3 3 | f a u s t g r o ß

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b l a k e

AN DEN MEISTEN Tagen war ich froh, in einem Haus zu leben, das nie völlig leer zu sein schien. Mein Vater war das beste Beispiel dafür, dass zu wenig Gesellschaft auf die Dauer einsam machte.

Ich war jemand, der von sozialen Kontakten lebte. Der es genoss, sich mit Fremden zu unterhalten und über einem Bier und viel zu lauter Musik neue Freundschaften zu schließen. Zach war aus einem ganz anderen Holz geschnitzt – an den meisten Tagen mit einer so grimmigen Miene, das niemand überhaupt auf die Idee kam, ihn anzusprechen. Ich hatte mich immer über ihn lustig gemacht, denn es war mir skurril vorgekommen, dass er eine Reihe an Mädchen vor sich haben konnte und kein Verlangen bekam, sich unter sie zu mischen. Stattdessen schien er darauf zu warten, dass die Frauen zu ihm kamen (was immerhin auch erfolgreich war), aber es schien so viel komplizierter, als mit einem Bier in der Hand ein Gespräch zu beginnen, wenn bereits fünf lächelnde Gesichter auf mich warteten.

Aber heute Abend war ich froh, dass niemand auf die Idee gekommen war, ein Bierfass zu organisieren und eine offene Einladung auszusprechen. Obwohl es Freitagabend war, saßen wir um unsere Kücheninsel und veranstalteten ein Chaos, bei dessen Anblick es bereits in James Fingerspitzen jucken musste.

Heute schien sogar die Anwesenheit meiner Mitbewohner eine zusätzliche Belastung zu sein – ein Gefühl, das ich so nicht kannte.

Lissie schlug Vince die Tube mit dem Zuckerdekor aus der Hand, während er sich über das Blech Plätzchen lehnte, die wohl jeden Moment in den Ofen geschoben werden würden. „Keine Genitalien! Können wir nicht einmal ganz normale Kekse machen, ohne dass sie direkt verunstaltet werden?"

Vince blickte sie skeptisch über seine Schulter an. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie in der Weihnachtsbäckerei am Nordpol genauso gemacht werden."

Zach schnaubte von seiner Position neben dem Kühlschrank. „Mit vorgefertigtem Teig aus dem Kühlregal?"

Lissie warf ihm einen scharfen Blick zu. „Iss du nur deine Haferkekse. Du hast keine Ahnung, was du verpasst."

Zach griff nach der Verpackung, die grob aufgerissen auf der Theke lag. „Die Dinger heißen wortwörtlich Sugar Cookies. Ich glaube kaum, dass sie auf unserem Ernährungsplan stehen."

Lissie zuckte nur mit den Schultern. „Wir machen später auch noch Snickerdoodles. Zimt isst du ja wohl, oder?"

Ich verkniff mir den Kommentar, dass es Zach vermutlich weniger um den Zimt ging, sondern vielmehr um die Kohlenhydrate, die sich ganz sicherlich in Snickerdoodles versteckten.

Vermutlich würde ich mich auch von ihnen fernhalten. Nicht aus denselben Gründen wie Zach, der sich verstörend diszipliniert an den Ernährungsplan unseres Beraters hielt, sondern vielmehr, weil der Geschmack mich zu sehr an mit Herzen bedruckte Müslischalen, orange-rosa Kissen und Lolas Lippen erinnerte.

Lissie griff nach den Ofenhandschuhen, vermutlich, um das erste Blech aus dem Ofen zu holen, doch James kam ihr ein Glück zuvor. Wir hatten bereits zu viele Vorfälle gehabt, die Lissie und heiße Gegenstände beinhalteten, um sie weiterhin an den Ofen zu lassen. Sie schien das ebenfalls so zu sehen, denn sie protestierte nicht, als James ihr die Handschuhe abnahm, sondern betrachtete skeptisch Vince Malereien auf ihren Keksen.

Zach, James und ich hatten uns einen Actionfilm angesehen, als die beiden mit vollen Einkaufstüten nach Hause gekommen waren. Bevor wir wussten, was passierte, hatten wir bereits Arbeiten zugeteilt bekommen. Ich war dafür verantwortlich gewesen, die runden Teigrollen in dünne Scheiben zu schneiden, bevor Vince und Lissie sie verzierten. Zach beschwerte sich (wie immer) und James schien Schadenbegrenzung zu betreiben. Eine solch spontane Aktion war nicht unbedingt ungewöhnlich für unseren Haushalt, allerdings vermutete ich sehr, dass es damit zu tun hatte, dass Lissie noch einen zwanzigseitigen Aufsatz für eines ihrer Seminare vor sich hatte, den sie schon seit einer Weile vor sich herschob. Ich konnte ihr die Neigung zur Prokrastination nicht verübeln. Nicht, wenn ich seit Tagen zwar über meinen Büchern kauerte, eigentlich aber nichts von der Materie aufnahm, von der ich schon innerhalb der nächsten Wochen beweisen musste, dass ich sie verstanden hatte.

all night long | ongoingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt