, lässt er seinen Blick durch die noch leere Halle schweifen, bis er uns entdeckt. Er grinst in unsere Richtung, hüpft von der Bühne und kommt auf uns zu. Wir stehen auf und umarmen ihn zur Begrüßung - schließlich haben wir ihn seit gestern Abend nicht mehr gesehen. Aus irgendeinem Grund hatte Felix heute Morgen nicht frühstücken wollen.
"Na, wie geht's euch?", fragt er und lächelt uns an. "Hat alles gut geklappt?"
Die Frage bringt mich zum Lachen. Er wird heute Abend eine Show vor 5000 Leuten spielen und fragt, wie es UNS geht? Das ist so typisch für ihn. Ich schüttele grinsend den Kopf.
"Alles in bester Ordnung, danke der Nachfrage. Wie geht's dir denn?"
"Jetzt wieder gut." Er lacht. "Vorhin hatten wir kurz Probleme mit dem Ton, aber zum Glück hat Belz das schnell wieder lösen können." Nadja wirft mir einen wissenden Blick zu. Hab ich's dir nicht gesagt?
Kurz tauschen wir beide ein vielsagendes Grinsen, dann richte ich meinen Blick wieder auf Felix. "Dann bin ich ja froh."
Nadja lacht kurz auf und verdreht die Augen. „Hat Becci wieder Alarm geschlagen?" Felix lacht auf und winkt ab. "Katastrophe, ich sag's dir." Die beiden lachen.
"Dann geh ich mal kurz nach ihr schauen", sagt Nadja und winkt uns zu, bevor sie Richtung Backstage-Bereich verschwindet. Ich sehe ihr nach und seufze auf.
Felix schaut mich besorgt an. "Was ist? Bist du aufgeregt wegen nachher?"
Ein wenig nervös lache ich auf und schüttelte den Kopf. "Nein. Also... ja, schon, aber das sollte wirklich nicht deine Sorge sein." Ich werfe ihm mein selbstsicherstes Lächeln zu, auch, wenn es wahrscheinlich komplett aufgesetzt wirkt.
"Ich krieg das schon hin. Nadja ist ja da. Mach dir um mich gar keine Gedanken."
Felix nickt verständnisvoll und sieht mich ernst an. "Ja genau, wenn irgendwas ist, gib ihr einfach kurz Bescheid. Sie kennt sich bestens aus und kann dir mit allem helfen."
Dann kommt er einen Schritt auf mich zu. "Danke nochmal, dass du eingesprungen bist", flüstert er und lächelt mich dankbar an. Ich nicke langsam und erwidere sein Lächeln.
"Ist doch selbstverständlich."

Midnight Rain (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt