Part XII - Promise

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„Da seid ihr ja endlich!"

Geten und einige Mitglieder der Befreiungsarmee kamen auf Mirabelle und Dabi zu gerannt, als sie am Abend langsam in Sichtweite kamen. Allein, wie dieser Schneedepp auf sie zugestürmt kam. Mit aufgerissenen Armen und Tränen in den Augen. Einfach nur zum Kotzen! Dabi seufzte aus und rieb sich mit seinem Handrücken über seine Stirn. Er war fix und fertig. Die letzten Tage saßen ihm tief in den Knochen – vor allem aber gestrige Nacht. Mirabelle und er hatten sich am Morgen gemeinsam auf den Weg gemacht und hatten bisher kaum miteinander gesprochen. Über ihr sexuelles Abenteuer wurde kein Wort verloren. Alles wirkte wie immer und so, als ob diese Gemeinsamkeit nie stattgefunden hätte. Auf der einen Seite war Dabi erleichtert drum, so kam er um diese mehr als unangenehme Situation drumherum. Immerhin hatte er bisher keine seiner Bettpartnerinnen nach ihrem Akt wiedergesehen. Auf Liebesschnulzen hatte er keine Lust. Mit Mirabelle jedoch wird er allerdings zukünftig täglich konfrontiert und an jene Nacht erinnert werden. So viel stand auf jeden Fall fest. Anderseits schien Mirabelle aber privates von beruflichem gut trennen zu können. Das kam dem Schurken gerade recht. Aber dennoch würde er lügen, wenn er nicht gern daran zurückdachte. Immerhin war Dabi derjenige gewesen, der die sonst so eiskalte Ex-Soldatin total losgelöst in Erinnerung behalten konnte. Allein, wenn er nur an ihr Stöhnen und Keuchen zurückdachte. Nein – er musste definitiv damit aufhören!

Der Eisquirk-Nutzer fiel seiner Freundin währenddessen direkt um den Hals, während sich Mr. Compress und Twice zu Dabi gesellten.

„Ihr lebt ja noch – ich dachte schon ihr hättet euch gegenseitig gekillt!", Twice fasste sich hierbei an den Kopf und schwang diesen hin und her.

„Sicher doch...", murrte der Schwarzhaarige und blickte zu seiner rechten, wo sich Mirabelle befand, die sich mit dem Kühlschrank unterhielt.

Immer wieder starrte Geten den Schurken an und warf ihm Blicke zu, die hätten töten können. Das Grau in dessen Augen blitzte gefährlich auf. Dabi ließ diesen Umstand aber mehr als kalt. Ob das Normalo-Biest ihm gerade von ihrer gestrigen Nacht berichtete? Ein gehässiges Grinsen schlich sich daraufhin auf Dabis Lippen. Warum auch nicht? Vielleicht war das Eismännchen auch einfach nur eifersüchtig. Aber eins stand fest – sein Grinsen brachte sein Gegenüber zur Weißglut. Getens Gesichtsausdruck verdunkelte sich. Ihr Blickduell fand jedoch ein Ende, als Skeptic erschien und Mirabelle zu sich rief. Kurz schienen sie sich zu unterhalten – danach warf die Blondine dem Schurken einen neutralen Blick zu. Irritiert hob Dabi eine Augenbraue. Was ging denn da wieder ab? Unterhielten sie sich gerade über ihn?

„Hey! Hier spielt die Musik, du Tagträumer!", sofort wurde der Flammenquirk-Nutzer durch ein Fingerschnippen vor seinen Augen wieder in die Realität gerufen.

„Du nervst...", brummte Dabi und stierte den Maskierten an, der aufgeregt vor ihm umher tänzelte.

„Na? Erzähl! Ich will alles wissen – bis ins kleinste Detail", immer wieder hob Twice seine Augenbrauen auf und ab.

„Twice, beruhige dich. Immerhin sind beide wohlbehalten wieder da. Nach allem, was wir von ihrer Division mitgeteilt bekommen haben, hatten sie Glück gehabt", entgegnete Mr. Compress und richtete seinen Stab.

„Stimmt, beinahe hätte sie ja ein Steinregen gekillt. Da wären sie wie eine Ameise von einer Fußsohle zerquetscht worden. Eieiei...", murmelte Twice in seinen nicht vorhandenen Bart und warf Dabi einen musternden Blick zu, ehe eine weibliche Stimme sie unterbrach.

„Für weitere Gespräche ist später noch genug Zeit. Re-Destro erwartet uns!", bevor weitere Worte ausgetauscht werden konnten, wurde der Flammenquirk-Nutzer auch schon am Handgelenk gepackt und von seinen Kameraden weggezogen.

„Hä?", irritiert stierte Dabi die Übeltäterin an, die ihn geradewegs Richtung Villa zog.

„Hey, was soll der Scheiß! Was will er denn von mir? Lass mich los!"

Mirabelle jedoch ignorierte den jungen Mann und lief weiter geradewegs auf die Villa zu. Dabi versuchte sich währenddessen irgendwie aus dem Griff zu befreien, allerdings ohne Erfolg. Er hätte seine Flammen einsetzen können, aber etwas in seinem Innern hinderte ihn daran. Als ob er Wert auf ihr Wohlergehen legen würde! Das war mehr als lächerlich. Genervt brummend ergab sich der schwarzhaarige Schurke seinem Schicksal und ließ sich mitziehen. Schon wieder lag diese unangenehme Stille zwischen ihnen. Als sie schließlich vor Re-Destros Büro wenige Minuten später zum Stehen kamen, ließ die Exsoldatin ihn los und zog ihn am Kragen zu sich runter.

„Benimm dich, wenn wir da gleich drin sind. Wehe du verlierst auch nur ein Wort über letzte Nacht und ich mach dich kalt!", Mirabelles Blick sprach Bände. Schon wieder waren ihre Augen so kalt und undurchschaubar. Dabi seufzte daraufhin genervt aus, ehe sich ein gehässiges Grinsen auf seine Lippen schlich.

„Keine Sorge, ich sage keinem, dass du die Beine für mich breit gemacht hast – AUA!!!!!"

Dann öffnete Mirabelle auch schon die Tür und durchschritt die Türschwelle, während Dabi murrend seine pochende Wange rieb. Der rote Handabdruck hob sich stark von seiner sonst blassen Haut ab. Er kochte innerlich. Wie konnte dieses Biest es nur wagen! Hat diese Omega gerade tatsächlich die Hand gegen ihn erhoben?!

„Da seid ihr ja endlich, Gott sei Dank unversehrt...", sprach der Ex-Großleutnant und trat an die Beiden heran. Inzwischen konnte dieser wieder normal laufen. Re-Destro hatte vor kurzem zwei neue Prothesen bekommen, die auf seine Beine angepasst waren und ihm so wieder das Laufen ermöglichten. Dabi schaute nicht schlecht, als er sah, wie gut der Braunhaarige inzwischen seine Koordination wieder unter Kontrolle hatte.

„Sie können wieder laufen, das freut mich", Mirabelle schenkte ihrem Vorgesetzten ein Lächeln und nahm auf dem Stuhl vor Re-Destros Schreibtisch Platz. Ihr Blick galt Dabi, der daraufhin seufzend neben ihr auf dem anderen Stuhl Platz nahm. Dann sah er sich um. Der Raum wirkte schlicht und einfach eingerichtet. Nichts deutete in irgendeiner Art und Weise auf sein Privatleben hin, falls der große Re-Destro denn überhaupt eines besaß. Bevor Dabi weiter seinen Gedanken verfallen konnte, wurde er schon aus dem Kontext gerissen.

„Erzähl, Mirabelle – was ist passiert?", auf die Worte hin nahm Re-Destro gegenüber an seinem Schreibtisch Platz und sah zwischen Mirabelle und Dabi hin und her.

„Die Hokkaido hat sich in Bewegung gesetzt. Toroshimaru ist auf dem Vormarsch und seine dunkle Herrschaft breitet sich immer weiter aus. Inzwischen sind sogar die Bunker, die zuvor vom Militär beschützt wurden, nicht mehr vor ihm sicher. Wir waren vor Ort und haben alles gesehen... Es ist einfach nur ein Alptraum, der mehr und mehr Realität wird", antwortete Mirabelle und sah schließlich zu Boden, während ihre Hände sich zu Fäusten ballten.

„Das sind schlechte Nachrichten...", entgegnete Re-Destro und ließ sich gegen die Stuhllehne sinken. Er faltete daraufhin seine Hände vor seinen Augen zusammen und atmete tief ein und aus, ehe er seine Kommandantin anfunkelte.

„Geten hat mir von dem Vorfall berichtet und auch, dass du meine Befehle missachtet hast...", Traurigkeit zeichnete sich in Re-Destros Gesichtsausdruck wieder.

„Es tut mir leid...", hauchte Mirabelle leise und biss sich auf die Unterlippe. Den Unterton kannte sie nur zu gut. Sie hatte ihren Vorgesetzten enttäuscht. Re-Destro fasste sich währenddessen an die Stirn.

„Mirabelle, du kannst nicht einfach so wild drauflosstürmen. Du gefährdest hierbei nicht nur dich, sondern auch die anderen. Dass du in Gegenwart eines Alphas die Fassung verlierst, weiß ich nicht erst seit gestern. Aber, dass du einen von ihnen umgebracht hast, wird nicht ohne Folgen bleiben. Toroshimaru wird sich hierfür rächen, soviel ist sicher. Und es ist außerdem nur eine Frage der Zeit, bis er dich hier finden wird. Ich habe dich nicht aus Tartarus rausgeholt, damit du dich bei der nächstwaghalsigen Aktion umbringst. Du willst doch da draußen etwas bewegen – dann tu es auf legale Weise!"

„Ich weiß...", murrte die junge Frau und zog ihre Schultern immer weiter nach oben. Sie wusste, dass sie mit ihrer Aktion zu weitgegangen war.

„Fürs erste wirst du dich für eine Weile von der Außenwelt zurückziehen. Es wurde genug Aufmerksamkeit auf uns gelenkt. Noch mehr können wir derzeit nicht verkraften. Solange sich Shigaraki noch in den Händen von Herrn Doktor Ujiko befindet, halten wir hier die Füße still. Sobald sich die gesamte interne Situation stabilisiert hat, rücken wir wieder aus."

Die Angesprochene sah schließlich wieder auf. Ihr Blick wirkte leer. Dabi beobachtete die Situation im Stillen. Das Normalo-Biest schien vor dem Ex-Großleutnant großen Respekt zu haben. Sie konnte auch richtig kleinlaut sein.

„Und nun zu dir", auf die Worte hin lag Dabis volle Aufmerksamkeit bei Re-Destro, der sich daraufhin erhob. Erst schaute der ehemalige Anführer der Meta-Front ihn mit eindringlichem Blick an, ehe er Mirabelle aufforderte den Raum zu verlassen. Die junge Frau erhob sich widerwillig. Der Ausdruck sprach Bände, wie sie den Schwarzhaarigen seitlich ansah. Dann wand sie sich von Dabi ab, verneigte sich vor Re-Destro und verließ schließlich das Büro.





„So, nun sind wir unter uns...", auf die Worte hin widmete sich der Ex-Großleutnant dem Fenster, das sich hinter seinem Schreibtisch befand. Die Strahlen der untergehenden Sonne brachen durch das Glas und hüllten das Büro des Ex-Großleutnants in ein dunkles Orange. Re-Destros Blick war nach draußen gerichtet, ehe er die Vorhänge auch schon zuzog und sich dem Flammenquirk-Nutzer widmete.

„Erst einmal möchte ich mich bei dir bedanken. Wärst du nicht gewesen, wäre Mirabelle nun höchstwahrscheinlich tot oder in den Händen dieser Halunken. Ich weiß, solche Worte ausgerechnet von mir zu hören, klingt surreal. Aber ich unterstütze Mirabelles Vorhaben, wo es nur geht. Aber ich kann sie nicht halten und walten lassen, wie sie will. Manchmal muss sie in die Schranken gewiesen werden."

Dabi schwieg und schluckte daraufhin schwer. Dass ausgerechnet er eine Danksagung von Re-Destro höchstpersönlich erhielt, erlebte man nicht alle Tage. Seine türkisfarbigen Augen suchten den Raum ab und blieben schließlich bei einem Bild haften, das sich in einem Bilderrahmen auf dem Schreibtisch befand. In dessen Innern befand sich ein Portrait von einer Frau. Sie war wunderschön, braune lange Locken und herzlich braune Augen spiegelten sich im Holzrahmen wider. Re-Destro war dies nicht entgangen und nahm nun direkt neben Dabi Platz, wo Mirabelle zuvor saß.

„Meine Mutter...", hauchte der Ex-Großleutnant leise und nahm den Bilderrahmen in seine Hand.

„Was genau ist dir über das Sekundärgeschlecht bekannt, Blue Flame?"

Auf die Frage hin blickte Dabi zu Boden und starrte auf seine Hände.

„Bis vor kurzem dachte ich, es sei ein Mythos. Aber durch diese Mission wurde ich eines Besseren belehrt. Ich weiß, wer Mirabelle ist und auch wer hinter ihr her ist.", sprach Dabi und fuhr mit seinem rechten Zeigefinger seinen linken Unterarm nach. Erst spürte er die Berührung, sobald sein Finger jedoch seine vernarbte Haut berührte, spürte er nichts mehr.

„Toroshimaru ist seit Jahren hinter ihr her. Er ist auch dafür verantwortlich, dass Mirabelles Sekundärgeschlecht-Status überhaupt erst aufgeflogen ist...", der Ex-Großleutnant stellte währenddessen das Portrait seiner Mutter wieder auf dem Schreibtisch ab und fuhr weiter fort.

„Ich unterstütze Mirabelle, weil ich es ungerecht finde, wie die heutige Politik mit ihresgleichen umgeht. Du musst wissen, ich stammte aus einer Omega-Beta-Verbindung. Meine Mutter war eine Omega – mein Vater ein gewöhnlicher Beta. Er wurde zum Tode verurteilt, während meine Mutter für immer weggesperrt und ihr das Tageslicht entzogen wurde. Ich, in deren Augen als Missgeburt, wurde ausselektiert und einfach bei Eis und Kälte ausgesetzt. Ich hatte Glück, dass ein altes Ehepaar mich damals fand und das Bündel an sich nahm. Sonst würde ich heute hier nicht sitzen."

Dabi konnte nicht beschreiben, was diese Erzählung in ihm auslöste. Seine Iriden weiteten sich vor Schreck. Auf eine seltsame Art und Weise kam ihm diese Vorgehensweise bekannt vor. Er lauschte weiter, ohne sein Gegenüber zu unterbrechen.

„Mirabelle hatte einen hohen Status in der Gesellschaft, immerhin unterstand sie den höchsten Heeresführern und ihr Wort hatte Macht und Wirkung. Als Frau hatte sie es schon schwer genug – aber ihr Sekundärgeschlecht stellte ein Problem dar. Eine Omega darf bis heute keine hohe Stellung in der Gesellschaft besitzen, weder bei den Alpha noch bei den Beta. Mirabelle hatte es all die Jahre erfolgreich geschafft alle glauben zu lassen sie sei eine von ihnen. Sie nahm Tabletten, unterband teilweise ihre Heat komplett und wenn sie sie mal heftig erwischte, hatte sie es auf die Periode geschoben. Sie hatte all die Jahre ihre Rolle erfolgreich gespielt, bis sie eines Tages auf ihn traf. Toroshimaru hatte ihr alles genommen: Ihre Ehre, Ihren Platz in der Welt, ihre Freiheit..."

Danach erhob sich Re-Destro und trat erneut an die Vorhänge heran, die er schließlich wieder aufzog.

„Mirabelle verlor ihren Status. Sie wurde vor Gericht gestellt und ihr wurde unterstellt sie hätte das Militär hintergangen und verraten. Der hohe Rat hatte Mirabelle zum Tode verurteilt. Die Gerichtsverhandlung fand damals im Geheimen statt, da damals schon Proteste erhoben wurden, weil die Bevölkerung hinter Mirabelle stand. Sie hatte so viele von ihnen gerettet und ihnen ein Weiterleben ermöglicht. Aber all dies wurde zerschlagen. Als ich damals von ihrem Schicksal erfahren habe, konnte ich nicht stillsitzen. Trumpet, Skeptic, Geten und ich hatten sie daraufhin aus Tartarus befreit und ich habe ihr einen Platz in unseren Reihen angeboten, den sie damals dankend angenommen hatte. Als wir sie befreit hatten, war sie gebrochen und kein menschliches Wesen mehr. Diese Gesellschaft hatte sie menschlich zerstört. Hier bei mir konnte Mirabelle zu Kräften kommen, bei mir konnte sie zu ihrer alten Stärke zurückfinden...", kurz hielt Re-Destro in seinen Erzählungen inne, ehe er weiter fortfuhr:

„Nun hat sie es sich zur Aufgabe gemacht die Hokkaido aufzuhalten und ihresgleichen zu retten. Zwangsehen und Misshandlungen stehen dort noch an der Tagesordnung und Mirabelle kann nicht einfach nur tatenlos hier rumsitzen. Solange Toroshimaru als Ober-Alpha an höchster Stelle steht, ist kein Omega oder Alpha vor ihm sicher. Er hält alle unter sich und sie alle stehen unter seiner Kontrolle. Mirabelle will eine Veränderung und das bisherige Alpha-Regime zu Fall bringen."

Schließlich sah der Braunhaarige zu Dabi, der bisher wortlos seinen Erzählungen gefolgt war. Langsam schritt der Ex-Großleutnant auf den Schwarzhaarigen zu und blieb wenige Meter vor ihm stehen.

„Ich beobachte dich nun schon eine ganze Weile. Mirabelle hatte mir schon ein paar Mal von dir berichtet und ich muss zugeben, es hat mich neugierig gemacht. Keiner hier, nicht einmal deine Kameraden, scheinen zu wissen, wie du tickst. Du bist verschlossen und stark in dich gekehrt. Ich weiß nicht welchen innerlichen Kampf du mit dir führst, aber in dem Moment, als du Mirabelle gerettet hast, wusste ich, dass ich dir vertrauen kann."

„Ist dem tatsächlich so? Dann weißt du wohl mehr als ich...", türkisfarbige Augen funkelten auf und hatten Re-Destro direkt im Visier.

„Wer garantiert dir, dass ich Morgen hier nicht gleich alles abfackel?"

„Hattest du nicht genug Möglichkeiten hierzu gehabt?", konterte Re-Destro und schritt daraufhin an Dabi vorbei, der diesem nachsah.

„Du bist anders als die anderen... und gerade deswegen bist du der Richtige dafür."

„Der Richtige für was?", Dabi erhob sich auf die Worte hin und blickte zu Re-Destro, der mit dem Rücken zu ihm stand.

„Geten allein kann Mirabelle nicht beschützen und vor Dummheiten bewahren. Deswegen kommst nun du ins Spiel", daraufhin wand sich Re-Destro dem Flammenquirk-Nutzer zu.

„Bisher war Geten der Einzige, der eine Bindung zu Mirabelle aufbauen konnte. Aber anscheinend hast du zu ihr ebenfalls eine Verbindung entwickeln können. Eure Bindung ist anders und aus diesem Grund bitte ich dich auf Mirabelle aufzupassen. Beschütze sie vor Toroshimaru und vor der Hokkaido."

Irritiert verweilte Dabi an Ort und Stelle. Unwirklich schüttelte er seinen Kopf hin und her. Was verlangte dieser Kerl da von ihm? Wieso sollte er nun Aufpasser spielen?

„Warum sollte ich das tun? Was habe ich davon?", blaue Flammen schossen aus seinen Händen, die sich zuvor zu Fäusten gebildet haben. Das hier war doch wohl ein Witz?! Er und Babysitter spielen? No Way!!

Re-Destro lächelte daraufhin und trat an den Schwarzhaarigen heran, der wie angewurzelt stehen blieb. Langsam kam Re-Destro näher und legte schließlich seine Hand auf Dabis Schulter ab.

„Wie gesagt, ich beobachte dich schon eine Weile... Ich erkenne es an deinem Blick, wie du sie ansiehst. Ich kenne den Ausdruck in deinen Augen. Du willst es nicht realisieren und wahrhaben, aber die Realität ist bitter. Dir liegt etwas an ihr – leugnen ist zwecklos...", die flüsternden Worte kamen leise aber bestimmend bei dem Schwarzhaarigen an, dessen Augen sich vor Schreck weiteten.

Zum ersten Mal seit langem war Dabi einfach nur sprachlos. Er konnte auf die Worte Re-Destros nichts erwidern. Die Worte trafen ihn hart – direkt und verständlich. Knirschend biss der Schurke die Zähne zusammen, ehe seine Flammen erloschen. Dann schloss der Flammenquirk-Nutzer seine Augen und senkte seinen Kopf. War es denn so offensichtlich gewesen? Hatte das alles ihn so schnell verraten? Lag ihm tatsächlich etwas an dem Normalo-Biest?

Kurz blitzten Bilder vor seinem inneren Auge auf. Bilder, wie er Mirabelle die letzten Tage erlebt hatte. Wie sie ihm ihr wahres Wesen offenbart hatte und wie sie sich ihm schließlich anvertraut hatte und ihre Hüllen fallen ließ. Wie ihre goldenen Augen ihresgleichen suchten und wie sie ihm so nah war. Sie ihn sogar fast enttarnt hatte. Mirabelle ahnte bereits wer er war, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie es endgültig herausfand. Dabi wollte die junge Frau auf Abstand halten, gerade weil er genau das verhindern wollte. Aber etwas in seinem Innern hat seine innere Schutzmauer eingerissen und ihn schwächlich werden lassen. Schwächlich für Nähe, schwächlich für Geborgenheit, die er bisher nur bei ihr verspürt hatte. Auch, wenn Dabi versuchte es zu verbergen – Re-Destro lag richtig mit seiner Aussage: Mirabelle war ihm wichtig. Auf welche Art allerdings wusste er bislang noch nicht.

Kurz atmete der Flammenquirk-Nutzer tief ein und aus, ehe er Re-Destro in die Augen sehen konnte und nicht mehr als ein Nicken hervorbrachte. Die richtigen Worte zu finden, waren in diesem Moment für ihn nicht möglich – nur so konnte er dem Ex-Großleutnant mitteilen, dass er seiner Bitte nachkommen würde und Mirabelle von diesem Gespräch niemals Kenntnis erlangen durfte.





Nachdem das Gespräch mit Re-Destro beendet war, trat Dabi aus dem Büro und verschloss die Tür hinter sich. Danach lehnte sich der Schwarzhaarige gegen die Metalltür und senkte seinen Kopf zu Boden. Seine schwarzen Haarsträhnen hingen ihm tief ins Gesicht. Sein gesamter Körper begann zu zittern. Er spürte, wie ihm die Kontrolle erneut entglitt. Es fühlte sich so an, wie vor wenigen Tagen, als sie den Bunker entdeckt hatten und Mirabelle vor ihm ihr wahres Wesen präsentiert hatte. Sein Herz schlug schneller und sein Atem ging hektisch. Warum bekam er sie nicht mehr aus dem Kopf? Schnell richtete sich Dabi auf und rannte los. Raus aus dieser Villa – er musste an die frische Luft. Schnaubend und keuchend trat der Flammenquirk-Nutzer in die Dunkelheit. Inzwischen war es Nacht geworden und ein eiskalter Wind schlug ihm entgegen. Weißer Atem stieg empor. Sofort peilte Dabi den nächsten freien Baum an und lehnte seine Stirn gegen den Baumstamm. Dann schloss er seine Augen.

Sein Innerstes war erneut in Aufruhr geraten. All die Worte, die soeben zu ihm besprochen wurden, hallten durch seinen Kopf. All die Worte, die Mirabelles Schicksal offenbarten, trafen ihn mit voller Wucht. Bis eben konnte er sich noch vor Re-Destro zusammenreisen, aber seine Fassade bröckelte. Immer mehr und mehr stürzte die Mauer ein, die bereits tiefe Risse aufwies. Dabei sollte es ihm doch egal sein – dieses Normalo-Biest sollte ihm egal sein! Alles sollte ihm egal sein! Sein Leben bestand rein aus Rachedurst! Rache an seinem Erzeuger und der Heldengesellschaft zu nehmen! Das war sein einziges Ziel. Aber nun empfand er noch mehr Hass dieser Beta-Gesellschaft gegenüber. Für all die Schandtaten, die sie Mirabelle angetan hatten. Welches Unrecht ihr zuteilwurde. Dabi erinnerte sich an das junge Mädchen von damals, das felsenfest der Überzeugung war der Armee beizutreten.


[..]„Ich werde der Welt zeigen, dass ich es wert bin!"[...]

Ihr Lachen – ihr Mut. Ihre positive Ausstrahlung, die sie ihm damals entgegengebracht hatte.


[...]„Irgendwann will ich auf mein Leben zurückblicken, mir auf die Schulter klopfen und zu mir selbst sagen können – hey, du hast es geschafft, ich bin stolz auf dich-"[...]

Wie sie ihm am Abend vor seinem vermeintlichen Tod ihren ersten Kuss geschenkt hatte. Unter einem sternklaren Himmel, erhellt durch den Vollmond, der damals auf sie herabschien.


[...]„Lass uns gemeinsam die Welt verändern, Touya. Du und ich gegen den Rest der Welt, ja?"[...]

Mit einem Versprechen, das sie an ihn gerichtet hatte. Worte, die einem weißhaarigen Jungen damals Mut und Hoffnung geschenkt hatten.

Es waren Erinnerungen. Erinnerungen von seinem anderen Ich, das sich mehr und mehr bemerkbar machte. Touya schlief nicht mehr länger – er war präsent. Präsenter denn je und er quälte ihn. Zwang ihn diese Dinge und Erlebnisse erneut zu durchleben. Offenbarte ihm, dass Mirabelle schon immer mehr für ihn gewesen war als nur eine Kameradin, die damals an seiner Seite trainiert hatte. Dass sie schon immer mehr für Touya gewesen war. Dass er damals schon romantische Gefühle für sie gehegt hatte und diese nun erneut drohten sein eiskaltes Herz zu erwärmen. Knirschend biss Dabi erneut die Zähne aufeinander. Er durfte diesen Gefühlen nicht nachgeben. Er durfte Touyas Gefühle nicht zu seinen eigenen machen! Er musste stark bleiben!

„Verdammt!"

Seine Hände ballten sich zu Fäusten, die daraufhin auf den Stamm einschlugen. Immer wieder prallten seine Fäuste gegen die Rinde, die tiefe Schnittwunden in seine gesunde Haut riss. Eigentlich hätte Dabi seine Flammen nutzen können, aber im Moment bevorzugte er den realen Schmerz. Schmerzen, die er noch fähig war, zu empfinden. Schmerzen, die ihn von seinem Gefühlschaos ablenkten.

„Hör auf! Ich will das nicht!"

Schmerzlich biss sich Dabi auf die Unterlippe, bis Blut an diesen hinabfloss.

„Lass mich endlich in Ruhe!", flüsterte Dabi leise und sackte auf die Knie herab. Verzweifelt fanden seine Hände in seine schwarzen Haare und krallten sich in diesen fest. Seine Hände wiesen bereits blutige Blessuren auf. Blut tropfte zu Boden.

Der Schwarzhaarige stand komplett neben sich. Dabi befand sich abseits des Diesseits. Er wusste nicht, was in diesem Augenblick wahr war und was nicht. Wie die letzten Male zuvor wurde seine innere Welt komplett erschüttert. Ein Sturm wütete in seinem Innern. Ein Sturm, der ihn mit sämtlichen Emotionen konfrontierte. Bisher war der Schurke nur in der Lage gewesen Hass und Rache zu empfinden. Empathie für andere hatte er nie für wichtig gehalten. Liebe war für ihn nur ein leerer Begriff ohne weitere Bedeutung gewesen. Nun wurde er allerdings eines Besseren belehrt. Mit voller Wucht traf ihn eine bittere Erkenntnis.

Touya war auf dem Vormarsch und stand kurz davor ihn zu verdrängen. Dieser Schwächling wollte doch tatsächlich wieder die Kontrolle über Körper und Geist zurückerlangen. Dabei musste sich Dabi eingestehen, dass sein altes Ich mit unfairen Mitteln kämpfte. Immerhin etwas, was dieser Depp von ihm gelernt hatte. Nutze stets die Schwäche des anderen aus. Immerhin waren er und Touya noch die ein und selbe Person. Touyas Gefühle waren auch seine, auch wenn er diese all die Jahre erfolgreich weggesperrt hatte.

Wieso musste es ausgerechnet jetzt geschehen? Ausgerechnet jetzt, wo Dabi doch klar war, dass der kommende Krieg ihn das Leben kosten würde. Es war tief in Stein gemeißelt. Er wollte durch seine eigenen Flammen sterben. Gemeinsam mit ihm in der Hölle. Es war alles bis ins kleinste Detail vorbereitet.

Aber allmählich kam dieser Plan ins Wanken. Etwas womit der Flammenquirk-Nutzer nie gerechnet hatte.







— • We all wanna be somebody • —— • we just need a taste of who we are• —— • We all wanna be somebody • —— • we're willing to go but not that far• —[Thousand Foot Krutch – Be Somebody]




Beyond the sky - 空を越えてWo Geschichten leben. Entdecke jetzt