Die Woche zog viel zu schnell vorbei. Ich hatte nicht einmal Zeit, noch irgendwas mit Merit zu unternehmen, denn alle Angestellten der Burg hatten die Hände voll zu tun. Ich war keine Ausnahme.
Der Tag, an welchem die Lords ankamen, war, auch wenn mein Gefühlszustand etwas ganz anderes sagte, ein wunderschöner Tag. Der Himmel war klar, die See war ruhig, als hätte Mutter Natur alle Vorkehrungen getroffen, dass die Lords per Schiff sicher ankamen. Ein bisschen hatte ich mir gewünscht, dass sie aufgrund eines Sturms oder so nicht ankommen würde. Das hätte alles zwar nur herausgezögert, von daher bringe ich es lieber so schnell wie möglich hinter mich.
Ich wollte gerade an Merits Tür klopfen, als seine Mutter herauskam. "Die Lords werden jeden Moment eintreffen, Eure Majestät." Sie nickte mir nur zu, bevor sie Richtung Thronsaal ging. Schnell ging ich in Merits Zimmer, bevor die Tür sich schloss. Seine Haare waren aufwendig mit einem goldenen Band zusammengeknotet, sodass sie nicht mehr wild auf seinem Kopf saßen, auch wenn mir das besser gefiel. Noch dazu trug er einen eng anliegenden Anzug, der anscheinend auch eine Spur zu eng war, so gezwungen aufrecht, wie er stand. Merit zupfte sich gerade eine Strähne aus der Frisur, die ihm danach lose im Gesicht hing.
"Ich sterbe, wenn ich das ein paar Stunden anhabe." "Tja, da musst du wohl durch, denn du musst jede Sekunde auf deinem Thron sitzen." "Du machst es nicht besser", grummelte er. "Was man nicht alles macht, um den Frauen zu gefallen." Er zog fragend eine Augenbraue hoch. "Dir gefällt sowas?" Ein leises Lachen entfuhr mir, bevor ich antwortete. "Wenn du weniger gezwungen aussehen würdest, vielleicht. Aber den Bewerberinnen wird es bestimmt gefallen." Er murmelte nur irgendwas von "Ist mir egal, was die denken."
"Soviel ich auch noch mit dir reden würde, bekomme ich Ärger, wenn du nicht gleich unten bist." Er seufzte kurz, als hätte er nicht genug Luft für ein längeres Ausatmen. "Dann gehen wir."
Gerade als wir unten im Kronsaal angekommen waren, wurden auch schon die drei Clans angekündigt.
Schnell platzierten wir uns alle. Ich stand neben Maudie ungefähr parallel zu Merit an der Wand. Auf jeden Fall konnte ich sehen, wie seine Mutter die lose Strähne wieder zurücksteckte, was Merit sofort ungeschehen machte. Allerdings machte mich die Bärenstatue, neben der ich stand, ein wenig nervös. Seit dem Unfall damals bin ich nicht unbedingt der größte Fan von Bären. Um ehrlich zu sein haben ich eine Scheißangst vor ihnen. Aber mit der Statue sollte ich vielleicht für die nächste Stunde klarkommen. Hoffentlich.
Eine ganze Welle von Männern marschierte in den Kronsaal hinein. Alle mit Speeren bewaffnet, was mir nur minimal Sorgen machte. Jeder Clan hatte dazu noch ein Schild mit dem jeweiligen Symbol darauf. Somit wusste ich zumindest, wer welcher Clan war.
Fergus erhob sich, als die Menge sich beruhigte, bevor er eine Rede anfing, die er definitiv gerade improvisierte. Die Reaktion seiner Frau sagte alles. Ein Augenrollen, bevor sie sich selbst erhob und die Rede selbst hielt.
"Wir sind hier versammelt für die Präsentation der Bewerberinnen." Ich sah Merit, wie er sich, ganz gegen sein Training, an den Thron anlehnte und die Hände vor der Brust verschränkte. Man konnte ihm ansehen, dass er überhaupt keine Lust hierauf hatte. Als er meinen Blick einfing, lächelte ich, um ihn aufzuheitern, doch er schien nur zu seufzen.
Clan Macintosh begann. "Eure Majestät, dies ist meine Erbin und älteste Tochter, welche unser Land gegen die Eindringlinge aus dem Norden verteidigte und mit ihrem Schwert besiegte sie Tausende unserer Feinde." Das Mädchen sah nicht schlecht aus, das musste man ihr lassen. Sie hatte gepflegte schwarze Haare und hantierte geschickt mit ihrem Schwert. Ich bezweifelte aber, dass die Geschichte stimmte. Als ich zu Merit sah, rollte er nur mit den Augen.
Als Nächstes kam Macguffin. "Verehrte Majestät, ich präsentiere meine älteste Tochter. Sie versenkte die Wickingerlandschiffe und mit ihren bloßen Händen vernichtete sie zweitausend Feinde." Das schüchtern aussehende Mädchen mit blonden Haaren hielt einen kleinen Holzblock hoch und zerbrach ihn in der Mitte. Kraft hatte sie auf jeden Fall, aber die Geschichte glaube ich auch nicht.
Als letztes Clan Dingwall. "Ich präsentiere, meine einzige Tochter." Er deutete auf eine große, breit gebaute und sichtlich starke Frau, die neben ihm stand. Ihr hätte ich die anderen Geschichten abgekauft. Auch Merit beugte sich erstaunt nach vorn, was er sichtlich schnell bereute, als der Stoff an seinem Rücken anspannte. Immer noch mit halb offenem Mund saß er deshalb aufrecht auf seinem Stuhl. Der Gesichtsausdruck seines Vaters war ähnlich. "Sie wurde belagerte von zehntausend Römern und tötete eine ganze Armada, und zwar ganz allein. Mit einem Arm ..."
Ich dachte gerade, dass das sich dann doch etwas viel anhörte, als Lord Dingwall seine wirkliche Tochter, ein schmales, kleines, zugegeben dümmlich aussehendes Mädchen, hinter der Frau herzog. Gut, damit wissen wir, dass es wirklich nicht stimmte. Merit ließ sich enttäuscht zurück in den Sitz fallen, während er mit dem Kopf schüttelte.
„Mit einem Arm steuerte sie das Schiff und mit dem anderen hielt sie ihr mächtiges Schwert und besiegte eine ganze Angreiferflotte." Aus der Macintosh-Reihe rief jemand "Lügen!", was den Lord sofort auf 180 brachte. "Das habe ich gehört! Na los, sags mir ins Gesicht."
Ein Blick zu Merit zeigte ihn, während er mit zwei Fingern seine Nasenbrücke massierte. Anscheinend hatte er schon die Nase voll. Noch mehr als vorher nehme ich an.
"Oder fürchtet ihr euch, ihr einfältigen, lächerlichen Hanswurste. Wollt vielleicht euer hübsches Haar nicht zerzausen." "Wenigstens haben wir Haare", meinte Macintosh. "Und alle unsere Zähne", fügte Macguffin hinzu.
Es brauchte nicht lange, bis sich alle im Raum bekämpften. Wir Bediensteten traten so weit wie möglich weg, sodass wir nicht in die Quere kamen. Von meiner neuen Postion konnte ich allerdings trotzdem relativ gut sehen.
Zumindest wurde meine Theorie über unsere Ladys bestätigt. Das Dingwall Mädchen biss sich einfach in jeden Gegner hinein. Macintosh schien sich mehr um ihr Aussehen, als um den Kampf zu kümmern. Macguffin sah ich nicht.
Nur Merits besorgten Blick fing ich auf, doch er schien aufzuatmen, als er mich sah, bevor er unauffällig auf die Masse deutete und die Augen rollte. Ich konnte nur grinsend den Kopf schütteln.
So hatte ich den Ablauf des heutigen Tages nun nicht erwartet.
Fergus versuchte einmal die Menge zu beruhigen, was aber nicht lange anhielt. Denn als Lord Dingwall plötzlich aufschrie, fingen alle wieder an zu kämpfen. Ich sah Mini-Dingwall, wie sie auf den Schultern von jemanden saß und auf seinen Kopf einschlug, was ziemlich wenig tat, dafür, dass sie angeblich zehntausend Römer allein besiegt haben soll. Macintosh fuchtelte nur mit ihren Händen herum, während sich Macguffin eine Bank genommen hatte und damit die Gegner zu Boden haute. Stark war sie auf jeden Fall, aber wie man vorhin mitbekommen hatte, sprach sie einen so tiefen Akzent, dass man fast nicht verstand, was sie sagte.
Kurz nachdem sich Fergus auch ins Gefecht gestürzt hatte, stand Elinor am Ende ihrer Nerven auf. Sie ging zielsicher durch die Menge, da alle ihr aus dem Weg gingen, bevor sie bei den Lords und ihrem Mann ankam und alle vier wieder nach vorne zog. Das Kampfgeschehen hatte sich damit endgültig beruhigt.
Die vier entschuldigten sich, als sie wieder ihre Plätze einnahmen, während sie sich tief verbeugten. "Also, wo waren wir? Ach ja. In Übereinstimmung mit unseren Gesetzen und rechtmäßig aufgrund unserer Überlieferung darf nur die Erstgeborene jedes großen Anführers als Wettkämpfer präsentiert werden. Und diese kämpft um ihren Platz neben dem Prinzen von Dun Broch. Ihre Töchter müssen ihren Wert beweisen, in den Wettkämpfen. Es ist alter Brauch, dass der Prinz über die Aufgabe selbst entscheiden darf."
Schneller als ich blinzeln konnte, stand Merit auf und rief lauthals "Bogenschießen!" Ich rollte lächelnd mit den Augen, während er sich räusperte und seine Entscheidung nochmal in normaler Lautstärke wiederholte.
"Lasst die Spiele beginnen!"
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Verändertes Schicksal (m.Merida - Merida)
FanfictionNach dem tödlichen Angriff von Mor'du auf Annes Eltern lief sie ziellos durch den Wald, um dem Bären zu entkommen, der ihr noch ihr ganzes Leben lang Angst einjagen würde. Doch ihrer Angst musste sie sich gezwungenermaßen stellen, als Merit, der Pri...