𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 10

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Emma raste um die Ecke.

Ihre Nachbarin hatte sie telefonisch kontaktiert, dass ein Paket auf ihrer Fußmatte liegen würde.

Auf die Bitte, dies solange bei ihr unterzustellen, damit niemand es klauen konnte, meinte diese nur, sie würde jetzt schlafen gehen und hätte keine Lust auf Besuch.

Besuch ...

Sie hatte nicht vor ein Schwätzchen mit ihr zu halten. Emma wollte einzig und allein nur ihr Paket haben und bat ihr sogar an, es dann eben erst am nächsten Tage bei ihr abzuholen. Doch auch darauf ließ sie sich nicht ein und sprach, sie wolle nicht gestört werden und Emma könne froh sein, dass sie sie darüber in Kenntnis gesetzt hätte. Sie solle in aller Selbstverständlichkeit so bestellen, dass einfach ausgedrückt jemand zu Hause sei.

Ende und fertig.

Danke Frau Oberboersch.

Danke für nichts.

Emma beeilte sich nun, ihr zu Hause zu erreichen, bevor irgendjemand ihr Paket dort wegnehmen konnte.

Verwirrt sah sie sich um, als sie in eine Straße einfuhr.

Mein Gott, was war denn jetzt schon wieder los? Hatte ihr Wagen einen Autopiloten, der gelegentlich einfach das Steuer übernahm?

Wie war sie überhaupt an diesen Ort gelangt? Sie war sich in der Tat bewusst, dass sie nach Hause wollte. Nach Hause und nicht ... wo war sie denn jetzt?

Hier war sie doch schonmal gelandet. Das war diese eine Straße, wo sie plötzlich gemerkt hatte, dass sie falsch war.

Das durfte doch nicht wahr sein. Auch noch jetzt, wo sie es wahrlich eilig hatte. Unpassender ging es nicht.

Dieses Mal wendete sie nicht und fuhr einfach weiter durch, mit der Hoffnung, von da wieder zurückgelangen zu können.

Es war auch längst dunkel. Wahrscheinlich war sie deshalb irgendwann falsch abgebogen. Und da sie ja schon mal hier gelandet war, war es vermutlich mit Leichtigkeit für sie, wieder hier zu landen. Genau. Das war es.

Routine. Irgendwie. Auf irgendeine seltsame Art und Weise.

Emma stand nicht der Kopf danach, weiter über so etwas nachzudenken. Sie musste nach Hause.

Dringend.

Sie fuhr um die Kurve und erschrak, als es rummste und sie den Mann sah, der kurz durch die Luft flog.

Scharf ging sie zeitgleich sofort auf die Bremse.

Fuck. Fuck. Fuck. Hatte sie jetzt jemanden angefahren?

Das musste ja so kommen. Sie hatte es noch prophezeit und Schwupps war es eingetroffen.

Fuck.

Nach einem kurzen Schreckmoment riss sie die Türe auf und rannte hin. »Oh mein Gott. Ist alles in Ordnung? Sie sind aus dem Nichts gekommen. Es tut mir so leid. Oh mein Gott. Oh mein Gott.« , kreischte sie, als sie den Lockenkopf irgendwie desorientiert vorfand. »Hallo? Hören Sie mich?« Sie beugte sich ein wenig über ihn und wackelte quasi mit ihrer Hand vor seinem Gesicht. »Sie ... Sie hatten einen Unfall. Also ... ich hab' Sie angefahren. Versehentlich. Hallo?« Er setzte sich schließlich auf und blinzelte, ehe er sie wahrlich erschrocken anblickte ... und zurückwich. »Ist ... ist alles okay bei Ihnen? Sie haben eine kleine Schramme da an der Stirn, und ...« Emmas Stimme zitterte.

Dag schüttelte den Kopf. »Nein. Nicht.« , sagte er, als sie ihn anfassen wollte. Das war nicht real. Was immer gerade ablief, war faktisch unmöglich. Ihr Haar war dunkel mit blauen Augen und wich somit von Célia ab, jedoch der Rest von ihr ... die Augen, der Mund ... sie sah irgendwie aus wie eine erwachsengewordene Célia. Er wich noch ein wenig zurück, als ihre Hand näherkam. Sie durfte ihn nicht berühren. Irgendwie hatte er Panik, dass er sie spüren könnte.

»Ich denke, Sie ...«

»Nein.« Er stellte sich auf die Beine und sah sich orientierungslos um. Wo war sein Fahrrad?

»Ich ... ich hab' Sie nicht gesehen. Sie kamen ...« Sie hörte auf zu reden, als er sie plötzlich erneut ansah.

Dag fasste sich an den Kopf. Er muss härter aufgeschlagen sein, als er gedacht hatte. Sie verschwamm nicht. Ihr Antlitz veränderte sich nicht. Hatte er erst die Zuversichtlichkeit gehabt, es war einzig und allein nur eine Schrecksekunde, blieb ihr äußeres Erscheinungsbild vorhanden. »Du ... du bist nicht hier.« , sprach er es aus mit der Hoffnung, die junge Frau würde sich in Luft auflösen. »Verschwinde.«

Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. »Ich glaube, Sie brauchen einen Arzt.«

Er schüttelte den Kopf und wich abermals zurück, als sie ihre Hand kurzzeitig auf seinen Oberarm legte. »Nein. Nicht ... nicht anfassen.«

»Haben Sie Schmerzen, oder ...« Sie wollte ihn stützen, als er taumelte.

»Nicht anfassen.« Er wurde ungewollt lauter. Aber wieso verstand sie denn auch nicht, dass sie ihn nicht berühren sollte?

Ein wenig verwirrt nahm sie ihre Hände zurück. »Okay. Wie Sie ... wollen. Ich ... ich fasse Sie nicht an.« Emma holte ihr Handy hervor. »Ich werde dann die Polizei benachrichtigen, und die wird dann ...«

»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich ... ich will nach Hause.«

»Aber ... das war ein Unfall. Und ... ihr Kopf. Und ... Sie sind nicht gerade weich gelandet. Ein Arzt sollte ...«

»Nein. Ich will meine Ruhe. Ich will hier weg. Ich will ...« Er sah sie an. »Ich will dich nicht sehen.«

Sie wirkte mehr als verwirrt und war wegen seiner Aussage auch ein wenig empört. Gab er ihr jetzt die Schuld dafür? »Ich habe das nicht mit Absicht gemacht. Sie sind viel zu schnell die Kurve herumge- ...« Sie stoppte ab, als er wackelig davondackelte. »Warten Sie bitte.«

»Nein.« Er ging schnurstracks weiter. Sofern man das so sagen konnte. Er taumelte ein wenig, aber Dag war klar, dass er wegmusste. Weg von dieser Frau.

Ich sitz' immer noch hier, und schreib' dir diese Zeil'n (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt