IX. Naschen mit Folgen

96 7 4
                                    

Das 'Mit der Wand verschmelzen' hat sichtlich wenig geklappt, als ich an Merits Seite gekuschelt aufwachte. Ich schreckte hoch, was Merit sofort seine Augen öffnen ließ. Doch er schien nicht geschlafen, sondern einfach nur die Augen geschlossen und den Morgen genossen zu haben. "Du warst schon wach?" Er zuckte nur grinsend mit den Schultern. "Ich konnte ja schlecht aufstehen." "Du hättest mich wecken können", stellte ich fest und fragte mich, warum er es nicht getan hatte, denn seine Antwort brachte mir nichts. "Ich war nicht lange wach."

Gerade wollte ich das kommentieren, als ich Elinor bemerkte. Sie hatte einen Tisch aufgebaut und saß vor einem Stück Holz, das als Teller fungierte. Merit erhob sich ebenfalls und sah fragend zu seiner Mutter. Er muss wirklich gerade erst wach geworden sein, wenn er das nicht bemerkt hatte. Oder er war auf etwas anderes konzentriert ...

"Guten Morgen", meinte Merit, während er seinen Bogen auf den Tisch legte und sich an die Tischseite neben seiner Mutter setzte. Der dritte 'Teller' stand Elinor gegenüber, weshalb ich mich dahin setzte. Elinor, die es schon immer nicht leiden konnte, wenn Merit seinen Bogen auf den Tisch legte, meckerte auch diesmal, nur dass Merit nicht gleich darauf kam, was sie wollte. Oder er wollte es einfach nicht verstehen. "Was?"

In flehendem Ton, soweit Bären das hinbekamen, versuchte sie Merit ihre Bedenken zu erklären. Was im Grunde nichts nützte. "Entschuldige, ich sprech' kein Bärisch." "Nimm einfach den Bogen vom Tisch", meinte ich, woraufhin Elinor mit den Armen wedelte, als würde sie 'Na endlich' sagen. Merit verdrehte nur lächelnd die Augen und lehnte den Bogen an den Tisch, was Elinor zufrieden lächeln ließ. Sie griff sich Messer und Gabel oder besser gesagt zwei kleine Ästchen, die dem Besteck am nächsten kamen, und versuchte eine Beere zu schneiden, die allerdings nur in Merits Gesicht landete, woraufhin Elinor schockiert einatmete und die Beeren mit den Pranken aß.

Merit jedoch nahm sich eine Beere und inspizierte sie, bevor er sich an seine Mutter wendete. "Die hast du unten am Fluss gefunden, oder?" Sie nickte stolz. "Das sind rote Runzbeeren." Schockiert riss ich die Augen auf und war froh, dass ich mir noch keine genommen hatte. "Die sind giftig", erklärte ich Elinor, da sie genüsslich weiter aß.

Sie hielt kurz inne, als müsste sie verarbeiten, was gerade gesagt wurde, bevor sie die ganzen Beeren wieder ausspuckte und mit Wasser nachspülte. Merit hatte aber auch da etwas zu sagen. "Wo hast du denn das Wasser her? Da sind Würmer drin." Und schon durfte sich das Gras um etwas Wasser begnügen.

Merit lachte nur, bevor er aufstand, seinen Bogen nahm und an seiner Mutter vorbeiging. "Na kommt schon. Wir holen uns was zum Frühstück."

Nicht weit von der zerstörten Hütte fanden wir einen Fluss. Ich schätzte mal, dass Merit gewusst hatte, dass der Fluss da war, so zielsicher wie er uns hierhin geführt hatte. Im Strom schwammen ziemlich viele Fische, weshalb Merit gleich seinen Bogen spannte und beim ersten Versuch einen traf. Seine Mutter klatschte, während ich ihm nur lächelnd zusah. Wenn er in seinem Element war, dann hatte er irgendwas an sich, das mich nicht weggucken ließ.

Merit warf seiner Mutter nur einen schnippischen Kommentar zu, während er den aufgespießten Fisch in der Hand hielt. "Ich dachte, Prinzen dürfen keine Waffen haben?" Zuerst nickte Elinor, wie als hätte Merit es endlich verstanden, bis sie mit den Augen rollte, nachdem sie realisiert hatte, was er eigentlich meinte.

Ich machte mich gleich daran, ein Feuer zu machen, denn erstens konnten Merit und ich keinen rohen Fisch essen und zweitens wollte Elinor keinen rohen Fisch essen. Während ich den ersten Fisch mit einer kleinen Konstruktion aus Stöcken über dem Feuer hielt, fischte Merit noch einen. Den ersten gab ich Elinor, die zuerst ein Stück davon mit ihrem hölzernen Besteck aß, als Merit mit dem zweiten kam. Er legte ihn übers Feuer, bevor er sich neben mich setzte, genau im selben Moment, wie Elinor ihr Besteck wegschmiss und mit voller Wucht in den Fisch biss.

Ich zuckte zurück, was mich im Endeffekt in Merits Armen landen ließ. Instinktiv legte er die Hände an meine Taille, um mich zu stabilisieren. "Hey, alles ist gut", meinte er ruhig. Seine Mutter erhob sich gerade wieder und tippte sich den Mund mit einem Blatt sauber, als wäre vorher nichts gewesen. Ich atmete auf.

"Siehst du? Alles in Ordnung." "Du hast recht." Sein Lachen jagte mir eine Gänsehaut über den ganzen Körper, und die Stellen, die er berührte, kribbelten sanft. Mir wurde warm und das hatte nichts mit dem Feuer zu tun. "Das hört man nicht oft." Unsere Nähe wurde mir nur allzu bewusst, und da seine Mutter präsent war, rückte ich wieder auf meinen ursprünglichen Platz. Ich glaubte, einen enttäuschten Seufzer von ihm zu hören, doch als ich zu ihm sah, blickte er nur genervt zu seiner Mutter, die zwei Finger hochhielt. Sie wollte noch mehr.

Irgendwas grummelte Merit von "Ich wollte gerade anfangen zu essen", während er sich den Bogen nahm und zum Wasser ging, nur um kurze Zeit später wiederzukommen.

Unser Fisch war fertig und ich nahm ihn vom Feuer, bevor Merit die zwei neuen aufspießte. Wir teilten uns den Fisch, während Elinor ihre zwei aß.

Als wir gerade fertig waren, hielt Elinor vier Finger hoch, woraufhin Merit nur genervt auf den Fluss deutete. Geschlagen setzte sie ihre Krone ab und trottete ins Wasser, bevor sie verzweifelt versuchte, Fische zu fangen. Ohne Erfolg. Ich würde allerdings nicht besser aussehen, da war ich mir sicher.

"Na komm. Helfen wir ihr." "Mach du das mal. Ich bin keine große Hilfe." "Ach komm. Ich zeigs dir. Wenn du den Dreh raus hast, ist es wirklich einfach." "Klar", meinte ich eigentlich sarkastisch, aber Merit nahm es beim Wort und zog mich schnell auf die Füße. "Lass mich nur noch das Feuer ausmachen."

Er nickte und ging zu seiner Mutter, während ich das Feuer mit Erde bedeckte, bis es aus war. Das hatte eine kleine Weile gedauert und als ich zurück zu Merit und Elinor sah, waren beide klitschnass und lachten mehr, als dass sie Fische fingen. Sie schienen wirklich viel Spaß zu haben, weshalb ich mich nicht einmischte und einfach das Holzgestell aufräumte.

Doch als ich den letzten Stock in die Hand nehmen wollte, glitt meine Hand einfach hindurch. Ich probierte es mehrmals, da ich meinen Augen nicht trauen konnte, doch immer mit demselben Ergebnis. Meine Hand hatte auch ihre natürliche Farbe verloren. Sie schimmerte durchsichtig, als würde man versuchen, durch leichten Nebel zu schauen. Die anderen Hand war nicht anders. Man konnte zwar die Konturen erkennen, doch normal war das nicht. Hatte das irgendwas mit dem Zauber zu tun?

Ich wollte nach Merit rufen, doch als ich zum Fluss sah, waren sowohl Merit als auch Elinor verschwunden.


Verändertes Schicksal (m.Merida - Merida)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt