#34 Richtig und Falsch

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Milo

Seit Stunden saß ich bereits vor Tizians Haustür und wartete darauf, dass er und Sidney aus ihrem Kurzurlaub zurückkamen. Alessandro hatte mich schon gefragt, ob ich nicht lieber drinnen warten wollte, aber das hatte ich dankbar abgelehnt. Es war bestimmt das hundertste Mal, dass ich auf mein Handy schaute, wobei ich weitere Nachrichten von Severin sah. Jede einzelne ignorierte ich, da ich erstmal jemanden zum reden brauchte.

Das Geräusch von einem parkenden Auto ließ mich wieder hochschauen. Sidney sah genervt aus, als er ausstieg, was sich erklären ließ, da Tizian darüber jammerte, dass er Hunger hat. Wenn das nicht schon fast ein Trennungsgrund war, dachte ich mir. Überrascht schaute mein Cousin mich an, als er mich entdeckte. Unbehelligt hob ich nur die Hand, um zu winken, da mir meine Idee, mit ihm zu reden, mittlerweile dämlich vorkam. Wahrscheinlich war es schlauer, wenn ich nur mit Sidney sprechen würde, überlegte ich.

„Wenn du dir weiter deinen Arsch abfrieren möchtest, bleib sitzen, ansonsten kannst du gerne mit reinkommen", schob Tizian sich an mir vorbei. „Ich wollte mit Sidney reden", sagte ich nach einem kurzem Zögern. „Geh schonmal vor, aber sag Alessandro und Enrico noch nichts", lächelnd gab Sidney ihm einen Kuss auf die Wange. „Ihr seid verlobt", stellte ich nach einem kurzem Blick auf den Ring fest, was er freudig bejahte.

Ich freute mich für ihn, aber irgendwie konnte ich das nicht so rüberbringen. Grinsend setzte Sidney sich zu mir und betrachtete mich aufmerksam. Anscheinend war das wohl der Zeitpunkt an dem ich reden sollte, aber ich wurde mir unsicher, ob das der richtige Zeitpunkt war. Er war gerade so glücklich und ich wollte ihn mit meinen Problemen nicht runterziehen. Andererseits wusste ich, dass ich jetzt nicht mehr daran vorbeikam.

„Was ist los?", fragte Sidney besorgt nach. „Ich habe Mist gebaut", murmelte ich. „Wenn ich dir irgendwie helfen soll, brauche ich mehr Details", meinte er. „Ich wollte mit Severin ins neue Jahr feiern. Theoretisch haben wir das auch, aber dann kam einer von seinen One Night Stands. Aus irgendwelchen Gründen habe ich mich wie ein eifersüchtiger Partner aufgeführt", erzählte ich.

Nachdem ich vom Club weggefahren war, hatte ich angefangen meine Gefühlswelt zu hinterfragen. Ich hatte mich tatsächlich in Severin verliebt, obwohl es das letzte war, was ich sein sollte. Mir war bewusst, dass ich niemals der einzige sein werde und das seinerseits sowieso nichts ernstes laufen würde, aber es war trotzdem passiert. Wenn ich so im Nachhinein überlegte, hätte ich mich niemals auf eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen einlassen dürfen.

„Du könntest dich ganz einfach entschuldigen", riet Sidney mir. „Wie kommt das denn rüber? Das ist als ob ich wirklich eifersüchtig gewesen wäre", hakte ich ungläubig nach. „Dann sag ihm, dass du es nicht warst und es nicht so rüberkommen sollte. Außer du warst es wirklich", schlug er vor. „Nein, absolut nicht", log ich. „Dann ist das wohl geklärt. Ich dachte schon, dass du jetzt sagst, dass du dich in ihn verliebt hast", erleichtert atmete er aus. „Was wäre, wenn ich es das sagen würde?", wollte ich wissen.

Verlegen kratzte ich mich am Nacken, als er mich prüfend musterte. Sein Blick war neutral, wodurch ich nicht viel daraus deuten konnte. Unruhig wippte mein Bein auf und ab, wobei der Drang nach Alkohol langsam wuchs. Ein wenig Mut antrinken wäre wohl nicht schlecht gewesen, dachte ich mir. Nein, es muss ohne funktionieren, rief ich mir in Erinnerung.

„Ich hätte nichts dagegen, aber ich weiß nicht, wie Tizian darauf reagieren würde. Du bist schließlich sein kleiner Cousin und er beschützt dich. Er mag Severin, aber er würde nicht zulassen, dass du von ihm verletzt wirst", erklärte Sidney. „Dann ist es wohl besser, dass ich Severin nicht liebe", log ich. „Das ist für euch beide besser so. Lass uns reingehen", stand er auf.

Verwundert schoben sich Sidneys Augenbrauen zusammen, als ich ablehnte. Seufzend legte ich meinen Kopf in den Nacken, da ich meine Entscheidung nicht begründen wollte. Eigentlich müsste es für ihn offensichtlich sein. Wenn es etwas zu feiern gab, bedeutete das im Normalfall, dass Alkohol getrunken wurde. Die Bekanntgebung, der Verlobung, war Anlass genug dafür. Genau so erklärte ich es schließlich Sidney, wodurch er verständnisvoll nickte.

Nur ein WunschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt