𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 46

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Emma sah zu dem völlig verzweifelten Mädchen, das sich in dieser Schrottkarre befand.

Sie beugte sich, um Hineinsehen zu können. Ihr war sofort klar, was sie da trieb, als sie sah, was Célia da auf einem Löffel erhitzte.

»Nein nicht.« , sagte sie, aber wurde selbstverständlich nicht erhört.

Ruckartig versuchte, sie demzufolge die Autotüre aufzureißen. Doch es klappte nicht. Sie konnte diese zwar berühren, mehr jedenfalls auch nicht. Es funktionierte einfach nicht. Das Autofenster war kaputt, was sie jedoch irgendwie jetzt erst bemerkte ... allerdings ... konnte sie nicht durchgreifen. Es war, als würde das Fenster weiterhin bestehen. Emma konnte nur dabei zusehen, wie Célia viel zu viel in eine Spritze aufzog und schließlich in ihre Vene stach.

Sie blickte sich um. »Hiiiiilfe.« , schrie sie. »Ich brauche Hilfe.«

Nichts.

»Feuer.« , rief sie deshalb, da man es ihr damals in der Schule so beigebracht hatte, bei einem Notfall dieses Wort zu schreien, weil darauf die meisten Passanten angeblich reagieren würden.

Doch immer noch nichts.

Niemand hörte sie.

Verzweifelt blickte sie in den Wagen. Célia erstickte. Die Überdosis führte dazu, dass ihr Atemreflex erlosch. Abermals tat sie alles Mögliche, um ins Auto zu gelangen, doch rein nichts wollte ihr gelingen.

Sie wusste nicht mehr weiter.

Wie aufgescheucht blickte sie sich um, lief umher, um Menschen anzusprechen zu können. Doch niemand nahm sie wahr. Sie war gar nicht hier. Zumindest nicht ... zu der Zeit.

Ihr kam es endlos lange vor, wo sie immer wieder versuchte, die Türe des Autos aufzubekommen, und sich nach Hilfe umzusehen.

... als ein Wagen in die Straße einfuhr. Mit wedelnden Armen lief sie diesem entgegen. Wohlbewusst, das sie anscheinend nicht gesehen werden würde. »Hilfe. Wir brauchen Hilfe.« 

Sie fühlte sich so schlecht, nicht helfen zu können.

Die Beifahrertüre des noch fahrenden Autos öffnete sich und ein junger Kerl sprang nach draußen, fand Balance und rannte auf sie zu.

Es war Dag.

»Sie ist dadrin.« , gab sie laut von sich.

Ihre Stimme erreichte jedoch nicht seine Ohren. Stumm sein schaffte Emma dennoch nicht. Es war einfach zu real das Ganze um sie herum. Sie bemerkte sogar, wie sie zitterte vor lauter Panik.

»Ruf 'nen Krankenwagen.« , schrie Dag aus Leibeskräften zu einer jüngeren Version von Vincent, der aus seinem Wagen ausgestiegen war und ihn fast regungslos ansah, ehe er reagierte. Der Lockenkopf rüttelte Célias erschlafften Körper, nachdem er die Spritze, welche noch in ihrer Vene steckte, entfernt hatte. Mit vollem Krafteinsatz hievte er sie aus dem Auto und legte sie auf den Boden.

Emma kniete sich direkt daneben. Die Tränen liefen Dag unkontrolliert nach unten, als er Célias Puls fühlte und ihre Atmung nachprüfte, bevor er vollkommen verzweifelt zu Vincent sah, der mittlerweile mit den Rettungskräften am anderen Ende seines Telefonats sprach.

»Célia?« Dags Stimme zitterte und war voller Leid. »Bitte. Werd' wach.« Emma weinte nun auch. Ihn so zu sehen war schlimm. Sie fühlte seinen Schmerz. Augenblicklich begann er mit einer Herz-Rhythmus-Massage und turnusmäßiger Mund-zu-Mund-Beatmung.

»Der Krankenwagen ist unterwegs.« Vincent kam zu ihm. »Atmet sie ... n- ...?«

Er schüttelte seinen Kopf, antwortete nicht, sondern zählte leise vor sich hin, um die Konzentration nicht zu verlieren.

Emma stand auf.

Das war alles zu viel.

»Bitte.« , sprach sie leise flehend. »Lass es ihn schaffen.«

»Er hat es nicht geschafft.« , erklang eine zarte weibliche Stimme links von ihr. »Ich war schon ... gegangen.«

Erschrocken blickte sie in Célias Gesicht, die neben ihr stand, aber ... auch noch immer auf dem Boden lag, während Dag weiterhin versuchte, sie wiederzubeleben.

»Aber ... wie ...?«

Das junge Mädchen nahm ihre Hand und Emma wurde es ohne Zeitverzug eisigkalt. Sie zitterte sofort auf.

»Er braucht dich Emma.« , sprach Célia wie aus weiter Ferne, während alles um sie beide herum verschwamm. »Er liebt dich.«

Das Blaulicht vernahm Emma wie hinter einem Vorhang, als plötzliche Dunkelheit sie ummantelt hatte.

Nichts war zu sehen.

Niemand war da.

Keiner hielt ihre Hand.

Sie war allein ... befand sich nicht einmal auf einer neuen Straße oder so.

Absolute Dunkelheit.

»Hal-lo.«

Nichts.

Sie schloss die Augen atmete tief ein. Irgendwie musste es doch weitergehen.

~ er braucht dich Emma. ~

Erschrocken darüber öffnete sie schlagartig wieder ihre Augen ... und befand sich in ihrem Schlafzimmer. Sie stand an genau der Stelle, wo sie ... verschwunden war.

Ihr Blick schweifte umher, ehe sie langsam aber sicher rückwärts auf ihr Bett zu ging und sich hinsetzte. Was war das? Ein Traum?

Emma berührte ihre Wangen, die nass waren von den ganzen Tränen, die sie geweint hatte.

Hatte sie je in einem Traum geweint? War sie demzufolge mal mit echtem Tränenwasser wachgeworden?

War ein Traum jemals so real gewesen?

So etwas konnte sie sich doch nicht zusammen gespinnt haben.

In ihren Gedanken, ihren Ängsten, lebte Célia und Dag schrieb ihr, weil er hoffte, mit ihr wieder zusammenzukommen. Aber nicht das, was sie gerade gesehen hatte.

War sie tot?

War sie in seinen Armen gestorben?

~ er braucht dich Emma. ~

Die Stimme war leise. Gedämpft. Nicht mehr so laut wie vorhin.

Sie sah auf die Uhr und stand auf. Flink sprang sie in eine Jogginghose und nahm ein T-Shirt aus dem Schrank. Danach ergriff sie ihr Handy, zog die Schuhe an und öffnete die Türe.

Egal wie spät es war, sie musste jetzt mit Dag sprechen ...

... der unerwartet im Hausflur gegen die Wand gelehnt saß.

Ich sitz' immer noch hier, und schreib' dir diese Zeil'n (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt