𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 45

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Eine Gänsehaut überfiel Emmas Körper mit Wucht.

Das war nicht möglich.

Das war ein Traum.

Anders gab es keine Erklärung.

Dieses Mädchen ... das war sie. Dags Ex. Sie war diese Célia, von der er gesprochen hatte. Das junge Ding, welchem er fast schon endlos geschrieben hatte. Aber ... sie war kein Tag gealtert. Sie sah aus, wie auf den Bildern.

Oder ...

Emma ertastete panisch ihren Körper.

War sie tot?

War sie vor lauter Kummer und Sorgen im Schlaf gestorben und befand sich nun auf einer Reise durch die Zeit? Doch wieso wurde ihr dann die Andere in Dags Leben präsentiert?

War das die Hölle?

Nein. Nein. Sie war nicht tot. Sie konnte nicht tot sein. Würde man so etwas nicht wissen? Würde sie sich nicht daran erinnern?

»Hal-lo.« , sagte sie zögerlich zu ... Célia.

Doch die blickte sie nicht an. Sie sah traurig aus. Sehr traurig sogar.

Emma trat näher. »Ich bin ... mein Name ist Emma.«

Nichts. Nicht mal ihre Augen sahen in ihre Richtung. Stattdessen ging sie zu der Haustüre und öffnete diese, indem sie mit ihrer Schulter und ein wenig Schwung dagegen stieß. Célia trat ein.

Emma stand verloren draußen. Was sollte sie tun? Ihr ... ihr folgen?

Sie schaute in den dunklen Hausflur und hörte das Mädchen leise schluchzen. Instinktiv folgte sie ihr die Stufen nach oben. Im Dunkeln war dies nicht gerade einfach, aber sie erkannte Célias Silhouette, die urplötzlich auf der Letzten stehengeblieben war.

Emma kam es vor, als würde sie all ihren Mut sammeln. Ohne zu wissen, was war, verspürte sie Mitleid mit ihr.

»Hallo?« , versuchte sie es erneut. Doch Célia hörte sie anscheinend nicht. Sie trat näher und wedelte mit ihrer Hand vor dem Gesicht des jungen Mädchens. Nein, sie sah sie auch nicht.

Emma existierte nicht. Zumindest nicht ... im Hier und Jetzt.

Urplötzlich und geschwind eilte Célia zu einer der Haustüren, legte den Block, den sie bei sich trug, auf die Fußmatte und rannte leise nach unten.

Verwirrt blickte Emma hin und her.

Was nun?

Wieso hatte sie einen Block dahingelegt? Und wer ...?

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen ging sie zur Türe und sah auf das Klingelschild.

D. Kopplin.

Die erwartete Gänsehaut überraschte sie dennoch. Was war das hier? War das ... ein Traum? Oder ... war das echt?

Die Tür öffnete sich aus heiterem Himmel rasendschnell und ein ... sehr junger Dag blickte in den Flur.

Das sich aufrichten der Körperhaare verstärkte sich. Er sah sie an, aber ... nein, durch Emma hindurch, ging sein Blick. Ihr Herz pochte extrem.

Er sah sich um und trat einen Schritt nach draußen, dabei bemerkte er das Büchlein auf seiner Fußmatte. Vorsichtig hob er es auf und blätterte zu der ersten Seite um.

Emma sah ihn an.

Seine Mimik veränderte sich mehr und mehr. Diese Herzensangst in seinem Blick. In ihr stieg ein Angstgefühl auf. Nicht diese Panik, ihr könne etwas geschehen. Es war Angst um ihn.

Dag ließ alles fallen und rannte in seine Wohnung zurück. Emma blieb am Türrahmen stehen.

Mit zitternden Händen schnappte er sich sein Telefon und rief jemanden an. »Sie ... sie bringt sich um. Sie ... sie ... ich muss sie finden.« Seine Stimme war noch so ... jung, nicht ganz so tief, aber ... voller Angst und Sorge. »Sie war hier.« , sprach er weiter. »Ich ... wo ist meine verfickte Hose?« , schrie er verzweifelt auf. »Sie ... sie hat einen Brief draußen hinterlassen. Sie will sich das Leben nehmen. Vincent, du musst kommen. Ich muss sie finden. Ich muss sie aufhalten. Ich ...«

Dag hörte seinem besten Freund wohl zu und legte auf, ohne sich zu verabschieden. Er schnappte sich eine Hose und fiel fast hin beim Versuch in diese zu steigen und sich dabei auch noch weiter fortzubewegen.

Emma trat beiseite, als er an der Türe angekommen war und mit dem Shirt in der Hand den Eingang zuzog.

Sie war wie ... versteinert.

Was war das hier? Wo war sie? Wann war sie? Und wieso?

Dag rannte nach draußen.

Emma sah ihm hinterher.

Sie überlegte nur kurz und beeilte, sich dann ebenfalls unter freiem Himmel zu kommen. Die Luft strömte ihr entgegen, als sie die Türe aufzog und hinauslief, mit der Hoffnung Dag noch einholen zu können.

Doch ...

Wo war sie denn jetzt?

Sie drehte sich um. Der Eingang, aus dem sie gerade noch gelaufen war, war weg. Einfach weg.

Dag ebenfalls ... und die Straße.

Sie befand sich zwar wieder auf einer, aber ... komplett woanders.

Emma tätigte dennoch ein paar Schritte zurück, mit der Hoffnung wenigstens wiederkehrend im Flur herauszukommen, doch vergeblich. Sie blieb an Ort und Stelle.

Was nun?

Was sollte sie tun?

Und in welche Richtung sollte sie gehen?

Sie blickte sich um und entschied sich, einfach weiter durchzugehen. Emma war hier gelandet, wie auch immer, aber ihr Blick war in diese Wegstrecke ausgelegt.

Was sollte schon geschehen? Verlaufen hatte sie sich so oder so, denn selbst die Zeit war ihr nicht einmal klar.

Zeit. Ort. Falls sie je zurückkehren würde, gäbe es doch keine Person, die ihr all das glauben würde.

Mit ihrem Wagen an Orten aufzukreuzen war ja noch irgendwie ... nachvollziehbar. Zumindest begreiflicher als das hier.

Ihr Blick fiel auf ein demoliertes Auto, mit Graffiti beschmiert.

Mit traumwandlerischer Sicherheit näherte sie sich diesem und sah auch, dass sich jemand im Inneren befand.

Eine in Tränen aufgelöste Célia.

Ich sitz' immer noch hier, und schreib' dir diese Zeil'n (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt