𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 7

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»Wenn ich sage, mir geht's gut, sollte man das auch einfach mal so annehmen.« , sprach Dag, nachdem er bei Vincent zu Hause auf der Couch saß.

»Du hast nicht gepennt. Das sehe ich dir an.«

»Ich denke halt in letzter Zeit ein wenig zu viel nach. Ist das verboten?«

»Nein natürlich nicht.« Vincent setzte sich eine Winzigkeit schräger hin. »Was beschäftigt dich?«

»Nichts.«

»Ja, erzähl' das 'nem anderen. Schieß los.«

»Willst du doch eh nicht hören.«

»Verschließ' ich etwa meine Ohren? Wenn dich etwas bedrückt, dann sag' es.«

Dag druckste erst ein wenig herum, ehe er sich die Lippen befeuchtete und ... begann. »Momentan ist es irgendwie wieder total schlimm. Ich ... ich denke viel an Célia und was ich hätte anders machen können, um ... um sie zu retten. Ihr zu helfen. Ich ... ich kann nur daran denken, dass es doch meine Schuld war, weil ich einfach nicht schnell genug war.«

»Dag, ich war dabei. Du hast alles richtig gemacht. Es ist nicht deine Schuld. Célia hat sich dafür entschieden. Selbst wenn du sie hättest retten können an genau diesem Tag, war ihr Leiden viel zu groß. Früher oder später wäre es geschehen. Glaub' mir.«

Dag schüttelte den Kopf. »Ich hätt' sie vielleicht reparieren können.«

Vincent rutschte näher. »Nein. Der Gedanke war da. Sie hat nicht gezögert, wie du weißt. Dag, du konntest nichts ändern. Ich weiß, dass es dich belastet, aber ... du musst damit aufhören.«

»Das kann ich aber nicht. Sie war nicht deine Freundin, Vinne. Ihr Blut klebt quasi an meinen Händen.«

»Nein. Du warst nicht für sie verantwortlich.«

»Doch. Das war ich.«

Vincent atmete tief ein und rutschte zurück. »Du solltest die Therapie wieder ein wenig mehr auf dieses Thema fokussieren. 'ne Zeitlang ging es dir doch ... irgendwie besser.« , meinte er. »Gab es vielleicht ... irgendwas, weshalb du wieder zu viel nachdenkst?«

Dag schüttelte den Kopf. »Alles wie immer.«

»Vielleicht ist es das. Möglicherweise bist du schon zu lange in deinem, wie immer.«

Er grunze auf. »Warum wollt ihr alle mir immer reinreden, ich ...«

»Ich will dir nichts reinreden. Aber man merkt, dass dir etwas fehlt. Du gehst davon aus, dass es Célia ist. Und vielleicht ist sie das auch auf irgendeine Art und Weise, aber ... weißt du, was dir fehlt? Liebe, mein Freund. Zu lieben und geliebt zu werden.«

Dag schüttelte den Kopf. »Ich benötige keinen Schmerz.«

Die Haustüre öffnete sich und zwei blonde kleine Mädchen rannten in das Wohnzimmer, wo sie des Weiteren sofort den Lockenkopf ansteuerten und ihn kräftig umarmten.

»Ja. Papa ist zwar auch da, aber wieso den alten Herrn begrüßen.« , meinte Vincent und lächelte seine Frau an, die kurz danach den Raum betrat.

»Dich seh'n wir doch immer.« , lachte Valea, die in diesem Fall jedoch zu ihm kam und ihn umarmte.

Mila hingegen blieb neben Dag. »Bleibst du noch? Können wir dann gleich am Klavier ein bisschen Musik machen? Bitte.« Sie zog die Unterlippe nach unten.

»Wie kann ich bei so einem süßen Ding Nein sagen?!« , sprach er. »Klar machen wir gleich 'ne kleine Session.« Er zwinkerte ihr zu.

»Nice.« Sie plinkerte zurück.

»Du kannst gerne zum Essen bleiben.« , meinte Mona, die ihre Handtasche abstellte und ihren Mann mit einem Kuss begrüßte.

»Wenn ihr mich einladet, dann liebend gern.« Er stellte sich hin und nahm Milas Hand, die sie ihm sofort hinstreckte, ehe sie ihn in das Musikzimmer schleppte, welches im Hause Stein nicht fehlen durfte.

Vincent wartete, bis die Türe sich geschlossen hatte und auch Valea in ihre Räumlichkeit verschwunden war. Dann stand er auf und folgte Mona in die Küche hinein. »Dag geht es momentan wieder richtig scheiße.«

»Scheiße? Du meinst so ... 2019 scheiße?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich gehe davon aus, dass er mit großen Schritten genau darauf zusteuert.«

»Das ist nicht gut.«

»Nein ist es echt nicht. Ich mach' mir Sorgen. Aber er nimmt alles irgendwie auch als Angriff an. Ich hab Verständnis dafür, das er nach allem was war, immer noch daran zu knabbern hat. Aber so kann es nicht weitergehen.«

»Ich weiß.« Mona war selbstverständlich über alles im Bilde. »Was willst du tun?«

»Ich hab kein'n Plan. Ich weiß nicht, was ich tun kann, um ihm zu helfen.«

»Er benötigt einen anderen Blickwinkel.«

»Worauf?«

»Seien wir doch mal ehrlich Schatz. Er vögelt sich dumm durch die Weltgeschichte. Was er aber dringend nötig hat, ist eine Konstante.«

»Ja. Der Meinung bin ich auch. Aber er sieht es nicht so. Er sagt, er will den Schmerz nicht nochmal haben.«

»Ja. Und genau das ist es. Ein anderer Blickwinkel. Ihm muss klar werden, wie schön es sein kann, jemanden zu haben. Jemanden zu lieben. Von jemanden geliebt und unterstützt zu werden.«

Vincent umarmte sie von hinten und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. »Das waren genau meine Worte vorhin.«

»Vielleicht musst du ihn irgendwie ermutigen einer Frau ... mehr Zeit zu widmen.«

»Indem ich sage, bums' sie nochmal?«

»Wenn es hilft.«

Vincent lachte auf und lehnte sich an den Kühlschrank. »Das wird nicht helfen, wenn sie nur georgelt werden will.«

»Du musst auch schon Eine wählen, die ... Potenzial für mehr hat.«

»Und woher soll ich das wissen? Halte ich die Kerze, während er sein Baguette belegen lässt?«

Mona sah ihn verstört an. »Was?«

»Mir fiel gerade keine andere Umschreibung ein.«

»Sprach der Poet, der mit Wörtern seinen Unterhalt verdient.« , lachte sie.

»Du weißt auf jeden Fall, was ich meine.«

»Redet ihr nicht?«

»Doch. Klar. Aber er erzählt mir doch nicht, was er da genau mit wem treibt.«

»Na ja. Hätte ja sein könn'n.«

»Nee. Möchte ich auch nicht hör'n.«

»Dann ... keine Ahnung. Aber ich denke, nur so wird ihm geholfen. Er benötigt nicht nur die Sichtweise mit Célia. Ihm muss gezeigt werden, dass es auch anders sein kann.«

»Ja ... ich weiß. Nur muss er es auch einsehen.«

Ich sitz' immer noch hier, und schreib' dir diese Zeil'n (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt