II. Anstrengender Tag

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Die Königin war im Laufe der Jahre damit beschäftigt, den perfekten Prinzen aus Merit zu machen. Er hasste es. Na ja, Hassen ist ein starkes Wort, aber zufrieden war er mit seinem Schicksal sicherlich nicht. Ich glaube, diese Konversation hatten wir schon oft geführt. Im Grunde genommen jeden Tag, nachdem er wieder wegen jeder kleinsten Bewegung kritisiert wurde.

Ich war noch nicht mal richtig in seinem Zimmer drin, um ihm ein Stück Kuchen und etwas zu trinken zu bringen, da stöhnte er schon genervt von seiner Position auf dem Bett auf. Er grummelte irgendwas Unverständliches, als ich ihm das Tablett auf den Schoß stellte und mich dann an die Wand lehnte. Eigentlich durfte ich sowas gar nicht.

Immer gerade stehen. Nie lange im Umkreis der Königsfamilie bleiben, außer es wird von dir verlangt. Sowas wie an der Wand lehnen und mit Merit reden war nicht gern gesehen, aber solange Maudie nicht hineinkam, störte es auch niemanden.

Merits Augen leuchteten auf, als er das Küchlein sah. Süß, war mein erster Gedanke, den ich mir gleich wieder aus dem Kopf schlug. Er ist der Prinz. Ihr seid zwar befreundet, aber dass ich schon seit geraumer Zeit irgendwie auf ihn stehe, war wirklich zu viel. Er ist aber auch über die Jahre immer attraktiver geworden. Es war nur eine Frage der Zeit.

Denk dir keine Ausreden aus. Das ist kein Märchen, wo das Bauernmädchen mit dem Prinzen zusammenkommt.

Du bist schon lange kein Bauernmädchen mehr.

Hör auf damit.

Merit bedankte sich grinsend bei mir, bevor er den ersten Bissen nahm. "Das hab ich gebraucht." "So schlimm?" Er seufzte, nachdem er den letzten Bissen genommen und sein Wasser getrunken hatte. Ich verstand bis heute nicht, wie er so schnell essen konnte, ohne auch nur den Funken von Bauchschmerzen zu bekommen.

"Meinen Brüdern würde man einen Mord verzeihen und mir überhaupt nichts. Ich bin ein Vorbild. Ich konnte ja wohl kaum wissen, dass ich genau dann in den Kronsaal gerufen wurde, wenn ich gerade genüsslich in meinem Apfel beiße. Das durfte ich mir heute den ganzen Tag anhören. Wir haben geübt, im Kronsaal zu sprechen. Ich war wieder zu leise, zu emotionslos, zu undeutlich, zu ... ach was weiß ich schon?" Er ließ sich theatralisch auf das Bett zurückfallen, während ich das Tablett wegnahm. Für mein Lachen kassierte ich einen bösen Blick von ihm.

Jeden Tag war es irgendwas Neues, was ihm aufgetragen wurde. Er tat mir schon leid. Elinor konnte ziemlich streng werden.

"Du bist eben ein Prinz. Daran kannst du nichts ändern. Und irgendwann kriegst du das schon hin." Er seufzte wieder. "Ich will gar kein Prinz sein." "Das stimmt nicht. Du willst nur die Verpflichtungen nicht haben."

Sein Grinsen kehrte wieder zurück, was mich selbst lächeln ließ. "Du hast recht. Ich bin froh, dass den Rest des Tages nichts ansteht." "Soll ich dir Angus bereit machen lassen?" Er schüttelte mit dem Kopf und winkte gleichzeitig ab. "Es ist schon später Nachmittag. Da komme ich nicht weit."

"Dann lasse ich dich ab jetzt in Ruhe deine Freizeit genießen." Langsam sollte es auch irgendjemandem aufgefallen sein, dass ich nicht da war. Ich hatte gerade den Türknauf in die Hand genommen, als er mich stoppte. "Brauchst du noch irgendwas?", fragte ich, während ich zu ihm über die Schulter sah. Er saß aufrecht im Bett und ließ gerade seine Hand sinken, als hätte er vorher nach mir greifen wollen. Der Versuch wäre zwecklos gewesen. Seine Tür ist zu weit von seinem Bett entfernt und so schnell hätte er nicht aufspringen können.

Er räusperte sich und hielt kurz inne. "Merit?" "Nein, alles gut. Ich brauch' nichts mehr." Komisch. Mit einem Nicken verließ ich sein Zimmer und ich hätte schwören können, dass ich ihn irgendwas wie 'Sei kein Idiot' seufzen gehört hatte. Ich versuchte, nichts hineinzuinterpretieren. Immerhin hätte ich mich genauso gut verhört haben können.

Mit meinem Tablett ging ich in die Küche, wusch alles ab, bevor ich den anderen bei der Vorbereitung für das Abendessen half. Es ist kein Wunder, dass einige Leute für jede Mahlzeit in der Küche stehen mussten, denn sämtliche Männer der Königsfamilie aßen für ihr Leben gern.

Merit war da noch relativ harmlos, da er einfach nur einen ziemlichen Süßzahn hatte. Man musste nur ab und an einen großen Teller voll Gebäck machen und schon ist er zufrieden. Wenn man nicht hinguckt, ist es auch gut möglich, dass er nicht einmal wartet, bis ich ihm das Essen hochgebracht habe, sondern man kommt einfach in die Küche und findet den Gebäckteller verschwunden wieder. Dann ist die Chance hoch, dass es entweder Merit oder die Drillinge waren. Die hingegen essen alles, was gut aussieht und einfach so herumsteht.

Fergus dagegen isst alles, was an Fleisch erinnerte, und davon auch Mengen, bei denen mir manchmal nur beim Anblick schlecht wurde. Aber da wir sowieso nur zur Vorbereitung da sind, kann mir das Essverhalten der Männer, mal abgesehen davon, dass es viel Arbeit machen, ziemlich egal sein. Das ist zumindest eine Sache, die ich mit Elinor gemeinsam habe. Zufrieden mit dem Essverhalten ihrer Söhne und ihres Mannes ist sie nämlich nicht. Nur, dass sie sich darüber beschweren durfte, was sie auch zur Genüge tat. Ich durfte mir alles von Merit anhören. Aber da ihre Beschwerden nie wirklich angenommen werden, versucht sie es, den Großteil des Essens zu ignorieren, bis ihr irgendwas gehörig gegen den Zeiger geht.

Nachdem wir das Essen zum Tisch gebracht hatten, war mein Tag auch zu Ende. Ich ging dementsprechend schlafen, bis ein neuer Tag mit demselben Muster anbrach. Aufstehen, arbeiten, vielleicht mit Merit sprechen, was meist das Highlight des Tages war, und wieder schlafen gehen. Trotz dessen, dass das vielleicht ziemlich langweilig oder anstrengend klingt, war ich zufrieden, so wie es war. Die Vergangenheit konnte ich nicht ändern und mein jetziges Jetzt könnte weitaus schlimmer sein. Deswegen beschwerte ich mich nicht.

Ich lebte mein Leben einfach einen Tag nach dem anderen, bis mir eine einzige Sache gehörig in den Bauch treten sollte. Nämlich als mir Maudie, kurz nachdem wir das Abendessen serviert hatten, drei Briefe in die Hand drückte, die ich der Königin bringen sollte.

Mich hätte der Inhalt dieser Briefe nicht so aus der Bahn werfen sollen, wie er es getan hatte.


Verändertes Schicksal (m.Merida - Merida)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt