𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 37

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»... aber Leona, was muss denn noch geschehen?« Emma sah sie mitfühlend an. »Du bist hergekommen. Also möchtest du doch Hilfe.«

»Das war ein Fehler.« Die zierliche junge Frau schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht bleiben. Ich weiß nicht mal, wieso ich überhaupt hergekommen bin.«

»Er hat dich geschlagen. Wieder mal.« Sie sah auf Leonas blaues Auge. »Du musst den Absprung schaffen.«

»Und dann? Was bleibt mir dann?«

»Dein Leben und deine Freiheit. Er besitzt dich. Er bestimmt über dich.«

»Aber ohne ihn habe ich niemanden. Ich hab' meiner Familie den Rücken gekehrt. Wir haben nur gemeinsame Freunde. Ich stehe völlig alleine da.«

»Du wirst neu anfangen müssen. Ich weiß, dass so etwas Angst machen kann. Aber so alleine bist du nicht.«

»Ich liebe ihn Emma.«

»Schließ' bitte mal kurz deine Augen.« , sagte sie und wartete, dass Leona dies auch umsetzte. Anschließend sprach sie weiter. »Jetzt stell' dir eine Liebe vor, wo du dich wohlfühlst. Wo du nicht zusammenzuckst, wenn er sich mal einfach nur so zu schnell bewegt. Stell' dir vor, wie schön es ist Komplimente, statt Beleidigungen zu hören zu bekommen. Streicheleinheiten statt Gewalt. Wo du ihm deine Meinung sagen kannst, ohne mit etwas Schlimmen zu rechnen. So etwas gibt es Leona. Du musst nur lernen, dass du es verdient hast. Viktor hat dir weisgemacht, du wärst nichts wert. Insbesondere ohne ihn. Doch das stimmt nicht. Du bist so viel mehr wert, du musst nur dein Glauben an dich selbst zurückerhalten.«

Mit Tränen in den Augen öffnete Leona diese wieder. »Ich ... ich muss jetzt geh'n. Er ... er denkt, ich bin einkaufen.«

Emma atmete hörbar laut aus und schüttelte dezent den Kopf. Sie wusste, dass sie sie nicht zwingen konnte zu bleiben. Das musste sie selber entscheiden. Sie empfand es einfach nur als traurig, dass Leona irgendwie Schritt für Schritt mehr zurückging, statt in die richtige Richtung.

Vor ihrem Krankenhausaufenthalt war sie sozusagen weiter als jetzt. Doch das sie dennoch hergekommen war, wertete Emma hingegen als kleinen Wegweiser. Minimal. Mit mangelhafter Schrift verfasst. Und vielleicht fand Leona diesen nicht direkt, um aus dem Labyrinth verschwinden zu können, abseits dessen ... war er da. Sie folgte ihr aus ihrem Büro nach draußen, durch die Einrichtung, vorbei an dem Wachpersonal, welches sie hatten, damit niemand Eintritt bekam, der es in einfachen Worten nicht sollte.

»Du hast die Notfallnummer und du weißt auch, das dir jederzeit die Türen offenstehen bei uns.« Emma umarmte sie. »Denk' bitte bitte bitte über meine Worte nach.«

Leona nickte. »Ich danke dir.«

»Immer doch.« Emma ging mit ihr bis zur Straße, denn sie wollte gleichzeitig ihren Schützling bis zu ihrem Wagen bringen und auch Ausschau nach Dag halten, der vorhatte, sie heute abzuholen.

»LEONA!« , erklang plötzlich und unerwartet eine männliche Stimme. »Ich wusste, das ich dich hier finde du dreckige kleine Schlampe.«

»Herr Abramic, ich möchte Sie bitten, Anstand zu wahren und ihre Ehefrau nicht in diesem Ton anzusprechen.« , sprach Emma, die Leonas Zusammenzucken und beherzt ängstlichen Griff in ihren Arm, als Notruf annahm.

»Was willst du machen, du kleine Hure? Misch dich gefälligst nicht mehr in Sachen ein, die dich ein'n Scheißdreck angehen.« , brüllte er die Dunkelhaarige an, die sich mit Absicht vor seiner Frau gestellt hatte.

Emma linste nach links und sah wie Maik, einer der Securitys, die Türe aufgemacht hatte, um nach dem Rechten zu sehen. »Ruf die Polizei.« , rief sie ihm zu, während sie ihre Position beibehielt. Sie wusste, dass sie Leona nicht alleine lassen konnte.

Mohammed, der ebenso für die Sicherheit tätig war, kam derweil angerannt.

»Die Polizei?« , schrie Viktor Emma an. »Ruf' die Polizei, und du wirst es bereuen, glaub' mir. Das ist eine Sache zwischen mir und meiner Frau. Meiner Frau. Du kleine Fotze bist da nicht mit drin.« Mohammed, der sich beeilte, griff sich den aggressiven Ehemann von Leona rückseitig und verschränkte dessen Arme hinter seinem Rücken. »Lass mich los, du Wichser.«

»Hast du die Polizei gerufen?« , rief Emma Maik zu, der nickte, und ebenso zu ihnen kam.

»Die beeilen sich.«

»Das wirst du noch bereuen Leona. Wenn ich wegen dir, jetzt wieder ...«

»Herr Abramic, das haben Sie sich selbst zuzuschreiben. Es sind Ihre Taten, die dazu führen, und ...«

»Halt deine verfickte Fresse.« Die Spucke flog ihr entgegen, als er sie weiterhin angiftete und vehement versuchte, aus dem Griff des Sicherheitsdienstes zu entfliehen.

»Was ist denn hier los?« Silkes Stimme erklang, als sie mit Anni und zwei weiteren Mitarbeitern ebenso nach draußen trat.

»Es ist alles in Griff. Die Polizei ist bereits unterwegs.« , rief Emma ihr zu.

Viktor schrie laut auf und schlug unerwartet und mehr als schnell Mohammed mit seinem Hinterkopf ins Gesicht. Dieser war darüber so erschrocken, dass er seinen Griff für einen kurzen Moment lockerte.

Dieser reichte jedoch aus, um sich loszureißen.

Nichtsahnend, was auf sie zukam, traf dessen Faust nun Emmas Gesicht.

Ich sitz' immer noch hier, und schreib' dir diese Zeil'n (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt