3 || House of Memories

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Wach werde ich am nächsten Tag von einem Albtraum. Ich schrecke etwas unsanft auf, nur um daraufhin von Schmerzen in meinem Bauch begrüßt zu werden. Die Bewegung war zu hastig, weshalb ich mit einem Arm an die Wunde kam.

Als ich realisiere, wo ich bin, sacke ich langsam wieder im Sofa zusammen. Mein Blick fällt zum anderen Sofa, wo Daryl sitzt und mich beobachtet. Hat er überhaupt geschlafen? „Schlecht geträumt?", fragt er nur und beginnt sich seine Stiefel anzuziehen. Ich nicke nur und setze mich auf. „Allerdings kann ich mich nicht mehr genau erinnern". Dieses Problem habe ich schon immer. Ich habe sehr intensive Träume, meist gruselige, aber erinnern kann ich mich zum Glück nur selten.

Daryl tut so, als hätte er meine Antwort gar nicht verstanden. Er steht auf, hängt sich die Armbrust über die Schulter und verschwindet in einen anderen Raum. Ich schüttele nur mit dem Kopf. Ich bemühe mich wirklich ihn zu verstehen und sogar mit ihm warmzuwerden, aber seine abfällige Haltung mir gegenüber, gepaart mit dem Fakt das er ständig bewaffnet ist, macht es wirklich schwer. Vorsicht ist schön und gut, aber das höchste der Gefühle, was ich ihm gerade antun könnte, wäre ein Tritt in die Eier, und selbst den würde ich in meinem Zustand nicht hinkriegen. Auch wenn ich es andersrum vielleicht nicht viel anders machen würde, deprimiert es mich immer noch.

Ich schiebe mit einem Fuß meine Stiefel, die etwas weiter weg stehen, zu mir und schlüpfe hinein. Der Schlaf hat Wunder bewirkt. Natürlich schmerzen die Wunden, sowie der gebrochene Arm noch etwas, aber ich fühle mich nicht mehr so schwach und ich habe auch nicht mehr das Gefühl jeden Knochen in meinem Körper zu spüren. Ich atme einmal durch und stehe auf, nur um zu merken, dass es fast federleicht geht. Es freut mich wirklich.
„Daryl?", rufe ich. „Küche", ertönt seine Stimme kurz darauf. Ich folge ihr. Der Geruch von Kaffee steigt mir in die Nase und ich kann meinen Augen kaum trauen, als ich Daryl in der Küche angekommen wirklich welchen machen sehe. „Du läufst, ohne dass ich dich halb tragen muss. Ich hab doch gesagt, dass du den Schlaf brauchst", sagt er, ohne auch nur einmal seinen Blick von den zwei Tassen auf der Arbeitsfläche abzuwenden. Ich höre kaum, was er sagt, zu unwirklich scheint mir dieser Anblick zu sein. Ich möchte mich kneifen. Ich stehe in einer Küche, in einem normalen Haus, was in einer fast normalen Straße steht und trinke gleich den ersten Kaffee in Jahren. Meine letzte Gemeinschaft war auch nicht untätig. Wir hatten Hütten und alles, was wir brauchten zum Überleben, aber das ist kein Vergleich zu dem allen hier. Ich habe so lange in diesen Hütten und im Wald gelebt, das ich fast vergessen habe, das es sowas wie hier mal wirklich normal war.

„Shelby...", reißt mich Daryl plötzlich aus meinen Gedanken. Ich erschrecke mich fast etwas und sehe ihn entgeistert an. Daryl hält mir eine der Tassen hin. „Es ist etwas Zucker drin. Milch haben wir leider nicht". Ich nehme die Tasse an mich und trinke einen großen Schluck, trotz dass es heiß ist. „Danke", murmle ich leise und genieße es sonst einfach nur. Daryl sieht mich an und scheint etwas amüsiert zu sein. Ich bin so sehr auf diesen Kaffee fokussiert, dass ich erst gar nicht merkte, dass Daryl mir gerade so etwas wie Nettigkeit damit entgegengebracht hatte.

„Hör zu, ich gehe gleich jagen. An sich will ich eigentlich, dass du in meinem Blickfeld bleibst, aber du bist mir da draußen mehr eine Last in deinem Zustand. Ich übergebe dich gleich Carol und sie geht mit dir zu Denise. Ich hoffe, du bist nett zu Carol und stellst keinen Blödsinn an. Das ist mir wichtig", sagt er. Ich stelle die mittlerweile leere Tasse auf der Arbeitsfläche ab und sehe ihn an. „Ich bin zu jedem nett, der nett zu mir ist. Das war ich schon immer, außerdem bin ich immer noch nicht hier um irgendjemanden zu schaden, aber das verstehst du ja nicht". Daryl nimmt die Tassen und stellt sie in die Spüle, dann wendet er sich wieder zu mir. „Wie auch immer. Sehe es als Privileg, dass ich dich kurzzeitig aus den Augen lasse. Diese Leute da draußen sind meine Familie und somit heilig. Du allerdings bist und bleibst fremd! Du scheinst genug Grips im Kopf zu haben, aktuell keine Dummheiten anstellen zu wollen, nur weiß ich leider noch nicht, ob das wirklich so bleibt. Du kannst so oft sagen wie du willst, dass man dir vertrauen kann, aber es ändert nichts. Worte bedeuten heutzutage einen Scheiß, und das solltest du in all der Zeit gelernt haben, also hör auf das, was ich sage und verschone mich mit deinen unterschwelligen Bemerkungen". Noch bevor ich was sagen kann, verlässt er den Raum und Puff ... da verfliegt dieser kleine Hauch von potenzieller Freundlichkeit wieder. Seine Worte verletzen mich mehr als mir lieb ist. Ich brauche einen Moment zum Durchatmen. Meine momentane Schwäche und Verwundbarkeit kotzt mich an und zum ersten Mal seitdem ich hier bin, wünsche ich mir wieder draußen zu sein. Zwar war ich permanenter Gefahr ausgesetzt, aber es gab keinen Daryl der mich mit ein paar Worten so kränken konnte. Ich weiß nicht einmal, warum sie mich so kränken. Normalerweise hätte ich Leuten wie ihm in den Arsch getreten.

Exile || Daryl DixonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt