𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 5

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»Emma, schling' doch nicht so.« Anni, mit dem knallrotgefärbten Lockenkopf nahm ihrer Freundin den Teller weg.

»Ich muss mich beeilen.« , meinte sie und schob das Geschirr mit Spaghetti Carbonara gefüllt wieder näher. »Ich hab' noch einen Termin beim Zahnarzt.«

»Und dem willst du die Spaghettireste präsentieren?«

»Haha. Natürlich putze ich mir vorher die Zähne.« , sprach sie mit vollem Mund. »Aber je nachdem, was gemacht werden muss, sollte mein Magen schon gefüllt sein.«

»Deine Sorgen.«

»Du weißt, ich sterbe, wenn ich Hunger hab'.«

»Nein. Du nervst, wenn du Hunger hast.« , antwortete sie darauf. »Bist du also nur zum Essen hergekommen?«

»Du hast gesagt, du kochst.«

»Ja, aber eher für Lana und mich.«

»Was ist?« , rief Annis Ehefrau aus dem Wohnzimmer.

»Nichts. Iss ruhig weiter.« Sie stocherte in ihrem Essen herum.

Emma, mit einer langen Spaghetti aus ihrem Mundwinkel hängend, hörte auf zu schlemmen. »Ist alles okay?« , fragte sie und zog das Nüdelchen in ihren Mund hinein.

»Jaja. Lana ist momentan so sehr im Trash-TV Fieber, da komm' ich ein wenig zu kurz.«

»Schau doch mit ihr.«

»Mich interessiert das aber nicht.«

»Geben und nehmen. Ihr müsst doch nicht dieselben Dinge mögen. So viel ich weiß, mag Lana ja auch keine Schnulzen, die sie extrem oft mit dir schaut.«

Anni rollte mit den Augen. »Aber mich interessiert es echt nicht.«

»Kompromisse ist das Zauberwort.« Sie stand auf und stopfte sich mit der Gabel nochmal den Mund voll.

»Sprach die Beziehungsexpertin.«

»Nur weil ich zurzeit keine hab, bedeutet nicht, ich wüsste nicht, wie es geht.«

»Ja ich weiß. Sorry. Aber momentan ... meine Nerven liegen blank wegen dem Scheiß.«

»Dann redet. Kommunikation ist immer besser, als ... verkriechen.«

»Ja. Ich weiß.«

Emma lächelte ihr nochmal zu und verschwand eilig.

Wieso machte sie auch immer alles bis zum letzten Drücker? Sie war selten pünktlich und wenn, dann hatte sie sich äußerst beeilt und kam völlig außer Atem egal wo an. Weshalb fiel es ihr schwer, besser zu planen? Sie wusste doch stets, wann die Termine genau anstanden.

Sie hechtete zu ihrem Wagen und fuhr auch sofort los. Hart ging sie auf die Bremse, als sie fast eine rote Ampel überfahren hatte.

Das war knapp.

Emma sah auf die Uhr. »Scheiß drauf.« , sagte sie und rief bei ihrem Zahnarzt an, nachdem sie die Freisprechanlage aktivierte. »Hallo?! Frau Jabilonsky am Apparat. Ich muss leider kurzfristig meinen Termin bei Ihnen canceln.« , sprach sie, als die Sprechstundenhilfe sich am anderen Ende freundlich meldete.

»Oh. Das ... das ist aber sehr kurzfristig.« Den Sarkasmus der Helferin vernahm sie sofort.

»Ja. Tut mir leid. Ich ... ich steh' im Stau und dachte, ich schaffe es doch noch irgendwie.« , log sie mit Absicht.

»Okay. Sollen wir dann einen neuen Termin ausmachen? In drei Monaten wäre noch etwas frei.«

Sie rollte mit den Augen. War ja klar. »Ja tragen Sie mich ein.«

Die Frau gab ihr das Datum und die Uhrzeit, ehe sie auflegte.

Emma atmete tief ein und sah sich wieder mal verwirrt um. Wo war sie denn nun aufs Neue hingefahren? Das war ja schon ... gespenstisch. Warum driftete sie so ab, dass sie zwar zum Glück heile irgendwo ankam, dennoch da eintrudelte, wo sie gar nicht hinwollte? Die Straße sagte ihr nichts.

Gerade eben hatte sie noch bewusst fast eine rote Ampel übersehen, aber hier ... hier war sie angekommen, ohne jemanden plattzufahren.

Sie bekam eine Gänsehaut.

Das war schon seltsam. Doch vielleicht war sie wirklich so in das Gespräch vertieft gewesen, das sie umstandslos einfach eine Strecke gefahren war. So etwas geschah.

Darüber hatte sie mal einen Artikel gelesen, wenn sie sich nicht irrte.

Aber war das nicht eigentlich bei Wegstrecken, die man tagtäglich befuhr? Dieses Abschweifen, da man genau wusste, wohin und ... Sie sah sich desorientiert um. Diese Straße kannte sie tatsächlich nicht. Und ... sie war auch noch nie hier gewesen. Es war, als hätte jemand anderes sie hergelotst.

Wie mit dieser Tankstelle.

Okay Hunger oder Durst hatte sie jetzt nicht, so dass sie es darauf hätte schieben können. Zudem ... wo sollte sie hier auch hin? Einfach bei jemanden klingeln, und einen Kaffee verlangen?

Sie lachte über ihre dummen Gedanken auf.

~ jemand anderes ~

Klar, sie wurde von Geisterhand in eine ihr fremde Straße geschoben. Einfach so aus Spaß.

Emma wendete mit mehreren Anläufen und fuhr dann Richtung nach Hause. Den Termin abzusagen war schon klug gewesen. Diese Raserei war nicht gut. Irgendwann würde sie womöglich wahrlich jemanden auf der Motorhaube liegen haben, wenn sie alles unter Zeitdruck tat.

Oder ... falls sie eines schönen Tages mehr abdriftete, würde sie zu guter Letzt sonst noch in einer anderen Stadt landen.

Ich sitz' immer noch hier, und schreib' dir diese Zeil'n (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt