Kapitel 13 - Drinks

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Als Nadja und ich pünktlich zum Einlass wieder auf unserem Posten stehen, klopft mir das Herz bis zum Hals. Nadja drückt meine Hand und lächelt mich ermutigend an. "Es gibt gar keinen Grund, nervös zu sein", sagt sie. Dann deutet sie auf einen Karton unter dem Tresen und grinst.
"Zur Not haben wir immer noch die. Das ist das ultimative Bestechungsmittel für die Fans." Sie hebt die Lasche des Kartons an und ich runzele die Stirn. "Autogrammkarten? Wirklich?" Sie nickt und grinst.
"Die habe ich immer hier, aber nicht jeder bekommt eine. Nur die, die besonders nett sind oder Trinkgeld geben." Sie zwinkert mir zu und augenblicklich muss ich lachen.

Tatsächlich ist es gar nicht nötig, Felix' Fans zu bestechen - sie sind auch so die nettesten Menschen der Welt. Es kommt mir so vor, als würden die meisten davon Nadja schon von anderen Shows kennen, denn während sie ihnen die Shirts und Pullover raussucht, unterhält sie sich mit ihnen, als wären sie alte Bekannte. Ich kann nicht anders, als Nadja beeindruckt anzuschauen. Die Leichtigkeit hätte ich auch gerne...
Als der Showbeginn immer näher rückt, das Foyer sich leert und immer mehr Fans in Richtung Saal strömen, weiß ich gar nicht, wo mir der Kopf steht. Ich lehne mich gegen die Rückwand des Stands und atme erleichtert aus. Nadja lächelt mich triumphierend an. "Hab ich's dir nicht gesagt? War ein Kinderspiel, oder?" Ich lache auf. "Naja, so würde ich das jetzt nicht direkt nennen, aber es war deutlich weniger schlimm, als ich gedacht habe."
Sie grinst mich an. "Da bin ich aber froh. Und Felix wird sich auch freuen, wenn er das hört."

Als Nadja und ich die Kartons zurück in den Bus gebracht haben, ist es fast 23 Uhr. Wir machen uns auf den Weg ins Backstage, wo Felix gerade mit Julian, Becci und seinem Fotografen Marvin eine Flasche Sekt geöffnet hat. Als Felix uns reinkommen hört, richtet sich sein Blick sofort auf mich und er steht auf. "Na, wie war's?" Er lächelt und schaut mich fragend an. Überrascht lache ich auf. "Eigentlich sollte ich dir diese Frage zuerst stellen!" Ich grinse ihn an. "Aber wenn du es wirklich so dringend wissen willst: es war wirklich nicht so schlimm wie gedacht. Deine Fans sind super nett! Ein paar haben mich gefragt, wie ich heiße und wollten mit Nadja und mir ein Foto machen." Ungläubig schüttele ich den Kopf. Felix' Lippen breiten sich zu einem erleichterten Lächeln aus.
"Das freut mich sehr. Hier", sagt er und greift nach einem leeren Glas, das er mit Sekt füllt und mir reicht. "Hast du dir verdient." Er gießt auch Nadja ein Glas ein und wir stoßen alle zusammen an, dann setzen wir uns auf die kleine Couch. Nadja lässt sich in einen großen Sitzsack fallen, nimmt einen großen Schluck von ihrem Sekt und macht ein Geräusch, als wäre sie tagelang am Verdursten gewesen. Ich kichere, dann wende ich mich an Felix. "Und, wie war's bei dir?"
Er zuckt mit den Schultern und verzieht das Gesicht. "Noch ein wenig unsauber, aber das ist normal, wenn ich die Show ein paar Wochen am Stück nicht mehr vollständig gespielt habe. Das bessert sich mit den nächsten Shows wieder. Den Leuten hat's aber gefallen. Alle haben richtig begeistert gejubelt und am Ende gab's Standing Ovation, wie fast immer." Er lächelt verschlagen. "Das zeigt mir immer wieder aufs Neue, dass ich den richtigen Karriereweg eingeschlagen habe."
Zufrieden lächele ich ihn an. Es ist so schön, das zu hören. Ich weiß noch ganz genau, wie es war, als Felix damals mit Poetry Slam angefangen hat und irgendwann sein Studium wegen der Comedy abgebrochen hat. Es war ein harter Weg, bis er dort angekommen ist, wo er heute steht, aber es hat sich offensichtlich gelohnt.

Eine Stunde später fahren wir zurück zum Hotel. "Hat noch jemand Lust, mit an die Bar zu kommen?", fragt Felix, als wir in der Lobby stehen. Julian und Becci schütteln den Kopf und auch Nadja macht eine ablehnende Handbewegung. "Nein Danke, vielleicht morgen. Ich bin völlig erledigt", sagt sie und gähnt, als würde sie ihre Worte damit nochmal extra betonen wollen. Wir lachen und Felix schaut mich fragend an. "Und du?" Kurz überlege ich. Eigentlich bin ich auch hundemüde und würde am liebsten einfach nur schlafen, aber andererseits würde ich mich auch schlecht fühlen, auch noch abzusagen. Kurz zögere ich, dann nicke ich. "Ja, wieso nicht?"

Um halb 3 sitzen wir noch immer an der Bar und haben jeder einen Cocktail in der Hand. Ich fühle mich nicht betrunken, aber definitiv beschwipst. Gerade bin ich in einer Art Dauer-Lachanfall gefangen, während Felix mir eine Anekdote nach der anderen erzählt. Scheinbar lockert der Alkohol seine Zunge oder er ist heute besonders in Plauderlaune - egal, was es ist, aber etwas scheint dafür zu sorgen, dass er heute das Bedürfnis hat, mir Dinge zu erzählen, die er mir jahrelang verschwiegen hat.
"Ein junges Mädel wollte mal, dass ich ihre Brüste signiere", sagt Felix kichernd und nimmt einen Schluck von seinem Drink. "Ich wollte das wirklich nicht machen, sie hat sich aber nicht abwimmeln lassen. Und irgendwann hat sie mir dann zum Tausch einen Blowjob angeboten!" Ich pruste los. "Und, hast du das Angebot angenommen?" Felix schaut mich entgeistert an. „Nein!!!"
Wir lachen, bis wir keine Luft mehr bekommen. "Jetzt versteh ich, warum du erstmal die Schnauze voll von Frauen hast", sage ich grinsend und wische mir die Lachtränen aus den Augen. Felix grinst ebenfalls und zuckt mit den Schultern. Er lässt seinen Blick zu seinem Glas wandern. „Habe ich ja nicht grundsätzlich. Ich hab einfach keine Lust mehr auf Frauen, die sich nur mit mir treffen wollen, um danach rumerzählen zu können, dass sie mit dem Comedian Felix Lobrecht im Bett waren." Felix trinkt sein Glas aus, stellt es vor uns auf der Theke ab und verdreht die Augen.
Ich zögere, bevor ich die nächste Frage stelle. Irgendwie haben wir noch nie so detailliert darüber gesprochen, aber jetzt interessiert es mich. "Aber... also... nach der Trennung von Lea war das doch genau das, was du wolltest. Also One Night Stands und bloß nichts Ernstes. Ist das nicht mehr so?"
Felix denkt einen Augenblick nach, dann zuckt er mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Eine Zeit lang hat mir das Spaß gemacht - das körperliche, meine ich, aber... keine Ahnung, ich hab das jetzt einfach durch, weißt du? Ich glaube, ich wäre langsam auch wieder dazu bereit, jemanden längerfristig in mein Leben zu lassen. Das wäre echt schön... eine Frau, mit der ich auch auf emotionaler Ebene connecten kann, die mich wirklich unterstützt."
Er seufzt. „Ich weiß aber auch, dass es nicht viele Frauen gibt, die dieses Leben hier mitmachen würden." Er macht eine ausladende Geste in den Raum hinein. "Also auf Tour sein, ständig unterwegs und so. Das ist nicht unbedingt die beste Voraussetzung für eine Beziehung."
Felix lächelt mich an, doch jetzt hat sein Lächeln nichts Belustigstes mehr. In seinen Augen liegt eher eine Art... Traurigkeit? Ich schlucke, dann nicke ich verständnisvoll.
"Eines Tages findest du bestimmt die eine Frau, die dich wirklich liebt." Ich lege meine Hand auf seine und lächele ihn aufmunternd an. "Und sie wird das alles hier genau so akzeptieren, wie es ist und für dich da sein, egal, was passiert."
Kurz weicht er meinem Blick aus und schaut auf den Boden vor uns, dann sieht er mich wieder an. Er hebt leicht einen Mundwinkel hoch und lächelt schwach. "Ich hoffe es."

Midnight Rain (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt