Milo
„Ist das passiert, was ich gerade denke?", hörte ich Tizian fragen.
Nein, das bildete ich mir nur ein. Tizian war bei sich zuhause und ich bei mir, war ich mir sicher. Es gab noch nichtmal einen Grund, warum er hier sein könnte. Grummelnd kuschelte ich mich wieder an Severin, der hinter mir lag, wobei mich ein leichter Schmerz quälte.
„Ich wette um ein romantisches Abendessen, wenn wir die Decke wegziehen, ist einer von beiden Nackt", vernahm ich dann auch noch Sidney Stimme. „Wenn das, was ich denke, passiert ist, sind beide Nackt", war Tizian anderer Meinung. „Solltet ihr euch das trauern, erwürge ich euch höchstpersönlich mit der Decke", brummte ich, denn ich war mir sicher, dass es keine Einbildung mehr war.
Die Worte gingen mir erneut durch den Kopf, wobei ich realisierte, dass wir wirklich nackt waren. Beschämt zog ich die Decke ein Stück höher, wodurch unsere Füße freigelegt wurden und ich mein Gesicht darin verstecken konnte. Einen ungünstigeren Zeitpunkt konnte sich mein Cousin wirklich nicht aussuchen. An meinem Hintern spürte ich Stoff, der eindeutig zu Severin gehörte. Er hatte es tatsächlich noch geschafft sich etwas anzuziehen, bevor er eingeschlafen war. Anstatt Severin zu wecken, stand ich samt Decke auf. Am liebsten hätte ich ihn geweckt, aber ich wusste, dass er den Schlaf brauchte.
„Sid, du hast ein romantisches Abendessen gewonnen", brummte ich. „Geh dir bitte etwas anziehen", bat Tizian mich, als er eins und eins zusammenzählte. „Ich tue dir sogar den Gefallen und gehe duschen", lief ich zur Treppe.
In meinem Zimmer suchte ich mir Kleidung zusammen, womit ich ins Badezimmer ging. Das warme Wasser war eine Wohltat auf meinen verspannten Muskeln. Ich hasse die Couch, stellte ich mal wieder fest. Jedes verdammte Mal hatte ich schmerzen, nachdem ich darauf geschlafen hatte. Nur den Schmerz in meinem hinteren Intimbereich konnte ich ihr nicht in die Schuhe schieben. Severin war vorsichtig gewesen, aber ich eindeutig zu voreilig, als er mich vorbereitet hatte. Im Spiegel erkannte ich, dass ich einen Knutschfleck im Übergang vom Hals zur Schulter hatte. In meinem Zimmer schnippte ich nach Cookie, welcher mir sofort folgte. Mit der Decke ging ich wieder nach unten, wo ich Severin zudeckte.
„Was macht ihr beide eigentlich hier?", fragte ich, als ich die Küche betrat und die Kaffeemaschine anmachte. „Wir versuchen dich seit gestern Nachmittag zu erreichen. Dann habe ich Sierra angerufen, die mir keine Auskunft geben konnte, da sie nicht da ist. Vor knapp einer Stunde hatte ich dann Angst, dass du dich betrunken hast und an deinem eigenen Erbrochenem erstickst", erklärte Tizian. „Verstehe ich das richtig? Du hattest Angst, dass ich theoretisch Tod sein könnte und hast trotzdem eine Stunde gebraucht?", hakte ich nach. „Richtig, aber dafür gibt es einen guten Grund", versuchte er sich direkt zu wehren. „Sex oder Essen", schlussfolgerte ich, wodurch er Sidney einen verstohlenen Blick zuwarf.
Wenn ich nicht so müde gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich mit mehr als nur einem skeptischen Nicken geantwortet. Ich war froh, dass er mir keine Details erzählte. Einmal hatte ich welche gehört und das hatte mir für mein restliches Leben gereicht. Angeekelt verzog ich meinen Mund, wenn ich darüber nachdachte, dass die beiden irgendwann ihre Flitterwochen haben würden. Nachdem ich selber in den Genuss von Sex gekommen war, konnte ich ihm nicht verübeln, dass er so lange gebraucht hatte, um herzukommen. Unweigerlich musste ich schmunzeln, als mir auffiel, dass Severins freier Abend war. Auf einmal spürte ich zwei Arme, die sich um meinen Bauch legten.
„Du riechst gut", raunte Severin, nachdem er seine Nase in meinem Nacken vergraben hatte. „Und du nach Sex", drehte ich mich zu ihm herum. „Ich gehe duschen", murmelte er, bevor er mir einen Kuss gab. „Ich glaube, dass ich mich bis an mein Lebensende nicht daran gewöhnen werde", hörte ich Tizian sagen. „Stell dich nicht so an", gab Sidney ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.
Seufzend ließ Severin von mir, streichelte Cookie und war dann schon auf dem Weg nach oben. Nach Aufmerksamkeit suchend, stupste der Hund meinen Cousin an, welcher sich sofort auf den Boden setzte. Wenn ich Sidney nicht besser kennen würde, hätte ich behauptet, dass er eifersüchtig war. Mit meinem Kaffee setzte ich mich an den Tisch, wobei mich wieder ein süßer Schmerz quälte. Ich konnte nur hoffen, dass es bald nachließ. Der rothaarige schaute mich wissend an, was die Situation eindeutig nicht besser machte.
„Gebe ich dir nicht genug Liebe oder warum sitzt du auf dem Boden?", fragte Sidney seinen Freund. „Nein, aber Milo gibt dem Hund bestimmt nicht genug Liebe und deswegen mache ich das jetzt", antwortete Tizian. „Das stimmt nicht", protestierte ich. „Warst du schon mit Cookie draußen?", hakte er nach, was ich beschämt verneinte. „Dann mache ich das jetzt", beschloss mein Cousin.
Voller Freude stolzierte ihm der Hund nach, was mich frustrierte. Mich störte es, dass ich noch nichtmal so etwas einfaches auf die Reihe bekam. Zumindest konnte ich jetzt verstehen, warum Sierra immer gegen ein Haustier war. Wenn Severin mich nicht mit einer kurzen Nachricht erinnert hätte, dass ich Cookie füttern sollte, hätte ich das auch vergessen. Ich brauchte ganz dringend eine Routine, fiel mir auf.
„Entweder möchte Tizian bald einen Hund oder kommt auf die Idee ein Kind zu adoptieren", meinte Sidney, nachdem sein Freund aus dem Haus war. „Bitte überlebt erstmal die Hochzeit, bevor ihr über ein Kind nachdenkt", sagte Severin, der die Küche frisch geduscht betrat. „Apropos Hochzeit, hat sich etwas neues ergeben?", fragte ich neugierig nach. „Nach langem hin und her haben wir uns jetzt geeinigt, dass wir im Sommer heiraten und einen Planer engagieren. Tizian ist zu überfordert und perfektionistisch", berichtete er uns.
Fast hätte ich gejubelt, denn Tizian hatte anscheinend Einsichtig. Mir war bewusst, dass er sich nicht vollständig ausklinken würde, aber einiges abgeben würde. Er konnte den Stress und Druck nicht gebrauchen. Meine Gedanken schwankten zu einem anderen Thema, welches wir zum Glück nicht vertieft hatten, Kinder. Bisher hatte ich mit Severin noch nicht darüber geredet. Ich wusste nicht, wie er zu dem Thema stand, aber ich sollte es in Erfahrung bringen. Ihn jetzt darauf anzusprechen, war eindeutig der falsche Zeitpunkt. Da ich mich erstmal um meine eigene Probleme kümmern wollte, kamen für mich erstmal keine Kinder in Frage.
„Ich bin gleich wieder da", stand Sidney auf, als sein Handy klingelte. „Ist bei dir alles in Ordnung? Hast du schmerzen?", erkundigte Severin sich bei mir. „Ich hätte sehr große Lust auf eine Wiederholung", antwortete ich nur. „Unersättlich", sagte er mit einem Grinsen. „Bei dir auf jeden Fall", stimmte ich zu.
Bevor Severin etwas weiteres sagen konnte, kam Tizian mit dem Hund zurück, welcher direkt auf mich zugestürmt kam. Wild hechelnd steckte Cookie die Schnauze unterm Tisch zwischen meinen Knien hervor. Liebevoll kraulte ich die runterhängenden Ohren. Aus dem Augenwinkel erkannte ich, dass Tizian zum Kühlschrank schlenderte und sich etwas von der Pizza nahm, die ich am Abend nicht vollständig aufgegessen hatte.
„Tizzy, wir müssen fahren", kam Sidney wieder zu uns. „Was? Ich esse gerade", schmatzte mein Cousin. „Wann tust du das nicht?", schenkte ich ihm einen skeptischen Blick. „Wenn ich schlafe", antwortete er fest überzeugt, was ich ihm sogar glaubte. „Du kannst auf dem Weg weiter essen. Mom hat einen Platten und steckt nun auf dem Supermarktparklatz fest", forderte Sid ihn auf.
Gequält nahm Tizian noch ein Stück Pizza aus dem Kühlschrank und verschwand dann mit Sidney. Der Morgen war eindeutig anders verlaufen, als ich es mir vorgestellt hatte, stellte ich fest, als ich mir noch einen Kaffee machte. Während ich wartete, setzte ich mich auf die Ablage und musste lächeln, wenn ich an die Nacht zurückdachte. Ich hoffte, dass Sierra niemals erfahren würde, wie wir ihre Küche benutzt hatten. Mit einem Schmunzeln stellte Severin sich zwischen meine Beine.
„Du hast gestern noch sauber gemacht", realisierte ich, als ich den Blick über die Ablage gleiten ließ. „Ja, nachdem du eingeschlafen bist. Ich hatte Angst, dass Sierra früher zurückkommen könnte", erklärte Severin. „Also, Sex in der Küche ist toll, was sogar noch untertrieben ist, aber benötigt um einiges mehr Gehirnzellen", schlussfolgerte ich.
Schmunzelnd schüttelte er mit dem Kopf, während ich mir meinen Kaffee aus der Maschine nahm. Ja, das weckte meine Gehirnzellen auf jeden Fall auf. Obwohl ich bereits duschen war und eine Tasse von dem heißen schwarzen Gebräu getrunken hatte, hatte ich das Gefühl jeden Moment einzuschlafen. Mir hatte die Nacht ein wenig mehr zugesetzt als ich es mir vorgestellt hatte. Sanft strich Severin mir ein paar nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht.
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Nur ein Wunsch
Teen FictionWünsche, jeder hat sie. Jeder auf eine unterschiedlichen Art und Weise. Manchmal führen sie uns zusammen, aber sie trennen uns auch. Auch Severin und Milo haben welche, obwohl sie meist einen Sorgenfreien Eindruck machen. Severin ist dafür bekannt...