𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 28

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Tag ... finis infiniti

Ich hab' eine Frau kennengelernt. Emma ist ihr Name. Sie ist toll. Sie ist wunderbar in jeglicher Hinsicht.

Ich kenn' sie noch nicht lange, aber ich weiß, dass sie besonders ist. Das sie mir auf irgendeine Art und Weise ... wichtig ist.

Ihre Stimme beruhigt mich. Ich verliere mich in ihren wunderschönen blauen Augen. Ich könnte ihr stundenlang zuhören. Ihr Duft ist unbeschreiblich. Ich liebe ihr Lachen. Sie erhellt mich.

Wie du merkst, versuche ich, Gefühle zuzulassen. Sie sind da. Ich spüre sie. Und es ist so seltsam, weil diese ... nicht für dich sind.

Sie kratzen an der Oberfläche und wollen hinaus. Doch ... du versperrst ihnen den Weg.

Sie ist nicht du. Aber sie ist dir ähnlich. Ich hab' sie stehenlassen, da sie denselben Kakao wie du bevorzugt. Das war nicht richtig von mir.

Dieser Vergleich.

Ich sollte dich gehen lassen. Du bist schon lange weg. Schaust nicht mehr zurück. Aber irgendwie ist es für mich nicht einfach. Doch ich weiß, dass ich es muss. Ich komme nicht voran, weil ich weiter auf dieser einsamen Insel verharre.

Ich suche dich weiterhin in mir und das ist im gleichen Sinne nicht richtig.

Du weißt nicht, wie viel Kraft mich das kostet so einen Brief an dich zu verfassen. Aber ... nach all der langen Zeit, ist es längst überfällig.

Du wirst nicht mehr zurückkommen. Und du wirst nie auch nur einen Brief von mir lesen.

Ich muss dich gehen lassen. Dich loslassen, um frei zu sein. Um keine Angst mehr zu spüren. Ich muss neu anfangen und das geht nicht, wenn ich weiterhin auf dieser Insel hocke und jegliche Aussicht auf Rettung verweigere.

Sie ist mein Rettungsring.

Das Rettungsboot, welches mich vielleicht herausführen kann.

Oder ... könnte. Ich hoffe es zumindest. Sie fühlt sich auf jeden Fall so an.

Ich muss es versuchen.

Es kann kein Zufall sein, dass ich ausgerechnet ihr begegnet bin.

Vielleicht musste sie mich finden.

Ich habe sie auf jeden Fall gebraucht ... und brauche sie noch.

Es tut mir leid. Ich entschuldige mich bei dir, weil dies mein letzter Brief sein wird und ich entschuldige mich bei mir selber.

Ich habe vergessen, zu leben, nachdem du gingst.

Du wirst dennoch in meinem Herzen sein. Ein Stück wird immer dir gehören.

Dag legte den Stift beiseite.

Diese Zeilen waren nötig. Er musste einen Abschied finden, um einen Neubeginn haben zu können. Anders war es nicht möglich.

Nachdem Vincent gegangen war, hatte er noch eine Zeitlang gegrübelt. Er wollte Emma nicht verlieren, falls es nicht schon zu spät war. Was immer es war, aber er wollte bei ihr sein.

Er hatte sie nicht gesucht ... und doch waren sie sich begegnet.

Die Dinge sind einfach passiert. Er hatte sie gefunden ... und ein Stück sich selbst.

Er schloss das Buch und legte es in die Schublade. Dann öffnete er das Schränkchen nebenan, wo sich viele solcher Niederschriften vorfanden. Einige Büchlein, die sich in all den Jahren angesammelt hatten.

... und keines würde mehr folgen. Sein Entschluss stand fest.

Es war Zeit loszulassen.

Er hatte etwas Gutes. Etwas Schönes. Etwas Greifbares, falls Emma ihm verzeihen würde. Ihm war klar, dass sie ihm auch die Haustüre vor die Nase zuschlagen konnte. Doch wenn er nicht kehrtmachen würde, blieb die Türe so oder so geschlossen.

Dag musste es versuchen.

Er hatte schon Tage verstreichen lassen, in denen er etwas hätte ändern können.

Schnell bestellte er ein Uber und zog sich die Schuhe an, ehe er nach unten ging. Sein jetziger Fahrer war stumm. Darüber war er auch froh. Dag musste Worte finden, die er Emma sagen konnte. Worte, die sie nicht dazu veranlassen würden, ihn auf ewig zu hassen. Zu verabscheuen.

Sie dachte bestimmt, er hätte nur das Eine von ihr gewollt.

Ja, so war er auch sonst, aber ... nicht bei ihr. Sie war mehr. So viel mehr. Und das musste er ihr irgendwie begreiflich machen.

Vincent hatte Recht, die Wahrheit musste raus, dennoch wollte er im Übrigen nicht alles ans Tageslicht bringen.

Dag wollte ihr nicht seine komplette Dunkelheit zeigen. Oder die Dinge, die dazu geführt hatten.

Célia durfte nicht zu sehr präsent sein. Wie sollte er es denn sonst schaffen sie hinter sich zu lassen, wenn er immer wieder ihre Gestalt auf die Bühne zerren würde?

Der Brief war ein Anfang, jetzt musste er es nur noch in die Wirklichkeit transferieren.

Umso mehr der Wagen sich Emmas Wohnblock näherte, desto aufgeregter wurde er.

Wie würde sie reagieren?

Hätte er Blumen mitbringen sollen?

Oder ... würde sie jetzt erst Recht keine mehr annehmen, nach allem, was war?

Sein Herz pochte so laut, als er schließlich ausstieg und in das Innere des Hauses trat.

Ihm wurde sogar übel.

~ du schaffst das Dag ~

War die Stimme weiblich oder männlich? Er konnte es nicht definieren, aber ... es war nicht seine ... auch wenn sie in ihm war.

Stimmen zu hören war kein gutes Zeichen. Dag verwarf den Gedanken somit direkt. Es war nur er im Alleingang gewesen, der sich selber Mut zugesprochen hatte. Mehr nicht.

Er schloss kurz die Augen ... atmete tief ein ... und betätigte Emmas Klingel.

Ich sitz' immer noch hier, und schreib' dir diese Zeil'n (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt