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"Wir gehen heute arbeiten. Was ist mit den Sachen für das Baby, das wir eigentlich heute kaufen wollten?", fragt Henry und blickt von der Zeitung auf, als ich die Küche betrete. Das habe ich total vergessen. Aber es hat ja noch Zeit.
"Wir können morgen hingehen", schlage ich vor und mache mir ein Tässchen Tee.
"Gute Idee."

Ich bin überrascht, dass mein Büro nicht von Staub bedeckt ist. Ich war schon lange nicht mehr hier. Dann mache ich mich mal an die Arbeit.
Leider komme ich recht langsam voran, weil mich ständig irgendwelche Sekretärinnen und Mitarbeiter unterbrechen. Einmal geht es um einen Anruf, dann wiederum um eine Unterschrift. Der Tag wird härter, als ich es mir vorgestellt hatte.
Nach ein paar langen Stunden bin ich endlich froh, Mittagspause zu haben. Ich schaue bei Henry vorbei, aber er ist nicht in seinem Büro. Als ich ihn anrufe, hebt er auch nicht ab. Wo ist er? Und warum hat er nicht gesagt, wo er hingegangen ist.
"Ich habe ihn vor einer halben Stunde das Büro verlassen sehen", erzählt mir eine Blondine. Ich glaube ihr Name war Gabriela. Ich kann mich nicht mehr an die Namen der Angestellten hier erinnern. Aber ist ja auch egal.
"Weißt du vielleicht, wohin er gegangen ist?", frage ich besorgt.
"Leider nein. Ich kann Ihnen aber Bescheid geben, wenn er wieder kommt", sagt sie lächelnd.
"Ja, das wäre sehr nett. Ruf mich doch bitte an. Ich gehe nämlich jetzt für eine Weile raus."
"Sicher", sagt sie und verschwindet in ihr Büro.
Ich mache mir langsam Sorgen. Hoffentlich geht es ihm gut. Ich gehe in ein kleines Café und versuche ihn nochmal zu erreichen, während ich auf mein Kuchen warte.
Nachdem fünften Mal gebe ich es auf und schicke ihm eine Nachricht. Der Tag belastet mich zu sehr. Vielleicht fahre ich gleich nach Hause. Ja, das werde ich tun.
Da wir zusammen in einem Auto gekommen sind und das Auto nicht auf dem Parkplatz steht, muss ich ein Taxi anrufen. Ich hasse Taxis und kann Taxifahrer nicht vertrauen. Aber eine andere Wahl habe ich nicht.
Die Fahrt im Taxi lief zum Glück gut und endlich bin ich zu Hause.
"Henry?", rufe ich und sperre die Tür zu. Es kommt keine Antwort. Wo ist er bloß? Ich werde noch verrückt! Ich gehe mich umziehen. Diese Strumpfhose zwickt nervig im Hintern. Ich lasse mich auf das Bett fallen und warte. Ich warte bis Mitternacht, wenn er da noch nicht zu Hause ist, werde ich die Polizei anrufen. Vielleicht wollte er ja eine Pause machen und ihm ist etwas zugestoßen? Nein, das kann nicht sein. Auch wenn so etwas passieren würde, würde ich es wissen.

"Chloe? Chloe wach auf!", weckt mich eine Stimme. Ich stöhne genervt und werde sofort hellwach, als mir wieder einfällt, was passiert ist. Ich muss eingeschlafen sein.
Henry sitzt neben mir und lächelt mich an, als ob nichts passiert wäre.
"Wo zur Hölle warst du?", schimpfe ich und reibe mir die Augen. "Warum bist du nicht rangegangen, als ich dich angerufen habe. Warum hast du nichts gesagt, als du gegangen bist?"
"Entschuldige. Ich hatte einen Termin im Krankenhaus und ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst", gesteht er schmollend.
"Na, das ist dir ja super gelungen. Ich bin vor Sorge fast gestorben." Ich weiß, ich übertreibe, aber ich hatte nun mal Angst um ihn.
"Es tut mir wirklich leid." Er nimmt meine Hand und blickt mir tief in die Augen. Ich verdrehe meine Augen und stupse ihn leicht an.
"Warum warst du eigentlich im Krankenhaus?"
"Wieder dasselbe."
Ich nicke. "Und wie ist die Situation? Hat sich etwas gebessert?"
Er schaut sich auf die Hände und nickt. "Ja, alles ist gut." Er gibt mir ein strahlendes Lächeln und ich glaube ihm. Mir wird es wärmer ums Herz. Die Freude wird stärker und ich kann nicht anders, als meine Lippen an seine zu pressen. Er erwidert den Kuss und drückt mich näher an sich.
"Wie spät ist es eigentlich?", frage ich, als wir uns von dem Kuss lösen.
"Zwanzig Uhr. Du hast Hunger, nehme ich an?" Er hebt eine Braue.
"Gut erraten", lobe ich ihn und steige aus dem Bett. "Hast du schon etwas gegessen?"
"Nein."
"Was soll ich kochen?"
"Überrasche mich", meint er und legt sich auf das Bett. Ich strecke ihm die Zunge raus und gehe in die Küche. Ich bin so glücklich darüber, dass sich seine Lage gebessert hat. Ich kann nicht mehr aufhören, zu grinsen. Hoffentlich wird es noch besser. Ich schiebe die Gedanken fürs Erste zur Seite und überlege mir, was ich kochen soll. Schließlich entscheide ich mich für etwas einfaches-- Tiefkühlpizza.
Nach fünfzehn Minuten rufe ich Henry und wir verspeisen die gute alte Pizza, während wir uns irgendeine Serie angucken.

Am nächsten Morgen wache ich von Henrys Husten auf. Ich eile ins Badezimmer und sehe ihn vornübergebeugt am Waschbecken.
"Alles okay?", frage ich und berühre ihn vorsichtig am Rücken, als ob er zerbrechen würde.
"Ja", stößt er hervor und beruhigt sich ein wenig wieder. "Ich habe mich nur an dem Wasser verschluckt", erklärt er und lächelt. Ich hoffe er sagt die Wahrheit.
"Okay. Ich mache Frühstück." Ich lächle ihn an und gehe in die Küche. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich weiß es wirklich nicht. Ich kann nur positiv denken und ihm glauben.

Secret Desire - Das Einzige was zähltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt