»Er ist die führende Kraft des Geheimdienstes, also nehmt Euch in Acht!« Eine unüberhörbare Portion Angst schwang in seiner Stimme mit. Eine Emotion, die sich ein Mann in seiner Position nicht leisten konnte. Er mochte bloß der Berater des Admirals sein, doch sein Einfluss auf ihn war nicht zu unterschätzen.
Der Admiral musste die politischen Geschäfte mit Ruhe und Bestimmtheit führen. Jedoch hatten ihn die Gerüchte über die Experimente des Geheimdienstes beunruhigt. Die Menschen, die eigentlich für ihn arbeiteten und unter anderem verdeckte Ermittlungen tätigten, entrissen sich seiner Kontrolle. Vor einem Jahr hatte es langsam begonnen: Sie schickten ihm keine Berichte mehr, verschwiegen wichtige Informationen und planten illegale Expeditionen in das alte Land.
Und er konnte nichts dagegen tut, weil sie ihre Macht im Untergrund ausbauten. Sie verheimlichten es nicht einmal, sondern ließen es ihn wissen. Auf sehr subtile Art und Weise.
Das Imperium, das sich die Admirals-Familie vor zweihundert Jahren durch Handel und Seefahrt aufgebaut hatte, stand kurz vor dem Zusammenbruch. So sah es jedenfalls von außen aus. Eigentlich war es eine Meuterei des Geheimdienstes.
»Ich habe ihn vor sieben Jahren selbst eingestellt. Spart Euch die Ratschläge.« Der Admiral hatte seine besten Jahre hinter sich. Er verschränkte seine speckigen, blassen Arme hinter dem Rücken und spitzte beleidigt die Lippen.
Wie konnte sein Freund und engster Berater nur so herablassend über ihn sprechen? Natürlich wusste er von den Gerüchten einer geplanten Übernahme, aber das war doch kein Grund, um dieses Treffen abzusagen! Sie waren nur wenige und der Palast war gut bewacht. Außerdem würden diese neuartigen Waffen ein grandioses Geschäft bedeuten! Nicht nur das – den Berichten nach würden sie der Flotte helfen, ganze Kontinente im Handumdrehen zu erobern. Solch ein Angebot seitens des echtranischen Geheimdienstes durfte doch nicht einfach missachtet werden.
Der Admiral ging langsamen Schrittes zur Flügeltür als jemand mittels mit einem lauten Klopfen um Einlass bat. Zögernd legte er eine Hand auf den polierten, goldenen Knauf. Sie zitterte.
Normalerweise kam die Wache ohne ein Zeichen hinein, wenn sich ein Besucher angemeldet hatte. Warum jetzt nicht?Er biss sich auf die Unterlippe, obwohl er sich die Angst, die sich langsam in seiner Brust ausbreitete, nicht zeigen wollte. Langsam schob er die rechte Tür auf und lugte hinaus. Ein mittelalter Mann stand dort, ein höfliches Lächeln auf den Lippen, wohlhabend gekleidet. Seine gerade Haltung und das gepflegte Äußere bestätigten nur, dass es sich hier um einen Mann vom hohen Rang handeln musste. Er trug einen langen Mantel aus feinsten Stoffen, dunkelrot und schwarz, mit eingearbeiteten, goldenen Ornamenten. Auf dem Schlachtfeld sollte er eine Wucht sein. Aber was hatte er im Palast des Admirals zu suchen?
»Wir hatten ein Treffen mit Sir Ammon vereinbart, nicht mit dem Stellvertreter!« Er machte Anstalten, die Tür wieder zuzuschlagen. Als ihm klar wurde, dass keine Wachen mehr vor der Tür standen, fiel sie gerade ins Schloss und er wirbelte panisch herum. »Die Waffe befindet sich im Schreibtisch, nicht?«, vergewisserte er sich flüsternd.
Sein Freund und Berater nickte entschlossen und begab sich dorthin. »Wir dürfen ihn nicht abweisen, das würde die Situation nur erschweren. Lasst ihn hinein und hört an, was er zu sagen hat. Wir haben keine andere Wahl. Wenn sie den Palast bereits übernommen haben, sind wir so gut wie tot. Wer weiß, wie viele sie bereits sind? Wir können nicht ausschließen, dass sie innerhalb eines Jahres eine halbe Armee aufgestellt haben.«
Der Admiral nickte und zupfte sein Hemd unter der Halskrause zurecht. »Jetzt geht es nur noch darum, Zeit zu gewinnen, bis Hilfe herbeieilt... Es war mir eine Freude, mit dir zusammengearbeitet zu haben.«
Sein Berater nickte bloß. Etwas in seinem Blick schrie förmlich: »Ich habe es ja gesagt.«Der Admiral öffnete die Tür wieder. »Sir Solec, treten Sie doch bitte ein...«
»Ah, haben sich die Herren einigen können? Nun denn, vielen Dank.« Bedrohlich und kalt klang seine Stimme. Seine Lederstiefel knarzten auf dem dunklen Holz, als er langsam den Raum betrat. Obwohl er noch relativ jung war, schien seine Präsenz alles andere im Raum zu unterdrücken.»Setzt Euch und erzählt mir von Euren Erfolgen.« Der Anführer der Flotte ließ sich geräuschvoll in seinen breiten Ledersessel, der am Kamin stand, fallen. Der Vizechef des Geheimdienstes setzte sich auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch und überschlug lässig seine Beine. Sein Blick wanderte über das große Gemälde eines Kriegsschiffes an der Wand über dem pompösen Schreibtisch, bis hin zur sterbenden Topfpalme, die an den bodentiefen, teilweise aus Buntglas bestehenden Fenstern, ihr Dasein fristete.
Trotz seiner eleganten Haltung wirkten seine Bewegungen doch etwas ungehobelt und schroff. Mit seinen Fingern klopfte er ungeduldig auf der Tischplatte herum, als hätte er nicht viel Zeit zu verlieren.
»Wie Ihr vielleicht schon wisst, sind die natürlichen Vorkommen der antiken Energie, die wir für unsere Waffen und andere Dinge benötigen, in unseren Herrschaftsbereichen recht knapp. Außerdem ist es furchtbar mühsam, sie aus Gestein und Pflanzen zu extrahieren... Der Urquell liegt unseren Forschungen nach nicht in der Erde, sondern wurde nur in sie hineingeleitet, um sie zu formen. Wir sahen uns gezwungen, woanders nachzusehen, als die Vorkommen erschöpft waren.« Ein finsteres Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Er schnappte sich nebenbei einen Brief, der dort auf dem Schreibtisch lag, überflog mit zusammengezogenen Augenbrauen kurz ein paar Zeilen und schnippte den Zettel anschließend wieder weg.
»Fahrt fort«, befahl der Admiral eine Spur zu unsicher.
»Menschen. Es gibt unzählige Menschen, die von dem alten Volk abstammen. Ich meine tatsächlich das Urvolk.« Solec musterte den Admiral herablassend, als dieser nicht sofort verstand. »Jedenfalls: Sie tragen diese Energie in ihrem Blut. Es ist uns gelungen, sie zu extrahieren, zu sammeln und auf unsere Soldaten zu übertragen. Unzählige Experimente sind misslungen, doch nun konnten wir endlich mehrere Erfolge verzeichnen«, ratterte er lustlos herunter, stand auf, klatschte einmal in die Hände und sah durch das pompöse Fenster nach draußen. Der Blick auf den großen Stadtplatz war atemberaubend.
»Menschen?!«
»Oh, Ihr habt aber lange gezögert«, resümierte Sir Solec belustigt, während er seinen Rücken dehnte.
»Sterben die Menschen bei der Energiegewinnung?« Eine Schweißperle rann über seine Wange.
»Ja, natürlich«, meinte Solec nüchtern, starrte den Admiral an, als sei er so schwer von Begriff wie ein Schaf, das man lehren wollte zu töten.
»D-Das ist nicht in Ordnung! Das kann ich nicht unterstützen! Damit ist das Geschäft nichtig! Ich habe kein Interesse an diesen sogenannten Waffen! Oder ihre Soldaten – was auch immer! Meine Flotte kommt auch ganz gut ohne aus!« Puterrot im Gesicht fuchtelte er mit seinen Armen herum und krallte sich dann so sehr an die Lehnen des Sessels, dass seine Knöchel weiß wurden.
Solec spazierte gemütlich zum Schreibtisch zurück, setzte sich darauf und starrte dem blassen Mann voller Spott in die Augen. »Ihr seid so dumm. Ich mache doch nicht den ganzen Weg hier her, um Euch meine Waffen zu verkaufen, damit Ihr den Eroberer spielen könnt. Nein, das erledige ich lieber selbst. Ich bin hier, um mir Eure ganze Flotte unter den Nagel zu reißen. Hier«, er öffnete eine kleine Dose, die in einer seiner Manteltaschen war und streute das darin befindliche Pulver in den Wein des Admirals, »trinkt das, nachdem ihr schriftlich abgedankt habt. Oder ich werde euren Schädel zerquetschen lassen und behaupte, dass Ihr auf der Seife ausgerutscht seid. Ich befürchte, dass mir das werte Volk diese Lüge sofort glauben würde, bei eurem körperlichen... Zustand. Letzteres würde mir ein klein wenig mehr Stress bedeuten, daher lege ich Euch die erste Option ans Herz.«
Neben dem Weinglas platzierte er eine Schreibfeder und ein Stück Pergament, exakt in dem selben Abstand zueinander. »Ich habe Euch natürlich schon die halbe Arbeit abgenommen und ein Schreiben vorbereitet. Ihr müsst nur noch unterschreiben. Jetzt. Sofort.« Er hob erwartungsvoll seine Brauen. Als sich der Admiral nach zehn Sekunden noch immer nicht bewegte und stattdessen fassungslos auf Solec starrte, sagte er mit Druck in der Stimme: »Ich habe nicht ewig Zeit. Meine Soldaten stehen vor der Tür. Ihr brennt sicher darauf, sie kennenzulernen!«
Was auch immer das für Waffen sein sollten, die ein Jahr lang im Untergrund geschmiedet wurden – sie mussten dem Geheimdienst so viel Macht verleihen, dass sie es sich erdreisten konnten, ein ganzes Imperium zu übernehmen.

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XON
FantastikEin junger Rebell, der für das Wohl der Unterdrückten seine Ehre aufgab, ein Mädchen welches keinerlei Erinnerungen an ihre Vergangenheit hat, ein Krieger aus dem antiken Land, der mehr weiß, als er vorgibt. Als ein neu geformtes Imperium mit grausa...